Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

Neubau Kommunikationszentrum „FOCUS“ Jena

Ergebnis des nichtoffenen interdisziplinären Realisierungswettbewerbs mit landschaftsarchitektonischem Ideenteil

16 Bilder vergrößern
Die beiden je mit einem 1. Preis prämierten Arbeiten: CODE UNIQUE Architekten mit RSP Freiraum (oben) sowie EM2N Architekten mit impuls°Landschaftsarchitektur (unten), Bild: CODE UNIQUE/RSP; EM2N/impuls°Landschaftsarchitektur

In Jena entstehen zwei Kommunikations- und Begegnungszentren der Friedrich-Schiller-Universität: das „FORUM“ in der Innenstadt und das „FOCUS“ auf dem Beutenberg-Campus.

Mit dem FOCUS sollen die Bedingungen für die interne und externe Wissenschaftskommunikation deutlich verbessert und ein weiterer Innovationsbeschleuniger für die Stadt Jena geschaffen werden. Es ist Treffpunkt der Beutenberg-Community und gleichzeitig Anlaufpunkt für lokale, regionale und internationale Partner und Gäste des Beutenberg-Campus, der Universität und der Stadt.

Am Wettbewerb für das FOCUS waren Architekt*innen und Landschaftsarchitekt*innen teilnahmeberechtigt; 13 Arbeiten wurden zugelassen. Als Preisgeld standen insgesamt 59.000 Euro (netto) zur Verfügung. Im Ergebnis der Preisgerichtssitzung unter Vorsitz der Architektin Prof. Hilde Léon, Berlin, wurden zwei erste Preise, ein dritter Preis sowie zwei Anerkennungen vergeben.

Ergebnis

Ein 1. Preis (19.175,00 €):

  • CODE UNIQUE Architekten GmbH, Dresden, mit RSP Freiraum GmbH, Dresden

Ein 1. Preis (19.175,00 €):

  • EM2N Architekten Berlin GmbH, Zürich/Berlin, mit impuls°Landschaftsarchitektur Facius . Facius PartGmbB, Jena

3. Preis (8.850,00 €):

  • Nieto Sobejano Arquitectos GmbH, Berlin, mit Frank Kiessling Landschaftsarchitekten, Berlin

Anerkennungen (je 5.900,00 €):

  • Scheidt Kasprusch Architekten GmbH, Berlin, mit TOPOS (GbR) Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung, Berlin
  • BURUCKERBARNIKOL ARCHITEKTEN BDA PartGmbB, Erfurt/Dresden, mit WLA Wengemuth Landschaftsarchitektur, Erfurt

Beurteilungen des Preisgerichts

Zur Arbeit von CODE UNIQUE Architekten GmbH, Dresden, mit RSP Freiraum GmbH, Dresden:

Die Arbeit überzeugt durch eine markante städtebauliche Setzung, die sich sehr gut in das Campusnetz einfügt. Sie ergänzt die vorhandenen Bauformen um eine signifikante und eigenständige Gestalt. Durch die gewählte asymmetrische und großzügige Freitreppe gelingt eine klare Eingangsgeste von der Albert-Einstein-Straße. Der Sockel zeichnet sich als Bauwerk an der Albert-Einstein-Straße ab und bildet ein gemeinsames Plateau im Gegenüber zum Ernst-Abbe-Zentrum. Ganz beiläufig werden im Sockel die notwendigen Stellplätze integriert. Allerdings scheint die großzügige Geste des Sockeleinschnitts an der Albert-Einstein-Straße zur Tiefgarage und zu den Technikräumen für die dahinterliegenden Nutzung nicht angemessen und konkurriert gestalterisch zur oben liegenden Eingangssituation.
Das Sockelplateau in Beton wird auf gelungene Weise mit einem leichten, scheinbar schwebenden Baukörper über der oberen Eingangsebene kontrastiert. Die Eingangsebene stellt über ein durchgestecktes Foyer geschickt eine Verbindung zum Grünraum zwischen Ernst-Abbe-Zentrum und Focus-Gebäude her. Hier wird ein ausdifferenzierter, gemeinschaftlich nutzbarer Freiraum angeboten, der eine sehr hohe Aufenthalts- und Nutzungsqualität erwarten lässt und eine schlüssige Innen-Außenraum-Beziehung für beide Baukörper herstellt.
Das Erdgeschoss überzeugt durch eine klare räumliche Struktur und durch die über Varianten nachgewiesene Flexibilität der Nutzungen. Nachteilig ist allerdings, dass der Science Lounge kein eigener Raum zukommt und eine Abtrennung durch Vorhänge ist akustisch wie räumlich zu hinterfragen.
Das Obergeschoss folgt in seiner offenen und transparenten Zonierung konsequent der klaren und Logik des Erdgeschosses. Besonders hervorzuheben ist die Lage der Gastronomie, die in Verbindung mit einer sehr großen Dachterrasse sehr gute Voraussetzungen für interne Veranstaltungen und Feiern bietet. Nachteilig ist jedoch ihre introvertierte Lage, so dass die Gastronomie nicht den Eingangsbereich/das Plateau belebt und für externe Nutzer nicht offen zugänglich ist.
Die gewählte Kombination aus regenwasserspeichernder und verdunstender Dachbegrünung mit Fotovoltaikanlagen trägt zeitgemäß den Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung und ist gleichermaßen gestalterisch gut integriert. Die solaren Gewinne lassen sich gut in das campusinterne Stromnetz einspeisen. Die großen Glasflächen lassen hohe Energieaufwendung für Kühlung und Heizung erwarten, auch wenn ein Teil über auf dem Dach befindliche PV-Anlagen kompensiert werden kann. Kritisch diskutiert wird der nicht überzeugend nachgewiesene sommerliche Wärmeschutz durch die allseitig vorgesehene großzügige Verglasung, auch wenn ein außenliegender Sonnenschutz angeboten wird.
Die modulare Grundstruktur des Gebäudes erlaubt einen hohen Vorfertigungsgrad, jedoch ist die vorgetragene Qualität und Leichtigkeit nur mit einer hohen Präzision in der Fertigung zu erzielen, was sich wirtschaftlich aufwendig niederschlagen könnte.
Insgesamt liefert die Arbeit einen überzeugenden architektonischen Ausdruck zu allen Formaten der Wissenschaftskommunikation am Beutenbergcampus.

