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Über die Stellschrauben für das „Bauen mit Qualität“

Nachlese zum ersten Thüringer Bautag am 24. Mai auf der Messe in Erfurt

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Thüringer Bautag, Bild: Frank Steinhorst

„Wenn Sie große Entscheidungen treffen und wollen, dass es gut wird, dann sorgen Sie dafür, dass Sie nicht nur speichelleckende Ja-Sager um sich haben.“ Mit diesen Worten eröffnete Kabarettist Florian Schroeder den Thüringer Bautag 2016, zu dem die Architektenkammer Thüringen gemeinsam mit der Ingenieurkammer Thüringen, dem Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e. V., dem Verband baugewerblicher Unternehmer Thüringen e. V. und dem Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen e. V. eingeladen hatte.

Mit leichtem Augenzwinkern setzte der Kabarettist fort: „Der gute Entscheider zeichnet sich dadurch aus, dass er den Zweifel zulässt, dass er Leute zulässt, die widersprechen. Wenn Menschen endlich dafür sorgen würden, dass Widerspruch organisiert wird, dann könnten schon viele Flughäfen, Elbphilharmonien und unterirdische Bahnhöfe eröffnet sein, und zwar deshalb, weil so realistischere Pläne herauskommen.“

Der Fragestellung, welche Voraussetzungen zu schaffen sind, damit qualitätsvolles und innovatives Planen und Bauen zu einer Marke des Landes Thüringen werden kann, näherten sich auf dem Bautag aus unterschiedlichen Perspektiven neben Kabarettist Florian Schroeder der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen Bodo Ramelow sowie Prof. Hans Lechner von der TU Graz und Inhaber eines Projektmanagementbüros mit Spezialisierung auf komplexe Großbauvorhaben.

Der Ministerpräsident begrüßte es zunächst ausdrücklich, dass sich die Verbände zusammengetan haben, um gemeinsam darüber zu beraten, was die wesentlichen Merkmale für gutes Planen und Bauen in Thüringen sind. Dann konstatierte er: „Billig ist nicht gleich best.“ Es lohne sich, darüber nachzudenken, was es heißt, Investitionen auf hundert Jahre zu rechnen. Das Problem sei, so Ramelow, dass bei manch einer Investitionsentscheidung sehr kurzfristig über Rendite geredet werde. „Und wenn es nach der Rentierlichkeit geht, werden Standards im Zweifelsfall auch immer wieder abgesenkt.“

Mit Blick auf das Ungleichgewicht von Stadt und Land und dem Bevölkerungsrückgang im Land führte der Ministerpräsident aus: „Wenn wir den ländlichen Raum umgestalten wollen, brauchen wir Initiativen von Ihnen und planvolle Angebote, mit denen Gemeindevertreter auch umgehen können.“ Das Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 benannte Ramelow als gute Gelegenheit, um zwingend notwendige Impulse zu setzen. „Ich würde gerne Steuergeld einsetzen, damit barrierefrei, rationeller und vielleicht auch preiswerter gebaut wird.“ Er schloss: „Bauen ist die Gestaltung unserer Gegenwart, gutes Bauen sind die Impulse für die Zukunft. Dafür viel Erfolg.“

Prof. Hans Lechner referierte anschließend „über den Zusammenhang von Qualität, Vergabeart und Vergütung – das Geschäftsmodell für Planung, Objektüberwachung und Bau“. Dabei plädierte er für einen Leistungswettbewerb in Abgrenzung zum Preiswettbewerb und betrachtete somit aus Perspektive eines Planers und Projektmanagers die Qualitätsparameter, die für die am Bau Beteiligten die beste Gewähr für ein gutes Ergebnis darstellen. Sein Vortrag unterstrich eindrucksvoll, dass die Komplexität des Planens und Bauens sich nicht im Preiswettbewerb erschöpft. Es verwundere nicht, so Lechner, wenn Honorarordnungen als „wettbewerbsfeindlich“ gesehen werden, so lange kein Unterschied gemacht werde zwischen dem Preiswettbewerb für exakt beschriebene Produkte und Leistungen und dem Leistungswettbewerb für künftige Lösungen, die mit Planung und Bauleitung erst erarbeitet werden müssen. Für nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen sei aber der Leistungs- und somit Qualitätswettbewerb und das Verhandlungsverfahren das gebotene Vergabeverfahren. „Die neutralisierte Preisfindung über Honorarzone und Tabellenwerte ist dabei die ‚natürliche‘ Konsequenz“.

