Bastion der Moderne
Im Zusammenhang mit der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses sind die Worte von der „Entthronten Moderne“ gefallen. Ist angesichts der allgemeinen Tendenzen zu Historie und Rekonstruktion eine neue Auseinandersetzung mit dem Mythos der Moderne erforderlich?
Zwischen den Stühlen
In Weimar konkretisieren sich derweil die Pläne für den Neubau des Bauhaus-Museums. Hier, wo vor 90 Jahren eine Revolution von weltweiter Wirkungskraft ihren Anfang nahm, soll dem Bauhaus, dieser Verheißung, diesem Anspruch auf eine Kulturreform, eine bessere Welt und einen neuen Menschen nun ein Denkmal gesetzt werden. Aufgrund von Finanzierungszusagen des Bundes steht die lang erhoffte Realisierung des neuen Bauhaus-Museums unmittelbar bevor. Bis zu 25 Mio. Euro darf der Neubau kosten. 2013 soll eröffnet werden.
Aber da fangen die Fragen erst an: Was will man außer Tischen und Stühlen eigentlich zeigen? Wie wird eine Schule – denn das war das Bauhaus – im Museum porträtiert? Kann und soll die Pädagogik, z.B. durch Integration eines Kindergartens ins Museumskonzept einen Beitrag leisten? Wie wird verhindert, dass nach der Klassik nun auch das Bauhaus „falsch“ historisiert – und damit auf den Friedhof geschafft wird? Wird das Museum gar der Grabstein?
Das Bauhaus entstand 1919 in der Weimarer Provinz durch ein einmaliges Zusammentreffen von mehreren hochrangigen Künstler- und Gestalterpersönlichkeiten unter der Führung eines kongenialen Direktors. Absichtsvoll unakademisch ging es zu, wenn Schüler mit sehr unterschiedlicher Vorbildung bei den Werk- und Formmeistern in die „Lehre“ gingen. Das Spektrum reichte dabei von so extremen Auffassungen wie: jeder Mensch hat eine einmalige und individuelle Farbskala (Itten) bis zu van Doesburgs Farbdogma des immer gültigen Gelb/Rot/Blau bzw. Weiß/Grau/Schwarz. Diese Gegensätze, die Auseinandersetzung und Reibung mit ihnen, machten das Bauhaus möglich. Die Weimarer Jahre von 1919 bis 1925 waren die inhaltlich weitgespanntesten und wandelvollsten. Später in Dessau und Berlin ging es den eingeschlagenen Weg weiter. In Weimar wurde die Richtung bestimmt, wurden Koordinaten gesetzt. Überschaubarkeit und familiäre Atmosphäre haben den Zauber des Anfangs begleitet. Im Kontrast zu den Kleinstädtern wurde das Künstlerdasein abgesteckt, Provokationen in allen Lebensbereichen bis hin zu Kleidung, z.B. der Bauhaus-Tracht, oder Essen ausprobiert.
Verortung
Für die Erkenntnis ist es wichtig, von welchem Standpunkt aus ich die Welt betrachte. Für einen Neubau ist es wichtig, auf welchen Standort ich ihn denke. Schon seit Ende der 1990er Jahre gab es Überlegungen, das provisorische Bauhaus-Museum am Theaterplatz dort durch einen Ersatzbau zu vergrößern. Stets fehlten die Mittel, und alle diesbezüglichen Pläne blieben in der Schreibtischschublade. Spätere halbprivate Projektpartnerschaften für Alternativstandorte, z.B. neben dem Hotel Elephant am Markt, kamen ebenfalls nicht zustande. Doch nun wird es ernst: Welche Baugrundstücke müssen nicht nur diskutiert, sondern real in die Überlegungen einbezogen werden? Man muss zugeben, dass die Kleinteiligkeit der Weimarer Innenstadt einen dominanten Neubau im Bauvolumen eines Würfels von über 30 Metern Kantenlänge nicht leicht verkraften würde. Die wenigen Baulücken sind schmal, eng, ohne Hinterland und verkehrstechnisch eine Katastrophe. Ein ausgewachsenes Bauhaus-Museum sollte als ein Solitär frei stehen und in die Umgebung wirksam werden dürfen. Selbst wenn man im Inneren zeigen will, dass sich die Strömungen des Bauhauses bis in die Klassik hinein zurückverfolgen lassen, der Architektur soll erlaubt sein, sich einigermaßen frei und ohne zu aufdringliche Nachbarn mit dem Thema Bauhaus auseinanderzusetzen – der Bau als Botschaft.
Neue Bewegungen an der Standortfront lassen hoffen: Falls es tatsächlich gelänge, dank Konjunkturprogramm das Gelände der heutigen Mensa zwischen dem Bauhaus-Universitäts-Hauptgebäude von Henry van de Velde, dem Liszt-Haus und dem Tempelherrenhaus im Park zu gewinnen, könnte die Klassik Stiftung als Betreiber des Bauhaus-Museums neben dem Schloss und der Herzogin Anna Amalia Bibliothek hier mit einer dritten Eckbastion zum historischen Goethe-Park einen fantastischen Platz besetzen. Die räumliche Nähe zum ehemaligen Atelier von Johannes Itten würde der angestrebten Authentizität der Vermittlung gut bekommen. Den zahlreichen Architekten, die sich hoffentlich aus aller Welt dem Architekturwettbewerb zuwenden, gäbe man ganz im bauhäuslerischen Sinn Experimentierfeld und Spielwiese für ihre Auseinandersetzung mit dem heutigen Verständnis von Moderne. Und erst der Kindergarten...
Christiane Hille, Vorstand Kammergruppe 5