Baukultur bedarf auch neuer Planungskultur
Ein Interview mit Wolfram Stock, Mitglied des Vorstands der Architektenkammer Thüringen
Herr Stock, Sie sind Mitglied des Vorstandes der Architektenkammer Thüringen und vertreten dort die Belange der Landschaftsarchitekten. Eine ehrenamtliche Tätigkeit bedeutet immer auch – und das trifft auf alle Vorstandsmitglieder sowie die Mitstreiter in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen gleichermaßen zu –, zusätzliche Zeit zu investieren. Warum ist es Ihnen wichtig, sich für die Architektenkammer zu engagieren?
Mit der Bearbeitung des Landschaftsplanes der Stadt Jena erhielt ich vor 17 Jahren, damals noch als Mitarbeiter eines Nürnberger Planungsbüros, die Chance mich aktiv in die räumlichen Gestaltung und Entwicklung der Stadt einzubringen, in der ich nun seit 15 Jahren lebe. Bereits im Studium wurde uns vermittelt, das besonders in der Stadt- und Landschaftsplanung - neben der Erarbeitung fachlich hochwertiger Planwerke - auch deren Kommunikation nach außen und deren politische Akzeptanz darüber entscheiden, ob diese Pläne auch umgesetzt werden oder als Studien in den Schubläden der Verwaltung verschwinden.
In Thüringen wurde mir bald klar, dass das Berufsbild des Landschaftsarchitekten hier noch weniger bekannt war als in den „alten Bundesländern“. Ich engagierte mich im Berufsverband und durfte besonders in den sechs Jahren als bdla-Vorsitzender erleben, dass es durchaus möglich ist, ehrenamtliche Arbeit so zu strukturieren, dass sie unsere berufsständischen Ziele erfolgreich nach außen kommuniziert und neben der fachlichen Bereicherung und dem Aufbau einer gewissen Planungskultur auch zu guten menschlichen Begegnungen führen kann.
Wo lagen Ihre berufspolitischen Schwerpunkte in der vergangenen Vorstandsperiode? Wo sehen Sie zukünftig zentrale Herausforderungen?
In den vergangenen fünf Jahren habe ich versucht, die Arbeitsfelder der Landschaftsarchitekten im Zusammenspiel mit den Stadtplanern, Hochbau- und Innenarchitekten stärker herauszuarbeiten und sie – sobald öffentliche Fördermittel fließen – auch einzufordern. Dazu gehört z. B. die noch immer nicht selbstverständliche Nennung der Landschaftsarchitekten als Verfasser (und eben nicht als Fachplaner) bei allen Veröffentlichungen. Für unsere Fachrichtung, die für keine Bauaufgabe allein die Bauvorlageberechtigung besitzt, ist die Zulassung zu Wettbewerben besonders wichtig. Und zwar je nach Planungsaufgabe auch als eigenständige oder manchmal – wie beim Erfurter Hirschgarten Wettbewerb – sogar als federführende Fachrichtung, die dann natürlich auch die entsprechende Präsenz als Fachpreisrichter in der Jury aufweist.
Wir sind froh, es gemeinsam mit dem bdla allen Thüringer Kollegen ermöglicht zu haben, im Rahmen der sog. „Thüringer Welten“ einen Themengarten auf der BUGA zu gestalten, wenngleich die finanziellen Teilnahmebedingungen nicht optimal waren. Die diesjährige Verleihung des Thüringer Landschaftsarchitekturpreises im Rahmen eines kleinen Symposiums auf der BUGA hat sowohl durch die Qualität der Veranstaltung mit ihrer hohen Teilnehmerzahl und den spannenden Referenten als auch durch die Qualität der Broschüre zum Landschaftsarchitekturpreis positive Resonanzen hervorgerufen.
Die von einigen Hochbau- und Stadtplanerkollegen geforderte Öffnung des Landschaftsarchitekturpreises auch für Stadtplaner und Bauingenieure zeigt aber auch den intensiven Diskussionsbedarf zum Thema der sinnvollen Zusammenarbeit von Stadt- und Landschaftsplanern zum Beispiel beim Stadtumbau.
Die Architektenkammer Thüringen hat sich in der Diskussion um die Novelle des Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz sehr für die Festschreibung einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit für alle Fachrichtungen ausgesprochen. Für die Fachrichtung der Landschaftsarchitekten besteht nun auch die Möglichkeit, sich nach einem dreijährigen Studium und einer vierjährigen Praxistätigkeit in die Architektenliste eintragen zu lassen. Wie beurteilen Sie diese Variante? Welchen Weg würden Sie Studienanfänger empfehlen, um zukünftig am Markt bestehen zu können?
Schon vor dem so genannten Bologna Prozess begann sich die Qualität der Landschaftsarchitekturausbildung zu verschlechtern. Während viele Hochschul- und alle Fachhochschulabsolventen der achtziger Jahre vor ihrem Studium im Rahmen einer Gärtnerlehre oder eines Praktikum in einer Baumschule oder einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb mindestens einen Jahreszyklus der Vegetation praktisch miterlebt haben, beziehen heutige Absolventen dieses Wissen oft nur noch aus Büchern oder entsprechenden digitalen Nachschlagewerken.
