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Rede Hartmut Strube zum Neujahrsempfang 2006

Gemeinsamer Neujahrsempfang der Architektenkammer und der Ingenieurkammer Thüringen am 16.01.2006

Sehr geehrter Herr Minister Schliemann,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Richwien,
sehr geehrtes Mitglied des Europäischen Parlamentes, Herr Architekt Dieter Koch,
sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
sehr geehrter Befehlshaber des Wehrbereichskommandos III des Bundeswehr, Herr Generalmajor Oppitz,
sehr geehrte Oberbürgermeister, Landräte und Vertreter der Thüringer Kommunen und Landkreise, des Landes- und Kommunaler Gesellschaften,
sehr geehrte Präsidenten der Kammern und Verbände,
sehr geehrte Rektoren der Universitäten und der Fachhochschule Erfurt,
sehr geehrter Herr Präsident der Stiftung Baukultur, Prof. Gerd Zimmermann,
sehr geehrte Vertreter der Wirtschaft, der Wohnungsgesellschaften, der Kammern und Verbände, der Vereine, Medien,
werte Freiberuflicher, Architekten, Stadtplaner und Ingenieure,

ich begrüße Sie sehr herzlich zum ersten gemeinsamen Neujahrsempfang der Architektenkammer und der Ingenieurkammer Thüringen.
Ich wünsche Ihnen allen ein gesundes, glückliches und erfolgreiches neues Jahr. Ich wünsche Ihnen, das sich Ihre Erwartungen für das neue Jahr2006 erfüllen, dass das Jahr 2006 auch für viele Architekten und Ingenieure ein besseres ein erfolgreicheres als das vorangegangene wird.

Innovationen und Arbeit ergeben eine Lebendige Stadt, wird im Leitthema unseres Neujahrsempfangs formuliert. Innovationen basieren auf den vielfältigen Ideen der Mitarbeiter auch unserer Berufsstände und die zu leistende Arbeit, die Umsetzung dieser Ideen bedarf einer wirtschaftlichen Grundlage. Der Einfluss der wirtschaftspolitischen Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD ist deshalb von großer Bedeutung für die Situation der Berufsstände und die aktuelle Berufspolitik und das Ergebnis ihrer Arbeit.

Stadtentwicklung = Lebendige Stadt
Die Weiterführung des Stadtumbaus Ost für Thüringen mit der Fortschreibung der Stadtentwicklungskonzepte, der Masterpläne für Stadtquartiere verlangt vor allem eine Verzahnung von Städtebauförderung (TMBV) mit dem Brachen- und Flächenmanagement (TMLNU), mit dem Stadtmarketing-Programm, mit dem Tourismus und der Wirtschaftsförderung (TMWAT) und auch der integrierten ländlichen Entwicklung (TMLNU). Dabei muss es zu keiner Monopolisierung der Zuständigkeit für die Förderprogramme, der Verlagerung in eine Hand kommen. Die Kammern sehen die gegenwärtige Verantwortungsstruktur zur Entwicklung im Ländlichen Raum im Freistaat mit einer Angliederung an die Landwirtschaft und Agrarstruktur positiv. Dieses belegen zum Beispiel die positiven Ergebnisse bei der Dorferneuerung. An Bewährtem sollte deshalb festgehalten werden.

Das Stadtumbauprogramm Ost darf auf keinen Fall 2009 abgeschlossen werden, denn die städtebaulichen Probleme aus der demografischen Entwicklung gehen bis weit über das Jahr 2020 hinaus. Dieses Programm muss auch im Solidarpakt II weiter finanziert werden. Natürlich sollten auch vergleichbare Regionen in den alten Bundesländern förderfähig sein. Es sollte ein Ausgleich stattfinden, der keine Seite benachteiligt und die notwendige identitätsstiftende Balance wahrt. Eine Förderung im Osten ist deshalb auch verstärkt mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der EU zu bündeln. Besonders bei den Themen Umwelt/Altlasten, Brachenrevitalisierung, Hochschulbau und bei der regionalen Stärkung des Ländlichen Raums sind EU-Mittel aus den zuständigen Programmen zu nutzen. Dabei müssen die betroffenen Kommunen in die Lage versetzt werden, den notwendigen Eigenanteil zu finanzieren.. Die Eigenkapitalbasis der Kommunen für die Inanspruchnahme von Förderprogrammen EU, Bund, Länder ist also zu verbreitern. Dabei müssen die betroffenen Kommunen in die Lage versetzt werden, den notwendigen Eigenanteil zu finanzieren und eigene kommunale Haushalte aufzustellen.

