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Gedenkort zur Deportation der Thüringer Juden am Standort der ehemaligen Viehauktionshalle in Weimar

Ergebnis des nichtoffenen freiraumplanerischen und künstlerisch gestalterischen Realisierungswettbewerbs

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1. Preis: Vogt Landschaftsarchitekten, Berlin / Lars Müller, Zürich

Durch die im Jahr 2015 unwiderrufliche, völlige Zerstörung der Viehauktionshalle in Weimar-Nord durch Brandstiftung ist eine Situation entstanden, die ein Überdenken der Funktion des Ortes und eine Gestaltung für diesen Bereich erforderlich macht. Im Rahmen eines interdisziplinären Realisierungswettbewerbes erhoffen sich der Freistaat Thüringen und die Stadt Weimar wertvolle Lösungsvorschläge für einen Gedenkort, der an die Deportation von 877 Thüringer Juden im Jahre 1942 am Standort der ehemaligen Viehauktionshalle in Weimar erinnert.

Einzubeziehen sind die verbliebenen Reste der Viehauktionshalle – Teile der unteren Tragkonstruktion aus bewehrtem Beton, da diese auf den Sammelort und das Lager verweisen. Angemessen zu berücksichtigen sind die Verladerampe und das noch sichtbare Bahngleis sowie das zweite verfüllte Bahngleis.

Es soll ein Ort entstehen für historische Aufklärung zu den Geschehnissen an diesem Ort, für individuelles stilles Gedenken, für offizielle Gedenkveranstaltungen, für politische und geschichtliche Weiterbildung der Besucher sowie für die Vermittlung grundlegender historischer Informationen.

Am Wettbewerb teilnahmeberechtigt waren Landschaftsarchitekten und Künstler/Gestalter; die Zusammenarbeit in einer Bewerbergemeinschaft war zwingend vorgeschrieben. Insgesamt nahmen acht Bewerbergemeinschaften am Wettbewerb teil.

Als Wettbewerbssumme standen 20.000 Euro (netto) zur Verfügung. Das Preisgericht tagte am 15. Februar 2018 in Erfurt unter Vorsitz von Wolfram Stock, Landschaftsarchitekt bdla in Jena.

Ergebnis

  • 1. Preis (9.000 Euro)
    Vogt Landschaftsarchitekten, Berlin
    Lars Müller, Zürich
  • 2. Preis (7.000 Euro)
    glaßer und dagenbach landschaftsarchitekten, Berlin
    Dr. Boris Hars-Tschachotin, Berlin
  • 3. Preis (4.000 Euro)
    Franz Reschke, Berlin
    Sophie Jahnke, Berlin
  • Engere Wahl
    WLA Wengemuth Landschaftsarchitektur, Erfurt
    Dunkelmann – Buero für Gestaltung, Leipzig

Aus dem Preisgerichtsprotokoll zum 1. Preis:
Der historisch vorgeprägte Bereich wird durch eine parkähnliche Anlage umdefiniert. Aus einem „Unort“ wird ein „Ort zum Verweilen“. Dabei werden die drei wesentlichen, noch erhaltenen historischen Grundelemente gesichert und durch die Gestaltung der Lichtungen herausgearbeitet. In den Lichtungen werden die historischen Spuren zu – räumlich begrenzten – Erinnerungsorten, die der Besucher entdecken kann. Die Entwurfsverfasser schlagen einen sich selbsterklärenden Gedenkort mit hoher Aufenthaltsqualität vor, der als innerstädtischer Verweilort, auch über das Gedenken hinaus, funktioniert. Die Form des Gedenkens ist unaufdringlich und zurückhaltend, der Umgang mit den Namen der Deportierten ist zärtlich und spiegelt die Fragilität des Lebens wider. Die Gestaltung der Namen ist originell, neu und pflegearm. Der Wasserfilm schützt sie vor Vandalismus. Die Erinnerung wird in den Alltag der Menschen eingebettet, ein gesellschaftlicher Unort (Deportationsort, Lagerhalle der Armee) wird nicht nachgezeichnet, sondern transformiert in einem lebendigen, attraktiven und nachhaltig wirkenden gesellschaftlichen Ort. Der historische Ort der Ausgrenzung und Verfolgung wird so zu einem lebendigen Ort der Begegnung und Aufklärung. Die gewählte Baumart der Zitterpappeln fördert die Aufenthaltsqualität. Das Zittern der Blätter schon bei leichter Windbewegung hört sich an wie ein leises Flüstern und führt zu einem interessanten Licht- Schattenspiel. Der Gestaltungsansatz ermöglicht einen Ort, der von den Menschen angenommen wird; damit wird er auch als Gedenkort eine hohe Akzeptanz finden.

veröffentlicht am 08.03.2018 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wettbewerbe nach RPW: Ergebnisse

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