Aus Lechners Sicht ist Sparen heute mit wenigen Ausnahmebereichen zu einem Reflex geworden. Er gab zu bedenken: „30 Prozent Einsparung am Architektenhonorar reduziert die Gesamtkosten um ein bis zwei Prozent, bewirkt aber zum Beispiel fünf bis zehn Prozent Nachträge zu den Gesamtkosten, weil die Kraft und die Ressourcen zur Planung fehlen.“ Provokant fragte er: „Rechnet sich so eine Entscheidung wirklich?“ Lechners Vorschlag: „Es ist nicht nur das gegenseitige Verständnis zu fördern, vielmehr ist die Bestellerkompetenz wieder aufzubauen und zu stärken.“ Ganz konkret empfahl er, einen neuen Baurat im zuständigen Ministerium zu errichten.

Staatssekretär Dr. Klaus Sühl knüpfte im Podiumsgespräch daran an, als er zugestand: „Im Freistaat ist die Bauverwaltung in der Tat zu sehr ausgedünnt.“ In der öffentlichen Verwaltung fehle die Bestellerkompetenz. Er konstatierte: „Das ist eine besorgniserregende Erscheinung und wir müssen hier dramatisch zurückrudern.“

Der Präsident der Architektenkammer Thüringen Dr. Hans-Gerd Schmidt unterstrich die Notwendigkeit des gemeinsamen Vorgehens aller Akteure: „Wir sollten uns gemeinsam darauf konzentrieren, überzeugende Angebote für ein nachhaltiges und qualitätsvolles Bauen anzubieten. Dies setzt eine kritische Eigensicht aller Akteure voraus, sowohl auf landes- als auch auf bundespolitischer Ebene.“ Die globale Sicht auf ein politisch und wirtschaftlich starkes Europa erfordere zuweilen sachlich-konstruktive und aufwändige Diskurse zu divergierenden Wertvorstellungen. Dabei sollte aus deutscher Sicht Bewährtes angemessen berücksichtigt und nicht übergeordneten politischen Zielen unkritisch unterworfen werden. „Insofern freut uns die klare Haltung der Bundesregierung und europäischer Kollegen, sich für den Erhalt der HOAI einzusetzen“, so Dr. Schmidt.

Zum Bautag wurde das gemeinsam von Architekten, Ingenieuren, Bauwirtschaft, Hochschulen und weiteren öffentlichen Einrichtungen herausgegebene Leitbild „Bauen mit Qualität in Thüringen“ vorgestellt. Mit dem Leitbild werden notwendige Rahmenbedingungen, um die Baukultur und Bauqualität in Thüringen zu bewahren und zu fördern, skizziert und Voraussetzungen für ein offenes und gemeinsames Vorgehen aller Akteure – von Bauherren, Architekten und Ingenieuren, von Bauunternehmen und Beschäftigten und auch von Bauverwaltungen und Politik – beschrieben. Eine wesentliche Botschaft: Nur mit klaren Zielvorgaben und angemessenen Planungsvorläufen kann wirtschaftlich mit dem Budget umgegangen und die beste Qualität für das vorhandene Budget erzielt werden.

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WEITERE IMPRESSIONEN:
https://architekten-thueringen.de/bautag/2016/

veröffentlicht am 14.06.2016 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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