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„Der Schiefe Turm“ in Bad Frankenhausen: Touristische Erschließung und Aufwertung Bereich Oberkirche

Ergebnis des nichtoffenen hochbaulichen und freiraumplanerischen Realisierungswettbewerbs

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Perspektive 1. Preis: Formation A, Berlin, und Atelier Loidl, Berlin, Bild: Formation A, Atelier Loidl, Berlin

Der sich neigende Turm der im 14. Jahrhundert errichteten Oberkirche prägt das Stadtbild von Bad Frankenhausen. Die Spitze des Turmes ist aufgrund von Störungen im Fundamentbereich circa 4,60 Meter aus der Senkrechten geneigt. Der Turm wurde ab 2015 mit Mitteln aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gesichert. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde eine Stützkonstruktion aus vier Stahlrohren und dünneren Stahlstäben errichtet, die das Anwachsen der Neigung des Turmes dauerhaft vermindern soll. Mit der Förderung durch den Bund wurde der Turm als Baudenkmal mit besonderer Wahrnehmbarkeit/Relevanz im städtebaulichen Zusammenhang eingestuft. Die Sicherung und weitere Aufwertung des gesamten Ensembles ist ein wichtiges Projekt der Stadtentwicklung.

Für die geplante Aufwertung und touristische Erschließung des Bereichs Oberkirche waren im Rahmen dieses Wettbewerbs der Stadt Bad Frankenhausen innovative bauliche und freiraumplanerische Konzepte zu entwickeln. Ziel des Wettbewerbs war es, überzeugende Vorschläge für eine qualitätvolle Entwicklung des Areals zu erlangen, die sowohl der Bedeutung der Situation als wichtiges Wahrzeichen der Stadt gerecht werden als auch die geplante touristische Entwicklung nachhaltig befördern. Dabei waren die vorhandenen Baulichkeiten in ein überzeugendes Gesamtkonzept zu integrieren. Es wurden Vorschläge erwartet, wie die Ruine des Kirchenschiffes der Oberkirche gesichert, in die Konzeption einbezogen und perspektivisch an diesem Standort ein attraktiver Veranstaltungsort entwickelt werden kann. Neben der Erschließung und Gestaltung des Geländes war mit Blick auf die touristische Nutzung des Bereichs ein Informationszentrum zu planen und einzuordnen. Zur Aufgabe gehörten auch Vorschläge zur Gestaltung der angrenzenden Oberkirchgasse sowie zur Anbindung von PKW- und Bus-Stellplätzen.

Am Wettbewerb waren Architektinnen und Architekten sowie Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten teilnahmeberechtigt; 23 Arbeiten wurden zugelassen. Als Wettbewerbssumme standen 46.000 Euro (netto) zur Verfügung. Das Preisgericht tagte am 9. Mai 2019 unter Vorsitz von Prof. Michael Mann, Architekt BDA in Erfurt.

Ergebnis

1. Preis (23.000 Euro):

  • Architekt: Formation A, Torsten Lockl, Lina Müller, Berlin
    Landschaftsarchitekt: Atelier Loidl, Bernd Joosten, Berlin

2. Preis (14.000 Euro):

  • Architekt: Jordan Balzer Schubert Architekten, Rico Schubert, Dresden
    Landschaftsarchitekt: Storch Landschaftsarchitekten, Robert Storch, Dresden

Anerkennungen (je 4.500 Euro):

  • Architekt: fischerarchitekten, Prof. Horst Fischer, Aachen
    Landschaftsarchitekt: Dott. Silvia Beretta, Aachen
  • Architekt: SCALA Freie Architekten BDA, Jörg Esefeld, Prof. Heinz Nagler, Stuttgart
    Landschaftsarchitekt: Pfrommen + Roeder Landschaftsarchitekten, Ulf Roeder, Stuttgart

Beurteilung des Preisgerichts zum 1. Preis:
Der Entwurf überzeugt mit einer zurückhaltenden Einbettung ins Umfeld und einer modernen Integration des Bauwerks. Der Zugang zum Gebäude erfolgt über einen klar ablesbaren Haupteingang von Norden. Dieser führt sehr selbstverständlich von der Oberkirchgasse zum Eingang. Weitere Zugänge in den Veranstaltungsraum auch von allen Seiten unterstützen die multifunktionale Nutzung des Raums.
Der vorgeschlagene Entwurf einer Überdeckung des historischen Kirchenschiffes fügt sich in den Gesamtbestand mit zeitgemäßen Mitteln gut ein und erfüllt einen umfassenden konservatorischen sowie statisch-konstruktiven Schutz der mittelalterlichen Außenwände. Die funktionale Gesamtlösung wahrt die Wirkung des historischen Innenraumes und der originalen Oberflächen im Innenraum. Vorteilhaft ist die Bewahrung des historischen Fußbodenniveaus. Die architektonische Lösung besticht mit ihrer Klarheit und Schlichtheit. Der historische Bezug ist in der äußeren Erscheinung durch ein Spitzdach auf dem Kirchenschiff erkennbar und lässt sich in Kombination mit dem seitlichen Flachdach als modernes Element ablesen. Der Veranstaltungsraum schafft eine sehr atmosphärische Wirkung und einen vollkommen neuen Raumeindruck. Das durchdachte und filigrane Tragwerk und die Materialauswahl führen diesen Eindruck konsequent fort.
Der Freiraum konzentriert sich auf die vorhandenen Potenziale und entwickelt diese weiter. So wird die Oberkirchgasse als shared space und Zuwegung zur Kirche herausgearbeitet. Eine große Treppe verbessert wesentlich die Wegeverbindung zur Straße am Schlachtberg. Der bestehende Baumbestand wird erhalten und durch eine Wasserscheibe zum Aufenthalt ergänzt. Die Lindenallee bleibt als untergeordnete Zuwegung erhalten und erhält den romantischen Charakter des Ortes.
Alle von der Ausloberin geforderten Raumanforderungen sind nachvollziehbar und überzeugend integriert. Alle technischen und funktionalen Räumlichkeiten konzentrieren sich im ehemaligen Seitenschiff, sodass der große Veranstaltungsraum sich großzügig über die gesamte Länge des Kirchenschiffes entwickeln kann.
Die Konstruktion lässt insbesondere durch eine hohe Flächeneffizienz eine sehr wirtschaftliche Umsetzung erkennen. Die technische Realisierbarkeit ist in jeder Hinsicht gegeben.

veröffentlicht am 23.05.2019 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wettbewerbe nach RPW: Ergebnisse

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