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Die gemeinschaftliche Direktorenschaft der Zukunft als in die Welt zu tragendes Erbe Weimars

Eine Reflektion auf die Reise des Gropius-Zimmer-Pavillons nach Siena

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Pavillon vor dem Dom von Siena, Bild: Julia Heinemann, Bauhaus-Universität Weimar

Text: Julia Heinemann

Der Gropius-Zimmer-Pavillon wurde anlässlich der Woche der Demokratie Anfang des Jubiläumsjahres zu 100 Jahre Bauhaus / 100 Jahre Demokratie als Kooperationsprojekt des Deutschen Nationaltheaters mit der Bauhaus-Universität Weimar im Februar 2019 erstmalig auf dem Weimarer Theaterplatz errichtet.

Das im Hauptgebäude der Bauhaus-Universität Weimar verortete Gropiuszimmer, das als die erste gesamtheitliche Raumkomposition der Moderne gilt, wurde in einer abstrakten Raumliniatur nachempfunden und als architektonische Intervention der von Gropius gestalteten Gedenktafel zur Nationalversammlung an der Theaterfassade des Deutschen Nationaltheaters in Weimar gegenübergestellt.

Die Installation bildet die Grundlinien des Direktorenzimmers nach und definiert somit einen öffentlichen Raum im öffentlichen Raum, der Passanten einlädt, ihn für sich zu interpretieren, sich darin aufzuhalten darin und darüber ins Gespräch zu kommen sowie die Dimensionen der Direktorenschaft einer demokratischen Gesellschaft „weiter“ zu denken.

Durch die offene Raumgeometrie, die aufgrund des sich vergrößernden Ursprungswürfels aus der Installation heraus gedanklich größer projiziert werden kann, wird der Raum nicht nur nach außen geöffnet, sondern öffnet auch seine Funktion in die Öffentlichkeit, wodurch die Direktorenschaft auf den öffentlichen Raum und damit auf die Öffentlichkeit übergeht.

Wem unterliegt die Direktorenschaft des öffentlichen Raumes in einer Demokratie? Anliegen dieser metaphorischen Installation ist das Gewahrwerden der eigenen Rolle in einer demokratiebasierten Gesellschaft. Dass man nicht nur das Recht der Mitgestaltung innehat, sondern damit auch Verantwortung einhergeht, die uns alle betrifft. In einer Demokratie sind wir keine Zaungäste, sondern Akteure, jeder in seinem Bereich und darüber hinaus, das Gesamtkunstwerk Gesellschaft betreffend.

Heimat – Fremde → fremde Heimat

Dieses offene Direktorenzimmer wanderte nun im letzten Jahr von dem Ort, an dem sich das Deutsche Volk die Weimarer Verfassung gab und damit die erste Demokratie in Deutschland bildete, auf den Campus der Bauhaus-Universität, die Geburtsstätte des staatlichen Bauhauses zu Weimar, dessen vornehmliches Ziel es war, den allseitig gebildeten Menschen auszubilden, dem die Zusammenhänge im Leben wichtiger sind als die Einzelteile.

Eine weitere Station war das Foyer des deutschen Hygienemuseums in Dresden. Für dort wurde das Tanzperformance-Projekt „Heim@“ entwickelt und tänzerisch die Aneignung der Fremde zur Heimat hinterfragt. Nach sechs Aufführungen verließ der Pavillon die Heimat in Richtung Süden, um in der Fremde auf die Heimat zu verweisen.

Der zweitägige Roadtrip mit Überquerung der Alpen brachte ihn in die Toskana nach Siena, der Partnerstadt Weimars. Dort errichtete das Team der Bauhaus-Universität in Zusammenarbeit mit Sienesischen Handwerkern am Fuße der Cattedrale Metropolitana di Santa Maria Assunta, die mit ihrer charakteristischen schwarz-weißen Marmorverblendung eines der bedeutendsten Beispiele der gotischen Architektur weltweit ist, den Pavillon in einem Tageswerk.

