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Thüringer Staatspreis für Ingenieurleistungen 2017 mit Sonderpreis Holzbau

Fußgänger- und Radwegbrücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau-Wernsdorf (Sachsen) von SETZPFANDT Beratende Ingenieure erhält ersten Preis

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1. Preisträger: Fußgänger- und Radwegbrücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau-Wernsdorf, Sachsen, Bild: Michael Setzpfandt

Am 16. November wurden im Bürgerhaus Nordhausen die besten Ingenieurleistungen mit dem Thüringer Staatspreis prämiert. Der Thüringer Staatsekretär für Infrastruktur und Landwirtschaft Dr. Klaus Sühl sowie der Präsident der Ingenieurkammer Thüringen Elmar Dräger überreichten die Auszeichnungen. Den ersten Preis erhielten „SETZPFANDT Beratende Ingenieure“ aus Weimar für ihre Fußgänger- und Radwegbrücke über die Zwickauer Mulde.

Prämierung

1. Preisträger (10.000 €)
Fußgänger- und Radwegbrücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau-Wernsdorf, Sachsen
Konstruktion und Bau eines Brückentragwerks

  • Bauherr: Große Kreisstadt Glauchau
  • Planung: SETZPFANDT Beratende Ingenieure, Weimar

2. Preisträger (3.000 €)
Bürgerhaus mit Stadtbibliothek und Ratssaal in Nordhausen
Konstruktiver Aufbau und Tragwerk

  • Bauherr: Stadt Nordhausen
  • Planung: Ingenieurbüro Dr. Krämer GmbH, Weimar

Hinweis: Schettler & Wittenberg Architekten, Weimar (Entwurf, Planung), Schettler Architekten, Weimar (Realisierung), sowie Stock + Partner Freie Landschaftsarchitekten, Jena, wurden mit dem Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau 2016 ausgezeichnet.

3. Preisträger (2.000 €)
Busumsteigepunkt „Erfurter Kreuz“ in Arnstadt
Konstruktion und Bau eines Dachtragwerkes, Freibereichsgestaltung, Lichtplanung

  • Bauherr: Stadt Arnstadt
  • Planung: IGS Ingenieure GmbH & Co. KG, Weimar / freiraumpioniere landschaftsarchitekten gbr, Weimar / mbp – lichtplanende ingenieure, Weimar

Sonderpreis Holzbau (5.000 €)
Mehrstöckiges Mehrfamilienhaus in Holzbauweise Wilhelm-Külz-Straße, Weimar

  • Bauherr: UTB Projektmanagement GmbH, Berlin
  • Planung: KOOP Architekten & Ingenieure, Weimar / SGHG Planungs- & Prüfgesellschaft Bautechnik mbH, Jena

Beurteilungen der Jury

1. Preisträger
Diese ca. 100 Meter lange und drei Meter breite Fußgänger- und Radwegbrücke ist ein exzellentes Beispiel für die Einheit von Konstruktion, Funktion und Form. Die Konstruktion der Brücke besteht aus einem Spannband, das sich zwischen den tragenden Pfeilern – der Natur des Seils entsprechend – über den Fluss schwingt. Charakteristisch für die Ansicht einer Spannbandbrücke ist eben ein „leichter Durchhang in der Feldmitte, der sich aus der Kettenlinie unter Eigenlasten ergibt“. Diese Konstruktion hat zahlreiche Vorzüge. Zunächst werden Tragseile gespannt, an die Betonfertigteile gehängt werden, welche dann mit Ortbeton versehen werden und Spannglieder aufnehmen, welche anschließend endgültig vorgespannt werden. Die Spannglieder sind im Fels verankert, die Anker bleiben zur Kontrolle zugänglich. So entsteht eine sehr schlanke und materialsparende Konstruktion. Der Wirkmechanismus des Tragwerks ist in der Form unmittelbar ablesbar, ein Gerüst ist nicht erforderlich. Der Konstruktionsgedanke also ist hochgradig material- und energiesparend. Die Qualität der Brücke aber reicht darüber weit hinaus. Als Fußgänger- und Radfahrerbrücke ist das Schwingen der Bahn ein funktional schönes Element, quasi die Fortsetzung der Bewegung in der Landschaft. Zudem ermöglicht das maximale Steigungsmaß von sechs Prozent des Gehweges, das barrierefreie Begehen und Berollen. Und natürlich ist die Brücke ein ästhetisch herausragendes Beispiel. Ihre selbstverständliche, quasi organische Figur ist der klarste Ausdruck des Konstruktionsgedankens und nimmt das Bild der Landschaft auf sehr schöne Weise in sich auf. Die Form der Unterbauten, welche mit Vouten zur Spannbahn übergehen, unterstützt den eleganten Charakter der gesamten Konstruktion. Die Lösung ist ebenso kreativ wie originell und hat damit das Potential für eine echte „Landmark“.

