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Projektbeschreibung

Preisträger Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Kirchenburg Walldorf (Wiederaufbau/Innenraum)

Preisträger Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022: Kirchenburg Walldorf (Wiederaufbau/Innenraum)

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 Kirchenburg Walldorf/Werra
Wiederaufbau unter Neugestaltung des Innenraums
... sanfte Annäherung an einen neuen, doch vertrauten Kirchenraum ...

Ein Brand hat 2012 die Kirche bis auf ihre Außenmauern total zerstört.
Rasch wurde der Entschluss zum Wiederaufbau des Gotteshauses in der Kirchenburg auf dem Bergsporn in Walldorf gefasst, um dem Verlust zu begegnen und den Ort lebendigen Kirchenlebens zu gewähren und auszubauen.
In diesem Verständnis haben Kirchgemeinde, Landeskirche, die Gemeinde Walldorf und der neu gegründete Förderverein Initiative ergriffen bzw. Unterstützung geboten, traditionell und glaubensbezogen Raum zu wahren und darüber hinaus verbindende Veranstaltungen (weltlich wie kirchlich) zu pflegen. Bemerkenswert ist unter Wahrung der Bestandserhaltung das Spektrum vielfältiger Nutzungen der gesamten Kirchenburg als Biotopkirche, Kinderkirchenburg, Radwegekirche, Veranstaltungsort und Ausdruck des Glaubensbekenntnisses.

Neben der Entscheidung des rekonstruierenden Wiederaufbaus wurde der Entschluss einer neuen Innenraumgestaltung gefaßt.
„Mit dem Ziel, der Gemeinde ihr identitätsstiftendes Bauwerk zurückzugeben“ (Zitat Auslobung Wettbewerb Innenraumgestaltung), wurde ein zeitumfassender prozesshafter Weg - von 2013 bis zur Fertigstellung in 2019 - beschritten, der als Entwurfsprämisse das Verlorene als Chance begreift und das Verlustempfinden durch das Verlorene lindert.
Das Verlorene als Chance bedeutet Freiheit im Umgang mit dem ungekannten leeren Raum, teils ungeahnten Wandöffnungen, Freiheit den sprichwörtlichen Freiraum auszuloten und zukunftsfähig, schön und auch in diesem Sinne nachhaltig zu gestalten.
Dem Verlust durch das Verlorene hingegen sollte wahrhaft begegnet werden, in dem nicht eine 1:1 Rekonstruktion das unwiederbringlich Zerstörte täuschend vernebelt, sondern ein assoziativer Raum geschaffen wird, der erinnert, interpretiert, auch wiederbelebt und Vertrautes erkennbar macht in Wirkung und Raumprägung - sozusagen eine Ähnlichkeitsbeziehung herstellt.
Zwischen beiden Polen wurde der Möglichkeitsraum für die passende Gestalt des schönen neuen vertrauten Kirchenraumes ausgelotet. Ein Leitgedanke dazu war die Spurensuche und deren Übersetzung in das Neue.
Bestimmende Ausgangselemente waren das gewohnte Raumgefüge mit Chor und Schiff, neu dagegen der leere Raum ohne Emporen, ohne Decke, ohne Orgel und sonstige Ausstattungselemente, aber mit vielfältigen teils wiederentdeckten Fensteröffnungen und dem großzügigen Bogenportal zum Raum im Turmschaft. Diese Elemente stellten einen starken Ausgangspunkt der Raumwirkung durch Formen, Rhythmus und Anordnung dar. Sie sind vielfältig und eher kompositorisch als ordnend.
In dieser Akzeptanz erhielt der Innenraum den fehlenden oberen Raumabschluss mit einer neuen, leicht kielförmigen Holzdecke sowie einen vereinigenden Farb- und Materialkanon
- für eine Wirksamkeit und Strahlkraft der raumbestimmenden Komponenten
- als „Bühne“ für Raumszenarien differenzierter religiöser Nutzungen (Gottesdienst, Taufe etc.) und liturgisch weniger strenger Nutzungen (Kinderkirchenburg, Konzerte u.ä.)
- als Basis für Ausstattung, Einrichtung und Kunst
Das Zusammenspiel der Farben und Materialien für Boden, Wand und Decke aus Eschenholz, Muschelkalk und Kalkputz (neben den konserviertem sichtbaren historischen Bestandsputz) unterstützt in seiner Helligkeit und Natürlichkeit die sakrale Raumwirkung im Gleichnis zum Licht und zur Reinheit (Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis [1. Johannes 1,5]) und unterstützt gleichermaßen in seiner Schlichtheit die Reduktion der alltäglichen Reizflut.
> Die neue Zweiseitigkeit der Kirche mit Altarraum und Taufkapelle ist eine neue Raumqualität. Die Eigenheiten der Raumspezifika
- Altarraum = viele Fenster, lichtdurchflutet, „erleuchtet“,
- Taufkapelle = räumlich beschirmend, bergend, behütend, konzentriert, akzentuiert mit einem prägnanten Fenster
eröffnen eine bipolare Ausgestaltung zwischen irisierender und gedämpfter Wirkung (hell zu dunkel, Lichtszenarien, Fenstermotive)
> Resultierend findet die Bestuhlung aus eigenen Kurzbänken flexible Zuordnung zu den Ereignissen
- maximale Bestuhlung in Ausrichtung zum Chor
Bestuhlung der Taufkapelle
- Taufbecken und variable Möblierung für große Tauffeste, Gruppennutzungen etc.
- freier Raum für Kinderkirchenburg, Stehveranstaltungen o.ä.
> Im Vordergund stehen die Fenster, die in ihrem Formenreichtum und ihrer unregelmäßigen Anordnung raumprägend sind. Künstler Julian Plodek (Leipzig) transformiert in der Neugestaltung das ganze Universum zwischen weltlichen und kirchlichen Bezügen sowie zwischen abstrakter und bildhafter Darstellung, eingebettet in die Naturdarstellung: im Norden als grafische, im Süden als malerische und zudem inhaltlich motivische Prägung. Schmale Stahlrahmenfenster mit Thermoverglasungen wurden so zu transluzenten „Leinwänden“. Die minimiert neuartige Fensterkonstruktion schafft in Verbindung mit der Glasgestaltung und partiell ausgewählt eingesetzten Fensterteilungen den Brückenschlag zwischen der neuen Innenraumgestaltung zum rekonstruierten äußeren Erscheinungsbild.
> Prinzipalien wie Altar und Altarfigur werden unter dem Motiv „Kommt-her-zu-mir-alle“ unter Einbeziehung des ausbewahrten Brandholzes gestaltet.
> Unbedingte Ausstattungskomponenten wie Kanzel (Neuinterpretation der Vorgängerkubatur am vormaligen Standort), Epitaphien (Restauration), Wappen fanden ihren Platz.
> Der zweimanualige Orgelneubau wurde im Optimum zwischen akustischer und räumlicher Einordnung als besonderes raumgreifendes Objekt im Südwestwinkel spannungsvoll platziert.
> Der neue Fussboden spiegelt in seiner Oberfläche am direktesten das Konzept der Spurensuche wieder. Die Plattenverlegung aus Muschelkalk auf einem Heizlehmboden erfolgt in einer Art Mosaik, das die archäologischen Erkenntnisse über Jahrhunderte einbezieht.
> Licht und Beleuchtung runden mit Hängeleuchten im Kirchenschiff und indirektem Licht für die Fenster sowie Kapelle und Altarraum die Raumatmosphäre ab.
Der Raum als vereinigendes Gefüge aus Wänden, Decke und Boden ist in diesem Sinne Gedächtnis und Erinnerung. Er ist fein, feierlich, sakral und gleichermaßen robust und funktional (Projektionstechnik und mediale Versorgung sind ebenso integriert).
Nach wie vor aber soll der Raum Rahmen für das Wesentliche sein: die Gemeinde als Glaubensgemeinschaft zu Gott.

Projektdaten

Adresse

Pfarrgasse 7
98639 Walldorf

Planungsbüros

Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB, Weimar
Freier Architekt, UNIV, BDA, Dipl.-Ing. Karsten Merkel, Meiningen

Bauherr

Kirchgemeinde Walldorf

Fertigstellung

Juni 2019

Nutzfläche

275 m2

Preise/Auszeichnungen

Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022

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Letzte Aktualisierung dieser Seite am: 01.12.2023. Alle Angaben auf dieser Seite werden durch das Büro Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB, Weimar auf freiwilliger Basis verwaltet. Das Büro ist für den Inhalt dieser Seite selbst verantwortlich. Die Angaben werden von der Architektenkammer Thüringen nicht geprüft.

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