Collaborazione

Fast schon performativ wirkte die handwerkliche Zusammenarbeit der gelbbehelmten Helfer aus den unterschiedlichsten Bereichen. Was an die Worte von Gropius denken ließ, die er vor 100 Jahren im Gründungsmanifest formulierte: „Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte!“

Reprints dieses original Bauhaus-Manifestes, mit dem von Lyonel Feininger gestaltenden Titelbild einer kristallinen gotischen Kathedrale als Sinnbild des gemeinschaftlich zu gestaltenden Gesamtkunstwerks, waren Teil der feierlichen Übergabe des Pavillons von Peter Kleine, Oberbürgermeister der Stadt Weimar, an seinen Amtskollegen Luigi De Mossi. Kleine verwies auf das 25-jährige Bestehen der partnerstädtischen Verbindung und wünschte sich das Aufrechterhalten der nun wiederbelebten Kooperation beider Städte.

Julia Heinemann, die das Projekt von Universitätsseite verantwortete, verwies in ihrer Ansprache auf die Bedeutung des Bauhauses, vor allem auf den in die Zukunft gerichteten Blick der Schule, auf das Bildungskonzept, die neue Raumauffassung, Kooperation und auf das gesellschaftsbezogene Gestalten und Denken in größeren, ganzheitlichen Zusammenhängen.

All dieses verkörpert der Pavillon nun auch in seiner Entstehungsgeschichte vor Ort. Wie ein Satellit steht er dem massiven dickwandigen, monumentalen Kathedralbau gegenüber und kündet von einer beiden zugrundeliegenden Idee.

Nachdem die Stadtvertreter als abschließende Amtshandlung die italienische Infotafel gemeinsam am Pavillon befestigt hatten und damit auch der Sinngehalt nachvollziehbar übergeben war, überreichte Oberbürgermeister Kleine einen weiteren, etwas kleineren Kubus. Ein prämiertes Baukastensystem namens „Plattenbau“, welches von Julia Heinemann entwickelt und als didaktisches Mittel heute in der Lehre an der Bauhaus-Universität Weimar eingesetzt wird. Als Sinnbild des modularen, vielschichtigen und zugleich abstrakten Raumgedankens und Zusammenspiels verschiedenster Einzelteile, die immer wieder harmonisch in einer neuen Gesamtkonstellation zusammengefügt werden können, in der jedes Teil, unabhängig von Größe und Ausrichtung, seine ganz bestimmte Funktion einnimmt, um das Gesamtwerk zu ermöglichen.

Der nächste Standort für das „offene Direktorenzimmer“ soll ab Mitte März die Partnerstadt Blois in Frankreich sein, bevor es mit Aufenthalt in Trier Ende des Jahres an seinen Ursprungsort Weimar als erfahrener Bauhaus-Botschafter zurückkehrt und als Bauhaus-Oase zum Verweilen einlädt.

Mit herzlichem Dank an die Partner und Unterstützer:
Entstanden ist der Pavillon an der Fakultät Architektur und Urbanistik, Lehrstuhl Bauformenlehre Prof. Bernd Rudolf, unter Leitung von Julia Heinemann; Studierende: Hannah Ernst, Raphael Witte, Juan Pablo Fernandez, Gerrit Müller-Scheeßel, Julian Pracht, Diana Buterus, Paul Veit, Jonathan Schmitz; in Kooperation mit dem Bauhausfest „Republik der Geister“ und dem Deutschen Nationaltheater Weimar; Unterstützung: System 20I40, Ingenieurbüro Heinemann, Stahlbau Müller GmbH, Bauhaus 100. Ein besonderer Dank gilt den drei Master-Architekturstudenten Peter Schend, Martin Schinzel, Christoph Steinhäuser sowie dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Professur Bauformenlehre Louis Thomet, dem Spezialisten Christian Kaiser, den italienischen Handwerkern der Firma Soldati und dem Koordinator der Stadt Siena Carlo Infantino sowie dem Pressesprecher der Stadt Weimar Andy Faupel.

Julia Heinemann ist Architektin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Bauformenlehre der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar

veröffentlicht am 22.01.2020 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News

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