Zur Arbeit von EM2N Architekten Berlin GmbH, Zürich/Berlin, mit impuls°Landschaftsarchitektur Facius . Facius PartGmbB, Jena:

Die Arbeit wird von Anfang äußerst intensiv und auch kontrovers diskutiert. In einer ersten Wertung wurde dem öffentlichen Raum als Grünraum im Sinne eines Bindegewebes des Gesamtcampus Beutenberg ein hoher Wert beigemessen. Diesen grundsätzlichen Anspruch bildet das Kernkonzept der Arbeit und bildet damit ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu den anderen Arbeiten. Ein großzügiges, der Topographie folgende Dach schafft einen attraktiven öffentlichen Raum mit großer Wiedererkennung, der als Art offener Marktplatz den Kommunikationsanspruch des neuen Focus Gebäudes gerecht wird. Die Eingangsseite liegt gewissermaßen in einem Garten zwischen Ernst-Abbe-Zentrum und Focus und gibt damit diesem Zwischenraum einen zusätzlichen funktionalen Wert. Eine integrierte Vorfahrt ist auf der oberen Ebene angedacht. Städtebaulich bildet das groß dimensionierte Photovoltaik-Dach eine starke, bildhafte Aussage zum Thema Nachhaltigkeit und wird durch einen überhöhten Technikturm gleichzeitig städtebaulich verankert und weithin sichtbar. Dieses vertikale Zeichen lässt einen gestalterischen Zusammenhang zum Gegenüber des Ernst-Abbe-Zentrums erkennen.
Das Thema der Nachhaltigkeit wird konsequent gestalterisch in der Gebäudehülle und der inneren Konstruktion integriert. Durch eine vergleichsweise einfache Holzkonstruktion mit innovativer Strohballendämmung, die mit regionalen Baustoffen umsetzbar ist, wird eine überaus nachhaltige Gebäudekonstruktion erwartet und im Zusammenhang mit dem großzügigen PV-Dach ergibt sich bei der Errichtung und Betrieb ein national wirksames Vorzeigeprojekt des nachhaltigen Bauens. Dieses Konzept deckt sich mit dem ambitionierten Zielen des ökologischen Bauens in Europa.
Das Innere ist geprägt von einem robusten, funktionalen Raster des Tragwerks, das das Raumprogramm in klarer Form umsetzt und doch durch mehrere Luftgeschosse Durchblicke und Einblicke zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss zulässt. Der wichtige Bereich der Gastronomie ist funktional und räumlich gut umgesetzt und bietet durch seine Lage unter dem hohen Dach zwischen Eingang und Aufgang einen Wetterschutz und ein öffentliches Zeichen des kommunikativen Charakter des Focus Gebäudes. Eine Nutzung jenseits von Öffnungszeiten des Focus ist damit sehr gut umsetzbar und kann bei Bedarf auf den Platz zwischen Focus und Abbe-Zentrum ausgedehnt werden.
Überhaupt besticht das Gebäude durch seinen repräsentativen Gesamtcharakter mit der starken Geste des schrägen Daches. Die Dachneigung folgt hierbei der Topografie, was das Dach, von der Winzelaer Straße kommend in Richtung Focus schauend, als flache Scheibe erscheinen lässt. Kritisch wird der Zugang zum Gebäude gesehen. An der Ecke Hans-Knöll-/Albert-Einstein-Straße – hier wirkt der Ausdruck des Entrees im Verhältnis zum Gesamtprojekt zu bescheiden.
Der vertikale Turm, wird als wichtiges gestalterisches Element gewürdigt, erfordert jedoch eine eigene überzeugende und konzeptstarke Materialisierung. Wirtschaftlich erscheint die Arbeit gut umsetzbar, Potential von faktischen Einsparungen werden in dem zu üppigen Sockel, vor allem im nicht überbauten Teil des Sockels gesehen.
Abschließend sieht das Preisgericht in der Arbeit eine innovative und moderne gestalterische Umsetzung des Nachhaltigen Bauens, dass gerade das Potential des Wissenschaftsstandorts Beutenberg ohne die Zwänge des innerstädtischen Kontextes heraushebt.

veröffentlicht am 16.01.2023 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wettbewerbe nach RPW: Ergebnisse

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken