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7. Mitteldeutscher Architektentag widmete sich der Architektur von morgen

Nordhäuser Erklärung an Minister Carius übergeben

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Übergabe der Nordhäuser Erklärung im Rahmen des 7. Mitteldeutschen Architektentags: Dr. Hannes Hubrich, Vizepräsident der Architektenkammer Thüringen, und Christian Carius, Thüringer Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (v. l.), Bild: AKT

Die Übergabe der Nordhäuser Erklärung an Thüringens Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr Christian Carius bildete den feierlichen Schlussakkord des diesjährigen Mitteldeutschen Architektentags, den die Architektenkammern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im jährlichen Wechsel veranstalten. Am 8. und 9. November trafen sich in Nordhausen an beiden Tagen jeweils rund 120 Architekten und Stadtplaner sowie Vertreter aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft, um Szenarien einer nachhaltigen Entwicklungspolitik sowie die Raumrelevanz zukünftiger  Entwicklungsprognosen zu diskutieren.

In seinem Grußwort betonte Hartmut Strube, Präsident der Architektenkammer Thüringen, dass der Kongress für die jeweils ausrichtende Kammer alle drei Jahre die Chance biete, sich fachlich-inhaltlich in raumbedeutsame Prozesse einzumischen. Um die Zukunft aktiv zu gestalten, müsse man „etwas wagen, etwas wünschen, etwas wollen“. Es gelte „die Antwort auf die Frage zu finden, welcher gesellschaftlichen Vision wir uns als Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten verpflichtet fühlen und was ihre räumlichen Entsprechungen sind“. Die Einmischung und die Expertise der vier Berufsstände seien gefragt und für den Prozess des Wandels zwingend erforderlich.

Das spannende Programm versprach folglich nicht nur den Blickwinkel externer Experten, sondern bot auch die Möglichkeit der Mitwirkung und Positionierung im Rahmen der Workshoparbeit am zweiten Tag. Die Hauptvorträge des ersten Tages dienten der thematischen Einführung, sie behandelten übergreifende Fragen der Identitätsbildung, des Wertewandels, der Energiewende und des Zukunftsdenkens.

Über die Planbarkeit von räumlichen Identitäten

Die Soziologin Dr. Gabriela B. Christmann vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner ging der Frage nach, ob räumliche Identitäten planbar sind. Ihre Antwort lautet zwar „Ja“, dahinter jedoch steht ein großes „Aber“: Denn nur langfristig, mit großem Aufwand und in begrenztem Maße sei dies möglich. Dabei ist es insbesondere für das planerische Selbstbildnis wichtig, dass Marken und Images, auch architektonische, nicht mit Identität gleich zu setzen sind. Die  Planbarkeit, so Christmann, hänge vielmehr davon ab, inwieweit man sich auf die Gegebenheiten vor Ort einlasse. Hier gelte es insbesondere, Netzwerke zu schaffen bzw. zu nutzen sowie unterschiedlichste Akteursgruppen zu beteiligen und diese in einen öffentlichen und diskursiv geführten  Kommunikationsprozess einzubeziehen.

Wie wir morgen leben wollen

Dass nichts so beständig ist wie der Wandel, belegte Prof. Dr. Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, eindrucksvoll anhand zahlreicher Entwicklungsstatistiken. Mit Blick auf das Durchschnittsalter der Bevölkerung wird Deutschland bereits im Jahr 2035 „das älteste Land der Welt“ sein. Das jedoch bedeute nicht eine weniger differenziert zu betrachtende Aufgabenstellung. Denn: „Auch wenn wir älter werden, haben die Altersgruppen sehr heterogene Wünsche. Der 50-Jährige hat mit dem 70-Jährigen wenig gemeinsam.“ Einer älter werdenden Bevölkerung gerecht zu werden, bedeute daher grundsätzlich, in differenzierten Bedürfnissen zu denken. Zum Wohnen von morgen führte Reinhardt aus: „Entscheidender als das ‚Wo‘ wird künftig die Frage ‚Mit wem‘ sein.“ Neben der sozialen Nachbarschaft spiele auch das Urbedürfnis nach einer hohen Freiraumqualität weiter eine wesentliche Rolle.

Die drei Rädchen der Energiewende

Wo wir bei der Energiewende stehen und was zu tun ist, erläuterte Dr. Klaus Müschen, Leiter der Abteilung Klimaschutz und Energie im Umweltbundesamt, Dessau. Als Ziele aus dem Energiekonzept der Bundesregierung nannte er u. a. die Verminderung des Wärmebedarfs um 20 Prozent bis 2020 gegenüber 2008, die Verringerung des Primärenergiebedarfs um 80 Prozent bis 2050, aber auch die Verdoppelung der Sanierungsrate. Hier forderte Müschen konsequentes Vorgehen: „Bestehende Gebäude werden bis zum Jahr 2050 voraussichtlich nur einmal saniert – jede Chance muss daher wirksam genutzt werden!“ Als Rädchen, die für ein Gelingen der Energiewende unablässig seien, zählte er neben der Energieeffizienz und den Einsatz Erneuerbarer Energien auch den Ausbau und die Modernisierung der Netzinfrastruktur auf. Gerade bei der Planung des Stromnetzes könne mehr Bürgerbeteiligung erzielt werden, die grundsätzlich für die Akzeptanz der Energiewende unerlässlich sei: „Wir müssen die breite Öffentlichkeit an den Planungen umfassend beteiligen, die Notwendigkeiten und Optionen darlegen und so den Sorgen der Menschen begegnen.“

Gewissheit der Ungewissheit

Was es bedeutet, die Zukunft in Szenarien zu denken, zeigte der vierte Vortrag des Tages „Talking Futures. Gewissheit der Ungewissheit“, den Matthias Böttger von raumtaktik – office from a better future, Berlin, hielt. Böttger betonte, dass sich Zukunft nicht allein mit den Blick in den Spiegel zurück denken lasse, vielmehr wäre es erforderlich, in einer Vielzahl an konkurrierenden und sich zugleich ergänzenden Szenarien zu denken. Erst dann sei es möglich, Schlussfolgerungen für Gestaltungspotenziale in der Gegenwart zu ziehen. Konkret stellte der Kurator des deutschen Beitrags zur Architekturbiennale 2008 in Venedig unter dem Titel „Updating Germany“ Projekte vor, die ihre nachhaltige Wirkung nicht allein durch avancierte Technik, sondern durch ein radikales Raumverständnis und architektonische Konsequenz erreichen.

Über die Relevanz der genannten gesellschaftspolitischen Fragestellungen für das Planungsverständnis und zukünftige Aufgaben wurde in der anknüpfenden Podiumsdiskussion debattiert. Aufgegriffen wurden die Inhalte auch in den drei Workshops am zweiten Kongresstag, als es hieß „Lebensstile quergedacht“, „Pro Region“ und Landschaf(f)t Energie“.

Die Nordhäuser Erklärung erfuhr durch die Gespräche vor Ort noch die eine oder andere wichtige Präzisierung. Die Architektenkammer Thüringen versteht das Papier als ein Angebot an die Landesregierung, um raumbedeutsame Prozesse vertiefend zu diskutieren. Die Erklärung enthält auch Anregungen an die Internationale Bauausstellung Thüringen, die nach wie vor als eine einmalige Chance erachtet wird, auf drängende Zukunftsfragen modellhafte Lösungen zu entwickeln.

Den Wortlaut der Nordhäuser Erklärung können Sie in der beigefügten Datei einsehen.

Impressionen vom und alle Informationen zum Mitteldeutschen Architektentag:
www.mitteldeutscher-architektentag.de

gp/br

veröffentlicht am 12.11.2012 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit, IBA Thüringen

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