Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

„Ein Problem ist, dass die Leute denken, Architektenhäuser seien zu teuer.“

Der tag der architektouren 2012 ist Geschichte. In der Woche vor dem architektouren-Wochenende führten wir ein Gespräch mit Dr. Martin Ritter, Bauherr eines Einfamilienhauses in Walschleben (ADOBE Architekten + Ingenieure GmbH, Erfurt), das am Samstag, den 23. Juni, zwischen 13 und 16 Uhr für Besucher offen stand.

Herr Dr. Ritter, Sie nehmen mit Ihrem neuen Einfamilienhaus am tag der architektouren 2012 teil. Warum?
Das Architekturbüro hat bei uns angefragt, ob eine Teilnahme denkbar sei. Zunächst freuten wir uns über das Interesse, waren uns aber gleichzeitig darüber im Klaren, dass eine Berichterstattung in den Medien damit einhergehen kann und wir uns gegenüber der Öffentlichkeit präsentieren. Wir mussten zwei Seiten abwägen: Zum einen wollten wir die Architekten gerne unterstützen, zum anderen unsere Privatsphäre schützen und nicht auf dem Serviertablett präsentiert werden. Am Ende stand jedoch der Gedanke einer Win-Win-Situation: Wir hatten zuvor vom tag der architektouren und jenen Bauherren, die ihre Bauten gezeigt haben, profitiert. Da ist es nur fair, wenn wir unser Haus auch öffnen.

Sie waren also schon zu Gast bei einem tag der architektouren?
Ja, in den Jahren 2010 und 2011. Das erste Mal war in der Planungsphase unseres Bauvorhabens. Wir überlegten uns, wie wir bauen wollen. Da haben meine Frau und ich so viele Häuser wie nur möglich besichtigt, um Ideen zu sammeln. Der tag der architektouren dient ja dazu, die ganze Bandbreite von Architektenleistungen aufzuzeigen. Das mitzubekommen, ist äußerst spannend. Man erfährt auch, was für ein Prozess es ist, mit einem Architekten zusammenzuarbeiten. Dass dies eine sehr intensive Partnerschaft auf Zeit bedeutet. Die Architekten präsentieren sich auch als Menschen und man merkt recht schnell, ob man zusammenpasst oder nicht. Allerdings ist es aufgrund des hohen Besucherzuspruchs bei Wohnhäusern oft schwierig, vertieft in ein Gespräch einzusteigen.

Wie kam es zum Kontakt mit dem Architekturbüro?
Wir haben das Büro ADOBE wenn ich mich recht entsinne im Frühjahr 2009 kennengelernt beim „Forum Bauen“ der LEG Thüringen in Erfurt. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, ob wir neu bauen oder sanieren werden. Herr Langer von ADOBE hat uns gegenüber seine Philosophie des energieeffizienten Bauens vorgelebt, was uns beeindruckte. Wir haben die Visitenkarte mitgenommen, sind dann aber auf eine Deutschlandtour und haben jede Menge „Hausbauparks“ abgefahren, sogar ein Biosolarhaus angeschaut. Wir dachten damals, ein Architektenhaus sei nicht bezahlbar. Als wir zurück waren, hat Steffen Langer mit uns einen Vorvertrag über eine erste Kostenkalkulation geschlossen. Diese Kostenkalkulation war nahezu identisch mit der eines guten Hauses „von der Stange“. Nur mit dem Unterschied, dass der Fertighausbauer ein KfW-Effizienzhaus 55 angeboten hat, der Architekt aber ein Passivhaus. Dann sind wir zum Architektenvertrag gekommen.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Architekten?
Als positiv habe ich empfunden, dass es sich bei ADOBE um ein eher kleines Büro handelt. Alle waren Ansprechpartner und es gab eine klare Aufgabenteilung: Herr Langer der Verkäufer und verantwortlich für die Bauüberwachung, Herr Schodlok der Architekt und Gestalter. Positiv war aber auch, dass die Architekten vor Ort waren. Ich kann jedem Bauherrn nur empfehlen, einen Planer in der Nähe zu wählen. So kann man sich jederzeit kurzfristig treffen und Dinge klären. Und: Je weiter die Architekten weg sind, desto schlechter ist die Bauüberwachung. Die Zusammenarbeit war immer fair. Wie bei jedem Bau gibt es Höhen und Tiefen. Ein Beispiel: Es gab eine Kluft von der ersten Kostenkalkulation zu den wirklichen Summen in der Ausschreibung. Aber das hatte gute Gründe – die Baupreise sind in dem  Moment wirklich ein Stück weit nach oben gegangen, weil billiges Baugeld zur Verfügung stand. Mittlerweile werden höhere Summen aufgerufen. Wir konnten dies abfangen, indem wir die Ausschreibung in eine zweite Runde gegeben und breiter gestreut hatten. Das hat sich tatsächlich gelohnt.