Die neue Zielrichtung vieler Hochschulen, ihre Absolventen der Landschaftsarchitektur nun schon nach drei Jahren Ausbildung mit dem Bachelor-Abschluss für Landschaftsarchitektur auf den Arbeitmarkt zu bringen, entfernt sich weiter von den momentanen Anforderungen vieler Büros an wenige, aber möglicht gut ausgebildete Absolventen.
Master- und achtsemestrige Bachelorabsolventen werden natürlich deutlich bessere Berufsaussichten haben als die neuen „Schmalspur-Bachelore“, bei denen die unterschiedliche Ausbildungsqualität der verschiedenen Hochschulen nun noch stärker ins Gewicht fallen wird.
Wir werden die Studenten von morgen schon bei der Studienberatung auf die besondere Bedeutung der Qualität ihrer Hochschulausbildung hinweisen müssen. Im Rahmen sinkender Studentenzahlen und der mittelfristig wohl in allen Bundesländern unvermeidbaren Studiengebühren werden sich die Hochschulen stärker um die Studenten von morgen bemühen. Das Ausbildungsniveau wird noch stärker als heute ihre Berufschancen und damit auch die Zukunftschancen der Hochschulen bestimmen.
Sie leiten die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit (AG Ö) bei der Architektenkammer. Was war / ist das zentrale Anliegen der AG Ö?
Die AG Ö hat sich vor viereinhalb Jahren auch als Reaktion auf einen offenen Brief an die AKT gegründet, in dem von einigen Kollegen Unbehagen an der damaligen Arbeitweise der AKT geäußert wurde.
Wir haben die Vorwürfe intensiv diskutiert, den offenen Brief im DAB abgedruckt und unberechtigte Vorwürfe entkräftet und zu berechtigter Kritik Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Mit dem daraufhin erarbeiteten Kommunikationskonzept der Agentur Papenfuss wurden Wege aufgezeigt, die interne und die externe Kommunikation zu verbessern und das Erscheinungsbild der Kammer neu zu gestalten. In Teilbereichen, z.B. in der Präsentation der architektouren, wurden mit dem neuen Konzept bereits erhebliche Verbesserungen erzielt.
Auch die Podiumsdiskussion zur Zukunft der AKT erfolgte auf Initiative der AG Ö.
Das Thema „KulturLandschaft Thüringen“ – das Jahresmotto der Architektenkammer, das auch den Mitteldeutschen Architektentag im September prägen wird, liegt Ihnen sehr am Herzen. Was macht für Sie den Reiz der KulturLandschaft Thüringen aus? Wo werden Tendenzen sichtbar, die leichtfertig ihre Qualitäten zur Disposition stellen?
Das Mittlere Saaletale ist ein gutes Beispiel für die kleinteilige, wertvolle Thüringer Kulturlandschaft. Hier ist aber auch der Nutzungsdruck durch Wohn- und Gewerbeansiedlung und durch neue Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen besonders hoch. Die Kulturlandschaft ist als weicher Standortfaktor sowohl für ihre Bewohner und Gäste als auch für den Zuzug neuer, hochqualifizierter Arbeitskräfte wichtig.
In Zukunft werden wir, mehr als es bisher geschah, die Auswirkungen geplanter Infrastrukturmaßnahmen auch auf das Landschaftsbild kritischer hinterfragen müssen, um die hohe Qualität unserer Landschaft auch für zukünftige Generationen zu erhalten.
Gerade in der so genannten „Impulsregion Jena-Weimar-Erfurt“ ist es eben nicht das Leitbild der Zwischenstadt, sondern die klare Abgrenzung zwischen den Siedlungen und der freien Landschaft, die den Reiz der alten Thüringer Kulturlandschaft ausmacht.
Die Podiumsdiskussion „Zukunft der Architektenkammer Thüringen“ befasste sich u.a. mit den Perspektiven der Kammer. Wenn Sie abschließend ein Idealbild der Architektenkammer Thüringen zeichnen sollten, wie sehe dies aus?
In einer Zeit, in der sich trotz volkswirtschaftlicher Bekenntnisse zur Nachhaltigkeit dann meistens doch die betriebswirtschaftlich scheinbar sinnvolleren, schnellen Lösungen durchsetzen, sollte die Kammer Hilfestellung leisten, bei öffentlichen und privaten Bauherren wieder ein stärkeres Bewusstsein für den Wert qualitätvoller Außen- und Innenräume zu schaffen.
Innovative Architekten und zufriedene Bauherren könnten gerade in einem so überschaubaren Bundesland wie Thüringen - in Kooperation mit den beiden mitteldeutschen Partnerländern Sachsen und Sachsen-Anhalt - eine neue Baukultur entstehen lassen, die sich mittelfristig neben der Theater und Musiktheaterlandschaft etabliert und für die Lebensqualität der Bürger wie der Touristen neue positive Aspekte ergibt.
Eine offene, demokratische Kammerarbeit könnte auch neue, junge Mitglieder werben, deren Auftraggeber die Bedeutung guter Architektur in ihrem Wohn-, Arbeits- und Erholungsumfeld durch gute Beispiele wieder zu schätzen gelernt haben.
Grundvoraussetzung für ein effektives, gemeinsames Engagement in der Architektenkammer ist jedoch eine neue Planungskultur, die nur aus neuem, gegenseitigem Respekt zwischen den verschiedenen Architekturfachrichtungen und den benachbarten Ingenieurdisziplinen und in offenem Umgang aller am Baugeschehen Beteiligten erwachsen kann.
Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin AKT