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung, insbesondere das für die Gebäudesanierung wird aus unserer Sicht für die neuen Bundesländer nur wenig Wirkung zeigen. Die Gebäudesanierung in den neuen Bundesländern ist von Beginn an mit der Umsetzung der Wärmeschutzverordnung und später der Energieeinsparverordnung an einen hohen Standard zur Energieeinsparung gebunden worden. Der Wohnungsmarkt selbst ist von einem Überangebot bestimmt. Die vorhandenen sozialen Ungleichgewichte gefährden den Mietermarkt und stärken die Nachfrage nach billigem Wohnraum. Die Baunebenkosten, insbesondere die Grundstückskosten in den Innenstädten, sind nicht konkurrenzfähig zum Wohnungsbau an den Dorfrändern und den stadtnahen Eigenheimgebieten. Die Kommunen müssen zukünftig ein Grundstücksmanagement entwickeln, das sie in die Lage versetzt, die innerstädtischen Brachen für einen Rückzug in die Stadt der Immobilienwirtschaft konkurrenzfähig anzubieten.

Hier sind vor allem die Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften gefordert, selbst als Bauträger qualitätsvolle und zeitgemäße Wohnformen und Wohntypen zu bauen und Bauherrenmodelle aufzulegen, die für junge Familien und auch Ältere einen Anreiz zum Eigentumserwerb darstellen.

Denkmalpflege und Innenstadtrevitalisierung
Denkmalpflege ist eine Kulturaufgabe der gesamten Nation, deshalb ist die steuerliche Förderung bei der Erhaltung der Denkmalsubstanz unbedingt beizubehalten. Den Innenstädten, den Sanierungsgebieten, sollte die gleiche steuerliche Aufmerksamkeit zu teil werden wie der Denkmalsubstanz, denn nur dadurch ist eine nachhaltige und dauerhafte Sanierung und Modernisierung in diesen Gebieten finanzierbar. Einzubeziehen ist auch der Neubauanteil bei Schließung von Baulücken in Sanierungsgebieten. Auch in diesen Fällen ist bei selbstgenutztem Wohneigentum eine steuerliche Förderung als Anreiz zur privaten Altersvorsorge sinnvoll. Damit könnte eine Belebung der Innenstädte mit Wohnfunktionen und eine zweite Welle „Aufschwung Ost“ für die kommunale Bauwirtschaft, die Architekten und Ingenieure, ähnlich wie bis 1996, verbunden sein.

Leitbild Bauwirtschaft
Das Leitbild Bauwirtschaft wird von uns verbunden mit den Begriffen: Lebenszyklus von Gebäuden, Nachhaltigkeit beim Planen und Bauen, Stoffkreisläufen und Wiederverwendbarkeit von Baumaterialien, Schadstoffvermeidung im Gebäude, Qualität und Baukultur, Innovation und Planungskultur sowie Beschleunigung und Vereinfachung der Planungsprozesse.

Hier sehen wir Handlungs- und Forschungsbedarf für alle mit dem Bauen verbundene Branchen.
Die Bauwirtschaft investiert gemessen am Bauvolumen von 250 Mrd. Euro jährlich den geringsten Teil in Forschungsmittel von allen Industrie- und Beschäftigungszweigen. Hier besteht zum Beispiel ein großer Nachholbedarf gegenüber GB, den Niederlanden, Dänemark und Schweden sowie Finnland.

Baustiftung des Bundes
Wir begrüßen die Gründung der Bundesstiftung Baukultur oder nunmehr Baustiftung des Bundes. Sie ist mit einem ausreichenden finanziellen Polster auszustatten, sollte in den neuen Ländern, möglichst in Weimar, der Geburtsstätte des Bauhauses angesiedelt werden und es muss gelingen, sie aus dem Föderalismusstreit herauszuhalten. Es gilt über die Stiftung die Architekturqualität, die Nachhaltigkeit des umweltgerechten Bauens, den innovativen Ingenieurbau Deutschlands als Export-Artikel aufzuwerten und zu unterstützen, wie zum Beispiel in Österreich Architekturzentren in den Bundesländern aufzubauen. Architektur und Städtebau, die Qualität der gebauten Umwelt ist in den Unterricht an Schulen und Kindertagesstätten einzubauen. Thüringen ist hier mit der Kooperationsvereinbarung zwischen dem ThiLLM Bad Berka und der Architektenkammer ein Vorbild für Deutschland. Dazu gehört auch die Lehrerfortbildung, der Schulunterricht, die Kunsterzieherausbildung für das Fachgebiet Architektur mit der BUW im Rahmen des Programms „Architektur und Schule“.