Welche Hürden haben die Architekten für Sie genommen?
Zum einen will ich die Hürden in der Gestaltung nennen. Wir haben den Architekten aus unserer Sicht gelungene Beispiele aus einer Häuser-Zeitschrift gezeigt. Herr Schodlok hat die Grundcharakteristik erkannt und weiterentwickelt. Das ist eine Leistung, die Intention des Bauherrn zu verstehen, um diese dann neu zu interpretieren. Auch die Ideen zur Raumaufteilung waren toll. Im Ergebnis ist der Lebenswert unseres Hauses sehr hoch. Das Haus gefällt uns sehr und wir würden genau so wieder bauen. Zum anderen sind die Verhandlungsleistungen mit den Handwerkern herauszuheben. Auch das ist nicht einfach, der Architekt muss hier sehr diplomatisch vorgehen. Denn er ist auf die Firmen angewiesen, trotzdem hat er die Interessen des Bauherrn zu vertreten. Dass der Planer die Balance gefunden hat und dennoch im rechten Moment mit Nachdruck für den Bauherrn eingetreten ist, war beeindruckend.

Gab es Momente, in denen Sie die Architekten überrascht haben?
Mich hat überrascht, wie sehr das Büro seine Philosophie lebt und vertritt und wie sehr die Architekten ein Lebensgefühl vermitteln, mit dem, was sie planen und bauen. Nachhaltiges Bauen, ökologische Materialien, lokale Produkte und ein bestimmter Entwurfsstil – das alles kennzeichnet das Büro.

Was haben Sie aus dem Planungs- und Bauprozess gelernt?
Erstens: Alle am Bau Beteiligten müssen in der Nähe sein. Manchmal ist es auch gut, wenn sich Architekten und Handwerker nicht zu gut kennen; sonst hat man als Bauherr nicht das Gefühl, dass man vom Architekten vertreten wird. Zweitens: Verträge mit den am Bau beteiligten Unternehmen und Handwerkern sollte man immer vor Ort unterschreiben, um den Menschen, der dahintersteckt, kennenzulernen. Drittens: Es ist unabdingbar, Zeit mitzubringen. Und zu guter Letzt: Während des Projekts wächst man als Bauherr mit und trifft andere Entscheidungen, als man sie zu Planungsbeginn getroffen hätte.

Erzählen Sie von dem Haus selbst. Zuforderst fällt die Fassade auf…
Auch das rührt aus einer Zeitschrift. Wir hatten ein blaues Haus mit Zementfasserplatten als Vorlage. Die Strukturiertheit der Fassade und die unterschiedlichen Platten haben uns gefallen. Matthias Schodlok schlug dann eine Putzfassade mit Bossen vor, was nicht nur schöner aussah, sondern auch günstiger war. Bei der Farbgestaltung schlug Tom Nabrotzky statt des Blaus sechs Grüntöne vor. Damit sind wir sehr glücklich.

Was waren Ihre Vorstellungen beim Raumprogramm?
Wir wollten einerseits eine offene Küche haben, andererseits sollte sie aber auch ein Stück weit geschlossen sein. Die Planer haben hier eine gute Lösung hinbekommen. So wird die Küche von einem Mittelblock aus Treppe, Kamin und Regal vom Wohnzimmer teilweise getrennt. Trotzdem kann so alles gut eingesehen werden und dieser mittlere zentrale Block ist gleich zum Familienmittelpunkt geworden.

Sie wohnen jetzt in Walschleben, einem Ort mit weniger als 2000 Einwohnern. Stand das Wohnen in der Stadt je zur Debatte?
Meiner Frau war ein Garten wichtig, d. h. das Grundstück sollte nicht weniger als 1000 Quadratmeter haben. Dann sollte das Haus natürlich bezahlbar sein, womit die Erfurter Innenstadt entfiel. Auch wollten wir nicht in einer künstlich geschaffenen Satelliten- oder Trabantenstadt leben. Ganz wichtig: Es musste eine Infrastruktur für eine Familie vorhanden sein, also Kindergarten, Schule, öffentliche Verkehrsmittel usw.

Worüber haben Sie sich vor dem Einzug am meisten gefreut?
Auf das Eigene und darauf, die Früchte der Arbeit zu ernten.

Seit wann wohnen Sie hier und wie sind Ihre Erfahrungen mit der Nachbarschaft?
Wir wohnen jetzt ziemlich genau ein Jahr in Walschleben. Das Feedback der Nachbarn ist durchweg positiv: Unser Haus sei mal etwas anderes und verbreite Frisches; es wird dennoch nicht als störend empfunden, füge sich vielmehr gut in die gewachsenen Strukturen ein.

Wie erleben Sie den Wohnkomfort im Passivhaus?
Sehr angenehm. Im Winter sind die Fenster zu und in allen Räumen ist es etwa gleich warm, so um die 23 Grad Celsius. Das Bedürfnis, zusätzlich zur Lüftungsanlage zu lüften, hatte ich bislang nicht. Im Sommer ist die Lüftungsanlage aus und alles ist wie immer. Ein Tipp: Man sollte nie kurz vor dem Winter in ein Passivhaus einziehen, sondern vor der warmen Jahreszeit. Dann kann die Technik in einer Probephase besser auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden.

Eine letzte Frage: Sie haben gesagt, dass die Kosten für Ihr Architektenhaus identisch mit den zu erwartenden eines Fertighausanbieters wären. Mittel- und langfristig müssten Sie nun doch sogar besser wegkommen – schließlich sparen Sie an Heizkosten?
Ja, das stimmt. Die Kosten für das Architektenhaus sind auf Dauer tatsächlich günstiger. Das Hauptproblem in der Kommunikation nach außen ist wohl, dass die Leute denken, Architektenhäuser seien zu teuer.

Das Interview führte Björn Radermacher.

veröffentlicht am 27.06.2012 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Tag der Architektur

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken