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Architektenwettbewerbe mindern Projektrisiken

Vergabe- und Wettbewerbsausschuss (VWA) der Architektenkammer Thüringen engagiert sich für die Qualifizierung von Wettbewerbsverfahren

AKT-Plakette, Bild: Architektenkammer Thüringen

Architektenwettbewerbe sind untrennbar mit der Baukultur in Architektur und Stadtplanung verbunden. Sie sind außerdem Aushängeschild des Berufsstandes der Architekten und wichtiger Kommunikator des Planungsprozesses in der Öffentlichkeit.

Durch den Architektenwettbewerb erlangt der Auslober zu einem frühen Zeitpunkt Klarheit über die Lösung der Bauaufgabe, da aus einer Vielzahl von alternativen Lösungsvorschlägen durch ein unabhängiges Preisgericht die beste Lösung ermittelt wird.

Vergabeverfahren ohne Lösungsvorschläge führen zwar relativ schnell zu einem Planungspartner, jedoch nicht zu einem Planungsergebnis.

Worin liegt für den Bauherren der Mehrwert eines Wettbewerbsverfahrens im Vergleich zum Vergabeverfahren ohne Lösungsvorschläge?

Beim Wettbewerb muss die Aufgabe frühzeitig gut definiert sein. Möglichst von Beginn an werden die unterschiedlichsten Entscheidungsträger mit eingebunden. Unter Beratung einer unabhängigen Fachjury wird im Konsens die Entscheidung für die am besten geeignetste Lösung herbeigeführt, diese wird öffentlich kommuniziert. Die Verfahrensvorteile für den Projektablauf sind weitaus größer als der Zeit- und Kostenaufwand für den Wettbewerb.

Beim VOF-Verfahren ohne Lösungsansatz erfolgt die intensive Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung erst nach Vergabe der Planungsleistungen. Die Konsequenz: Mögliche Unsicherheiten und Projektrisiken treten nach Auftragsvergabe ans Tageslicht mit ungewissem Ausgang in Bezug auf Zeit und Kosten und ohne echte Lösungsalternativen. Obwohl es sich um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen handelt, wird die Öffentlichkeit in keiner Weise beteiligt. Weitere Risiken können mit der fehlenden Abwägung und der ungenügenden fachlichen Bewertung von alternativen Lösungsvorschlägen verbunden sein und zu einer fehlenden Akzeptanz der Planung führen.

Die Vorzüge von Wettbewerbsverfahren sind im Allgemeinen bekannt, dennoch bevorzugen öffentliche Auftraggeber das Verhandlungsverfahren ohne Lösungsvorschläge. Warum ist das so und warum beobachten wir vor allem auch im Freistaat Thüringen diese Tendenz, dass der Architektenwettbewerb derzeit die Ausnahme bei Vergabeverfahren darstellt?

Vermutlich liegt die Hauptursache im fehlenden Budget für die notwendige Projektvorbereitung. Bei den öffentlichen Bauherrn fehlen die eigenen Kapazitäten, um einen Wettbewerb angemessen und gründlich vorbereiten zu können bzw. auch die Mittel, diese Aufgabe an Externe zu vergeben. Ohne die entsprechende Projektvorbereitung und frühzeitig gut definierte Aufgabe wird der Wettbewerb nicht erfolgreich und die bekannten Vorzüge können nicht für das Projekt genutzt werden. Eine gründlich erarbeitete Auslobung ist Voraussetzung für die Chancengleichheit der Teilnehmer, für einen angemessenen Aufwand zur Lösung der Aufgabe und bestmögliche Beurteilung des Preisgerichts zur Findung der besten Lösung.

Am Beispiel des Anfang 2014 durchgeführten Wettbewerbes „Wohnen am Dom in Erfurt“ werden allerdings auch die Grenzen der Auslegung einer inkonsequenten Aufgabenstellung sichtbar.

Ziel des Wettbewerbes war die Erlangung von Vorschlägen für moderne Wohnformen unter Berücksichtigung der städtebaulichen Belange im Herzen der Stadt Erfurt.

Durchaus im Widerspruch dazu wurde unter dem Punkt „Wirtschaftlichkeit“ in der Auslobung formuliert, dass eine Gesamtsumme von Wohnfläche und Nutzfläche bei Gewerbeeinheiten von mindestens 9 500 Quadratmetern angestrebt wird.

Trotz Bedenken einiger Teilnehmer während des Rückfragenkolloquiums sorgten weder Auslober noch Preisgericht für eine Klarstellung oder Aufklärung dieser eigentlich nicht erfüllbaren Forderung. Im Ergebnis wurden ein erster und ein zweiter Preis vergeben. Die Arbeit des ersten Preises unterschritt die geforderte Fläche um mehr als 30 Prozent, nämlich um 3 000 Quadratmeter. Überzeugt hatte vor allem die städtebauliche Qualität des ersten Preisträgers, die aber nicht alle in der Auslobung formulierten Wünsche erfüllen konnte.

Bei den Abweichungen handelte es sich nicht um „bindende Vorgaben“. Dennoch bleibt bei den Teilnehmern der Eindruck der Irreführung. Verwunderlich ist dann auch nicht die Aufforderung des Preisgerichts an den Auslober, die mit dem ersten Preis bedachte Arbeit überarbeiten zu lassen – mit der Zielstellung, eine Wohn- und Nutzfläche von 8 500 Quadratmetern zu erreichen.

Diese Auslobung und diese Preisgerichtsentscheidung entsprechen nicht dem Ideal eines erfolgreich durchgeführten Wettbewerbsverfahrens.

Der Verfasser der Auslobung, die beteiligte Stadtverwaltung, der Auslober und nicht zuletzt das Preisgericht sind gegenüber den Teilnehmern in der Pflicht, die Aufgabe mit größter Sorgfalt zu verfassen. Die für einen Wettbewerb notwendigen Spielräume sollen dabei nicht unnötig eingeengt werden. Liegen bindende Vorgaben vor, sind diese gesondert zu benennen.

In Auswertung dieses Wettbewerbes plant der Vergabe- und Wettbewerbsausschuss der Architektenkammer Thüringen in seiner Legislatur 2013 bis 2017 zu aktuellen Fragen von Wettbewerbsverfahren vertiefende Werkstattgespräche unter Hinzuziehung von Beteiligten (Auslober, Verfahrensbetreuer, Preisrichter, Teilnehmer). Wir hoffen, damit das Wettbewerbswesen zu stärken und die einzelnen Beteiligten für den Umfang ihrer Verantwortung zu sensibilisieren.

Bei der Vergabe öffentlicher Planungsaufträge muss unsere Aufmerksamkeit in erster Linie der Durchführung von Wettbewerbsverfahren gewidmet werden, da diese allein einer besseren Baukultur dienlich sind. Verhandlungsverfahren ohne Lösungsansätze entsprechen nicht dem öffentlichen Interesse und dürfen nicht zur Regel werden.

Dipl.-Ing. Klaus Reich Architekt BDA
Mitglied des Vergabe- und Wettbewerbsausschusses der Architektenkammer Thüringen

veröffentlicht am 26.11.2014 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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