2. Preisträger:
Der Neubau des Bürgerhauses mit Stadtbibliothek und Rathaussaal ist neben dem architektonischen Lückenschluss zwischen der Wohnbebauung am Kornmarkt und dem Alten Rathaus eine ingenieurtechnisch anspruchsvolle Aufgabe hinsichtlich Statik und Tragwerksplanung. Die Lasten aus der Konstruktion werden einerseits über eine kombinierte Pfahl-Platten-Gründung bauwerksverträglich in den Untergrund geleitet, andererseits liegt eine Längsseite des Stahlbeton-Körpers auf dem bestehenden Parkdeck der Wohnbebauung. Diese Konstruktion muss nicht nur die Lasten aus dem Neubau, sondern auch mögliche Verdrehungen aus vertikalen sowie horizontalen Verschiebungen aufnehmen. Daher war als Bindeglied zwischen Neubau und Bestand der Einbau eines speziell für diese Konstruktion entwickelten Flächenloch-Gleitlagers erforderlich. Über dieses Lager werden unterschiedliche Setzungen ausgeglichen und Setzungsdifferenzen kompensiert. Die Dachkonstruktion des im Obergeschoss angeordneten Rathaussaals wurde aus Brettschichtholz-Trägern geplant, die eine relativ schlanke Geometrie erlauben und gleichzeitig keine zusätzlichen Stützen benötigen. Die Dachlasten werden in die Stahlbetonwände übertragen und abgeleitet. Durch die optimale Verknüpfung der Bauingenieurdisziplinen Statik und Tragwerksplanung ist es gelungen, neue ingenieurtechnische Lösungsansätze im Zusammenhang mit der Verwendung modifizierter Konstruktionen, wie zum Beispiel dem stahlbewehrten Flächenloch-Gleitlager als Verbindungselement zur bestehenden Tiefgarage zu berechnen, zu planen und zu bauen.

3. Preisträger
Der Beitrag „Busumsteigepunkt Erfurter Kreuz in der Alfred-Ley-Straße in Arnstadt“ stellt für den öffentlichen Nahverkehr in der Region eine optische wie auch funktionale Bereicherung dar. Die überdachte Fläche von 448 m2 schützt die Wartebereiche weitgehend gegen Regen, Wind und Schnee und beherbergt eine barrierefreie WC-Anlage. Um unangenehme Auswirkungen des meist von Westen einstreichenden Windes von vornherein zu reduzieren, wurden die baumbestandenen Grünflächen um den Haltepunkt in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten so konzipiert, dass der Wind verlangsamt wird. Außerdem steht das Dach vorteilhafterweise seitlich über die Bussteigfläche um einen Meter über, so dass auch der Ein- / Ausstiegsbereich der Busse vollständig überdeckt wird. Die Konstruktion des Daches besteht aus einer räumlichen Stahlrohrkonstruktion in Verbindung mit einer darüber gespannten, transluzenten Membran. Dabei sind der Randträger im Grundriss und die Obergurte der dazu quer angeordneten Träger, auf denen die textile Dachhaut aufliegt, im Aufriss gekrümmt. Durch diese Formgebung ist es möglich, die Membran vorzuspannen, dadurch unter anderem Flattern zu verhindern und die Beanspruchungen der Stahlteile zu minimieren. Die Abtragung der vertikalen Lasten erfolgt über schlanke Stahlrohre, die durch unterschiedliche Schiefstellungen und biegesteife Verbindungen mit der restlichen Konstruktion außerdem in der Lage sind, horizontale Kräfte sicher und effizient abzutragen. Dadurch entsteht insgesamt eine attraktive Erscheinung, die im Kontext der Umgebung durch Form und Materialwahl Alleinstellungsmerkmale aufweist. Diese kommen insbesondere in den Abend- und Nachtstunden zur Geltung, wenn die von den Lichtplanern entwickelte wirkungsvolle Beleuchtung aktiv ist. Diese trägt außerdem zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und des Sicherheitsgefühls der Nutzer bei. Deren Helligkeit wird im Übrigen aus Energieersparnisgründen sinnvollerweise in den Nachtstunden abgesenkt. Abschließend kann noch positiv erwähnt werden, dass das gesamte Vorhaben innerhalb der dafür vorgesehenen Jahresfrist realisiert werden konnte und der zur Verfügung stehende Kostenrahmen nicht voll ausgeschöpft wurde. Dies spricht für einen gelungenen Entwurf, eine professionelle Detailplanung durch die drei beteiligen Weimarer Büros IGS, freiraumpioniere, mbp und eine gut abgestimmte Zusammenarbeit untereinander und mit dem Bauherrn, der Stadt Arnstadt.