Thüringer Stiftung Baukultur
In Thüringen wurde durch die Architektenkammer als Stifter vor drei Jahren die Stiftung Baukultur ins Leben gerufen, die sich als feste Kommunikations- und Initiativplattform in Thüringen etabliert hat. Im Jahr 2006 lobt sie erstmalig den Preis zur Förderung der Baukultur in Thüringen aus.

Neue Finanzierungsinstrumente ÖPP bzw. PPP (Public Private Partnership):
Für Thüringen wird neben dem Modellprojekt bei den Landesbauten, der" Bereitschaftspolizei Erfurt, Kranichfelder Strasse" auch eine breitere Anwendung in den Kommunen und Landkreisen gefordert. Dabei geht es vor allem auch um kleinere Losgrößen, die dem Mittelstand und der örtlichen Bauwirtschaft eine Beteiligung als Bieter und Betreiber ermöglichen. PPP heißt vor allem auch faire Partnerschaft zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Entwurfsplanern bei den Machbarkeitsstudien. Diese sind angemessen zu honorieren und transparent und gleichbehandelnd zu werten. Nachprüfungsverfahren wie in der VOF (Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen) werden meist auf Grund zu hoher Angebotsdichte der Dienstleister, der Bieter, nicht genutzt. Die Vorbereitungsphase von PPP Projekten bedarf für die Kommunen auch neuer Finanzierungsformen. Beispielhaft ist eine Unterstützung der Landesregierungen in Hessen und NRW, die über eine Projektfinanzierung den Kommunen Hilfe bei der Vorbereitung und Ausschreibung von PPP-Verfahren anbieten.

Energieeffizienz / Energiebedafsausweis / Gebäudepass
Die Kammern stehen der Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie sehr positiv gegenüber. Die Qualifikation der Berufsstände zur Ausstellung des Energiebedarfsausweises ist mit der Eintragung in die Kammerliste automatisch gegeben. Diese registrierten qualifizierten Fachkollegen sollten gegenüber Handwerkern wie z.B. Schornsteigfegern besser gestellt werden, weil sie neben der Haustechnik auch die Gebäudehülle und Baukonstruktion auf Energieeffizienz beurteilen können. Der Gebäudeenergiepass ist zwingend notwendig für alle Gebäudearten und Gebäudetypen einzuführen. Dieser Energieausweis muss einheitlich, objektiv und verständlich zur Kennzeichnung des Energiebedarfs von Immobilien eingeführt werden. Benötigt wird ein bedarfsorientierter, das heißt nach objektiven Kriterien angelegter Energieausweis. Die Energieeffizienz von Gebäuden muss vergleichbar sein, denn angesichts explodierender Energiepreise und des Klimawandels ist der Energieausweis künftig ein transparentes Instrument für mehr Wettbewerb und Innovation, für Investitionen und Arbeitsplätze in der Immobilienwirtschaft. Die Kammern lehnen Pläne für einen verbrauchsorientierten Energieausweis ab. Transparenz und Vergleichbarkeit auf dem Wohnungsmarkt darf nicht verhindert werden. Wichtig ist, dass der energetische Zustand von Immobilien und die Energiekosten nachvollziehbar und vergleichbar für den Verbraucher sind. Dazu bedarf es aber einer Offenlegung aller Energiedaten. Der Energieausweis kann Vermarktungsinstrument, Verkaufs- und Vermietungsargument sein und ist deshalb für eine moderne Immobilienwirtschaft unverzichtbar. Darüber hinaus dient er maßgeblich zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen der privaten Haushalte und trägt zum Klimaschutz bei.

Der bedarfsorientierte Energieausweis ist die einzige Möglichkeit eine Vergleichbarkeit zwischen Neubau und Wohnungsbestand und zwischen den verschiedenen Wohnungstypen und Wohnungsarten herzustellen.

Verkehrsinfrastruktur
Den transeuropäischen Verbindungslinien auf Schiene und Strasse ist Vorrang bei der Verkehrswegeplanung einzuräumen. Deshalb muss die ICE- Bahnstrecke Verona - Stockholm durch den Thüringer Wald aus unserer Sicht eine bessere finanzielle Ausstattung erhalten. Das in der letzten Woche beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung will im Jahr 2006 vorrangig in Straßenprojekte investieren. Wir unterstützen die Ortsumgehung Weimar-Ost, die Sicherung der Verkehrsinfrastruktur zur BUGA 2007 Gera – Ronneburg und den Ausbau der Mittedeutschlandverbindung der Schiene von Kassel über Gera nach Dresden. Es ist erforderlich, die Planungssicherheit für die transeuropäischen Verbindungslinien zu gewährleisten und Investitionen in die Schiene anzuschieben.

HOAI
Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure gilt es zu modernisieren und zu vereinfachen. Die Vorschläge der Kammern und Verbände dazu liegen vor. Die Beibehaltung des Werkvertrages bedeutet, die Leistungen komplex beizubehalten. Teile der HOAI dürfen nicht auseinandergenommen werden. Systemanreize dürfen nicht zu Lasten der Qualität gehen. Die Qualität und damit der Verbraucherschutz ist durch die Auskömmlichkeit der Honorare zu wahren. Mindestsätze sind deshalb festzuschreiben, die Bemessungsgrenze für Honorare darf nicht nach unten beschnitten werden. Die Honorierung neuer Berufsaufgaben wie die Erstellung von Umweltberichten oder SIGEKO- Leistungen und aller erforderlichen bautechnischen Nachweise sind in die HOAI aufzunehmen.

Vergaberecht
Das Kaskadenprinzip der VOB, VOL, VOF gilt es bei Architekten- und Ingenieurleistungen beizubehalten. Der wettbewerbliche Dialog als neue Vergabeart ist bei Leistungen entsprechend der VOF nicht anwendbar. Berufsanfänger sind zukünftig stärker zu beteiligen. Bei dem neuen Vergaberecht muss das wirtschaftlichste Angebot und nicht das billigste Angebot im Mittelpunkt stehen. Dafür ist das Vergaberecht zu stärken. In der Umsetzung der Novelle EU-Dienstleistungsrichtlinie gilt es das Bestimmungslandprinzip einzuführen, um Standards wie HOAI und Verbraucherschutz sowie Baukultur /und Bauqualität zu wahren. Das in der EU-Kommission gewollte Herkunftslandprinzip kann zu gravierenden wirtschaftspolitischen Verwerfungen führen.

Landesentwicklung und Gebietsreform in Thüringen
Die Kammern begrüßen die Erweiterung der Bereiche erfüllender Gemeinden, die Vergrößerung der Verwaltungsgemeinschaften, die Gründung neuer Einheitsgemeinden, den Zusammenschluss bisher selbständiger Städte zu größeren Einheitsgemeinden. Dabei geht es um die Schaffung von strategischen Potentialen im europäischen Wettlauf der Regionen und Kommunen. Im Mittelpunkt sollten qualifizierte Kommunalverwaltungen mit größeren Kommunalterritorien stehen, die eine bessere Infrastruktur und bessere soziale Netze vorhalten, interkommunale Zusammenarbeit in Wirtschaft, Forschung und Technologie pflegen. Ziel ist die Schaffung einer vernetzten Kommunalwirtschaft, die Zusammenfassung von Wasser- und Abwasserzweckverbänden zu größeren Wirtschaftseinheiten, Schaffung einer größeren Wirtschaftskraft der Kommune als öffentlicher Auftraggeber.

Erforderlich ist eine Gebietsreform in Thüringen verbunden mit einer Funktional- und Verwaltungsreform. Diese Reform benötigt in der Raumplanung, der Regionalentwicklung, der Landesplanung einen geistigen, visionären Vorlauf. Sie bedarf einer Verzahnung von Machbarem mit Möglichem. Dabei darf der Grundsatz der "Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen" in Stadt und Land nicht aus den Augen verloren werden, denn nur so hat Thüringen auch die Chance des Überlebens in der Fläche.