Sonderpreis:
Der traditionelle Holzbau wird seit etwa dreißig Jahren durch vielfältige Innovationen und technologische Weiterentwicklungen bereichert. Dies ist besonders an dem viergeschossigen Holzbau erkennbar, der seine Höhe nur durch die konstruktive Kombination von Holzrahmenbau mit Brettsperrholzelementen erreichen konnte. Das Treppenhaus aus Stahlbeton wurde vom Holzbau völlig entkoppelt, lediglich die Wandscheiben aus Brettsperrholz geben dem gesamten Bauwerk die notwendige Festigkeit. Nicht nur alle tragenden und aussteifenden Teile sind aus Holz, auch die eingebrachte Dämmung besteht folglich aus ökologischer Holzfaserdämmung. Nachhaltigkeit und Ökologie werden bei diesem Baukörper konsequent umgesetzt. Durch die außenliegende Putzfassade fügt sich der kubische Neubau, aufgelöst durch auskragende Vorsprünge, harmonisch in die Gemengelage ein. Eine Pelletheizung rundet den nachhaltigen Grundgedanken ab. Dieser mehrgeschossige Holzbau dokumentiert somit den gelungenen Beitrag zum verdichteten Bauen im städtischen Bereich mit nachwachsenden Rohstoffen, der folglich seinen Ausdruck in dieser Prämierung findet.

Die prämierten Arbeiten wurden erstmals öffentlich zur Preisverleihung am 16. November in einer Ausstellung präsentiert und werden noch bis 30. November im Bürgerhaus Nordhausen zu sehen sein. Danach macht die Wanderausstellung im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (Dezember 2017) sowie in der Ingenieurkammer Thüringen (Januar 2018) Station.

Mit dem Bürgerhaus Nordhausen wurde für die Preisverleihung ein Veranstaltungsort gewählt, der im vergangenen Jahr bereit  mit dem Staatspreis für Architektur und Städtebau und in diesem Jahr mit dem Staatspreis für Ingenieurleistungen (2. Preis) ausgezeichnet wurde.

Die Jury

Die Jury unter Vorsitz von Prof. Jürgen Ruth war interdisziplinär besetzt und damit sowohl für Ingenieursleistungen als auch für Verwendungen im Holzbau gewappnet: Mario Lerch, Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft Elmar Dräger, Präsident der Ingenieurkammer Thüringen Prof. Gerd Zimmermann, Präsident der Stiftung Baukultur Thüringen Rechtsanwältin Bettina Haase, Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e. V. Andreas Losekamm, stellvertretender Vorsitzenden im Landesbeirat Holz Thüringen Prof. Jürgen Ruth, Professur Konstruktives Entwerfen und Tragwerkslehre an der Bauhaus-Universität Weimar Prof. Antje Simon, Professur Ingenieurholzbau an der Fachhochschule Erfurt

Hintergrund

Ausgelobt vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft und der Ingenieurkammer Thüringen, würdigt der Preis bereits zum fünften Mal herausragende Leistungen der Ingenieurbaukunst. Ziel des Preises ist es, die Faszination für Technik im Land zu wecken und den bedeutenden Anteil der Ingenieurinnen und Ingenieure an der baukulturellen Entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen. Über die Vergabe des mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Preises entschied eine interdisziplinär besetzte Jury, die drei Preise und einen Sonderpreis aussprach. Der Juryvorsitzende Prof. Jürgen Ruth von der Bauhaus-Universität Weimar würdigte die Varianz der Arbeiten, die vom Einfamilienhaus bis zur Großbrücke reichte. Bei der Beurteilung und Prämierung von insgesamt 13 eingereichten Arbeiten war entscheidend, wie sehr in den Projekten Konstruktion, Technik und Gestaltung ineinanderflossen und ob daraus ein schlüssiges und funktionierendes Werk entstand. In der Ausschreibung wurden Bauherren und Auftraggeber bewusst angesprochen und damit die Idee unterstrichen, dass der Preis auch für gute Akteurskonstellationen steht. Erstmals wurde 2017 das Thema Holzbau als Sonderpreis in den Staatspreis integriert und erfuhr damit eine Aufwertung. Der Sonderpreis wird künftig zum festen Bestandteil der Thüringer Staatspreise.

Zum Preis erscheint eine Broschüre, die über die Pressestelle des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft bezogen werden kann. Kontakt: presse@tmil.thueringen.de

Weitere Informationen und PDF-Datei der Broschüre:
www.baukultur-thueringen.de
www.tmil.info

veröffentlicht am 20.11.2017 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Verfahren / Auszeichnungen / Preise: Ergebnisse

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