Behördenstrukturreform
Die Behördenstrukturreform benötigt Planungssicherheit. Für viele Gebäude liegt bereits eine Haushaltsunterlage-Bau, eine Architekten- und Ingenieurleistung vor. Manche dieser Gebäude sind von Schließung betroffen, andere haben noch die Chance auf Sanierung ,Erweiterung oder Neubau und weiterer Nutzung. Leider gibt es zur Zeit keine Planungssicherheit für die Architekturbüros, weder im Vollzug noch im Haushalt der Maßnahmen. Der öffentliche Auftraggeber wird damit zum unkalkulierbaren Risiko und ist damit keine Bonitäts- und Erfolgsgarantie für die Banken und Kreditgeber der betroffenen Dienstleistern für die erforderlichen Darlehen zur Zwischenfinanzierungen. Eine bittere Erkenntnis für viele Planungsbüros, die damit selbst zum Zwischenfinanzier für die eigene Planung beim öffentlichen Bauherr werden, sofern sie dazu in der Lage sind.
Zur Verbesserung der Planungssicherheit für die beteiligten Büros werden dringend die abschließenden Strukturen bei der Finanzverwaltung, Polizei und Justiz sowie Behörden, Landesgesellschaften eingefordert.

Irritiert sind wir, dass nach dem vorliegenden Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften den Hochschulen auch die Durchführung größerer Baumaßnahmen übertragen werden soll. Diese Zersplitterung der Kompetenzen widerspricht den Bemühungen zur Verstärkung der Effektivität und der Rückbesinnung auf Kernkompetenzen. Gerade bei Sanierungs- und Teilsanierungsmaßnahmen über einen langen Zeitraum ist hohe Fachkompetenz, Erfahrung und Weitblick, die Sicht auf eine spätere Endqualität gefragt. Dabei haben sich die Staatsbauämter in Zusammenarbeit mit von ihnen beauftragte freie Planern bewährt.

Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz
In Vorbereitung für das Jahr 2006 ist die Novelle des Thüringer Architektengesetzes und des Thüringer Ingenieurkammergesetzes von 1997. Es liegt ein Gesprächsangebot und ein Diskussionspapier des TMBV vor. Begrüßt wird, dass ein gemeinsames Gesetz auf den Weg gebracht wird, dass zukunftsweisend für die Zusammenarbeit beider Kammern sein kann. Für die Eintragungsvoraussetzungen müssen aus unserer Sicht mindestens 8 Semester Regelstudienzeit beibehalten bleiben, der Bachelorabschluss mit 3 Jahren Studium im Fachgebiet der Architekten und Ingenieure darf nicht eintragungsfähig werden. Dazu ist der Beruf zu komplex und zu kompliziert. Die Reduzierung der Ausbildungsdauer bis zum berufsbildenden Abschluss führt zu Qualitätsverlusten und zur Gefährdung des Verbraucherschutzes.
Wir danken an dieser Stelle dem TMBV für die Gesprächsbereitschaft und sehen noch zu einigen weiteren Detailfragen in den nächsten Tagen dringenden Abstimmungsbedarf.

Architektenkammer Thüringen und wirtschaftliche Situation
In der Architektenkammer Thüringen sind gegenwärtig 1913 Mitglieder eingetragen, davon sind 975 freischaffend. 100 Berufsgesellschaften der Architekten und Stadtplaner sind als GmbH, Aktiengesellschaft oder Partnerschaftsgesellschaften in Thüringen verzeichnet. 180 Mitglieder sind als freie oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige tätig. Insgesamt arbeiten 980 Architekturbüros in Thüringen.

Auf der Grundlage der Thüringer Bauordnung führen Architekten- und Ingenieurkammer gemeinsam die Listen der bautechnischen Nachweisberechtigten. 214 Nachweisberechtigte für vorbeugenden Brandschutz, 539 für Standsicherheit und 507 Architekten und Ingenieure für den Wärmeschutz sind im letzten Jahr eingetragen worden.

Unsere aktuelle Jahresumfrage zur wirtschaftlichen Situation, zum Konjunkturklima und zur Struktur der Büros zeigt, dass 66 % ihre allgemeine Auftragslage als überwiegend sehr gut bis befriedigend darstellen. Im letzten Jahr waren es noch 54 %. Nur noch 34 % gegenüber 46 % im Vorjahr sprechen von einer schlechten konjunkturellen Lage. Dieses sind erste Anzeichen für eine Verbesserung der Situation in der Bauwirtschaft in Thüringen. Die vertraglich abgesicherten Aufträge sind mit 4,25 Monaten auf dem Niveau von 2005. Der positive Trend aus dem Vorjahr zur Verbesserung der Zahlungsmoral der öffentlichen Hand wird auch in dieser Umfrage erneut bestätigt. 60 % der Befragten bescheinigen den Bund, dem Freistaat, den Kommunen und den Landkreisen eine positive Zahlungsmoral. Negativ ist das Sinken des Auftragsvolumens der öffentlichen Hand gegenüber dem Vorjahr. Nur noch 33 % der Aufträge in den Büros werden für öffentliche Auftraggeber ausgeführt. Die Zahlungsmoral der privaten Bauherren bezeichnet die Hälfte der Büros mit gut. Fast jedes 10. Architekturbüro spricht aber davon, dass mehr als ein Viertel des gesamten Auftragsvolumens als offene Forderung in den Büchern steht.

Diese Verzüge und Forderungsausfälle betragen im Durchschnitt 25.000,00 Euro und gefährden mit Sicherheit die Existenz dieser Büros. Wie bereits im Vorjahr ist ein Strukturwandel deutlich erkennbar. Durchschnittlich sind nur noch 3 Beschäftigte in den Büros tätig, im Jahr 2003 waren es noch 4,5 Beschäftigte. Der Silberstreif am Konjunkturhimmel verbindet sich mit einem schmerzlichen Strukturwandel und dem Beschäftigtenabbau in den Architekturbüros. Gefördert wird dadurch die freie Mitarbeiterschaft und die Praktikantentätigkeit, die soziale Schieflagen durch temporäre Beschäftigung erzeugt.

Im vergangenen Jahr waren in der Kammer die Gestaltung eines neuen Kommunikationskonzeptes und der „Tag der Architektouren“ Schwerpunkt der Kammerarbeit. Unter dem Motto „Raum erleben“ lud der „Tag der Architektouren“ in 30 Gemeinden, in 81 Gebäuden und Freianlagen zur Besichtigung und zur Diskussion ein. 5000 Besucher folgten dieser Einladung. Erstmalig wurde ein „Architektourenpreis“ verliehen und gleichzeitig ein Leserpreis der Thüringer Allgemeinen prämiiert. Erfreulich war die hohe Beteiligung der Leserschaft an diesem Preis. Für dieses Jahr laden wir am 24. und 25. Juni erneut zum „Tag der Architektouren“ ein. Der Leserpreis wird sich auf die Zeitungsgruppe Thüringen und die Südthüringer Presse ausdehnen.

Nicht unerwähnt bleiben darf die Veranstaltung zur Entwicklung des ländlichen Raumes im September. Die große Resonanz der Gemeinden widerspiegelt das Interesse an der gemeinsamen Gestaltung einer qualitätvollen gebauten Umwelt im ländlichen Raum und der Integration der ländlichen Entwicklung, die nur in Zusammenarbeit mit den Architekten und Stadtplanern zu einer positiven Dorf- und Regionalentwicklung, zum ganzheitlichen Regionalmanagement aus einer Hand führen kann. Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium werden wir zum Thema im September 2006 die Information und Diskussion fortführen.

Die Thüringenausstellung im März 2006 nutzen wir zur Fortführung unserer Veranstaltungsreihe „Bauen mit....“ dieses mal mit dem Thema „Energieeffizienz und Energieausweis für Gebäude“ am 10. März auf der Messe Erfurt. Auch dazu lade ich Sie sehr herzlich ein.

Architekten und Ingenieure und ihre Kammern
Die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen beiden Kammern, die mit dem gemeinsamen Neujahrsempfang einen Höhepunkt findet, sehen wir sehr positiv. Die gemeinsame Listenführung und das einvernehmliche Regeln des Sachverständigenwesens mit der Ingenieurkammer und den Industrie- und Handelskammern wird von uns begrüßt.

Dass Architekten, Stadtplaner und Ingenieure unterschiedliche Ausbildungsinhalte in den Studiengängen lernen, ist unbestritten. Dass sie unterschiedliche Berufsaufgaben nach den berufsständischen Gesetzen haben ebenso. Deshalb sollte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch nur die jeweilige Berufsgruppe für die jeweilige Planungsleistung als Auftragnehmer, als Bieter zu Leistungsangeboten aufgefordert werden. Getreu dem Spruch „Schuster bleib bei deinen Leisten“, denn nur so können wir Qualität und Verbraucherschutz, Baukultur und Baukunst gestalten und wahren.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich versichere ihnen, das die Architekten und Ingenieure wie bisher ein verlässlicher Partner bei der Lösung der anstehenden Aufgaben sein werden. Ich wünsche Ihnen und uns die nötige Kraft, den Optimismus und das nötige Glück für das vor uns liegende Jahr. Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen und Ihre Aufmerksamkeit.

veröffentlicht am 17.01.2006 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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