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Besondere Bedingungen bedürfen besonderer Maßnahmen

Änderungen im Bauplanungsrecht, des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes, der EnEV und Hinweise zur öffentlichen Vergabe im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen

Berufspraxis, Bild: Architektenkammer Thüringen

Neben einer Reihe von weiteren Regelungen hat sich der Bundesgesetzgeber auch im Bereich des Bauplanungsrechtes nochmals mit der Flüchtlingskrise auseinandergesetzt. Seit dem 26.11.2014 gilt das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (BGBl 2014 Nr. 53, S. 1748). Im Zusammenhang mit dem vom Bundestag nun am 15.10.2015 beschlossenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (BT-Drs. 18/6185) sind weitere Änderungen des BauGB am 24.10.2015 in Kraft getreten (BGBl 2015 Nr. 40, S. 1722). Die Änderungen betreffen befristet bis zum 31.12.2019 bauplanungsrechtliche Erleichterungen bei der Errichtung mobiler Behelfsunterkünfte in allen Baugebieten und im Außenbereich. Darüber hinaus wird die Umnutzung bestehender Gebäude wesentlich erleichtert. In Einzelfällen ist sogar vorgesehen, dass umfassend vom Bauplanungsrecht bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende abgewichen werden darf.

Eine weitere Änderung wurde im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz mit dem § 9 a im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz eingeführt. Hiernach wird die Pflicht nach § 3 Abs. 2 EEWärmeG ausgesetzt, wonach insbesondere bei Nutzungsänderungen bereits errichteter Gebäude im Eigentum der öffentlichen Hand, die bis 31.12.2018 grundlegend renoviert werden, um sie als Aufnahmeeinrichtungen zu nutzen, der Wärme- und Kälteenergiebedarf durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien gedeckt werden soll. Bei neu zu errichtenden Gebäuden können bei der zuständigen Landesbehörde Anträge auf Befreiung gestellt werden, wenn die Pflichten nach § 3 Abs. 1 EEWärmeG bei der Schaffung von Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften erheblich verzögert würden.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit den am 28.10.2015 in Kraft getretenen Verordnungen zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (BGBl 2015 Nr. 41, S. 1789) die Energieeinsparverordnung (EnEV) geändert. Nach § 25 wurde der § 25 a Gebäude für die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen eingefügt. Dieser enthält folgende wesentlichen Änderungen:

  • Gebäude, die geändert, erweitert oder ausgebaut werden, um sie als Aufenthaltseinrichtung oder Gemeinschaftsunterkünfte zu nutzen, werden von den Anforderungen des § 9 befreit. Hiernach muss lediglich der Mindestwärmeschutz eingehalten werden.
  • Bei Anträgen auf Befreiung von den weiteren Anforderungen der EnEV, z. B. beim Neubau, kann von einer unbilligen Härte ausgegangen werden, wenn die Anforderungen die Errichtung von Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften erheblich verzögerten.
  • Für Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünfte entfällt die Pflicht zur Dämmung der obersten Geschossdecke nach § 10 Abs. 3 EnEV.
  • Die bestehenden Ausnahmeregelungen für provisorische Gebäude mit einer Nutzungsdauer von bis zu zwei Jahren werden auf Gebäude mit einer geplanten Nutzungsdauer von bis zu fünf Jahren ausgedehnt.

In der Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 09.09.2015 wurden Hinweise zu den Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik gegeben. Hiernach wurde den öffentlichen Auftraggebern ein Überblick über die Möglichkeiten gegeben, Infrastruktur (Wohnraum), Lieferung von Waren und Dienstleistungen für den dringenden Bedarf schnell zu beschaffen. Die Hinweise der Kommission betreffen u. a. Bau-, Renovierungs- und Herrichtungsvorhaben im Geltungsbereich der Richtlinie 2004/18 EG, unter Berücksichtigung des zur Zeit geltenden Schwellenwertes ab 5168 000 Euro, auch im Unterschwellenbereich, unter strikter Einhaltung der Vergabegrundsätze zum Verbot der Diskriminierung, der Wahrung der Gleichbehandlung und Transparenz. Gleichmaßen gelten die Hinweise auch für Dienst- und Lieferaufträge ab einem Schwellenwert von 134 000 Euro oder 207 000 Euro.

Die Kommission verweist unter Bezugnahme auf die Richtlinien darauf, dass in dringenden Fällen eine erhebliche Kürzung der allgemeinen Fristen vorgesehen ist. Hiernach können öffentliche Auftraggeber ein beschleunigtes nicht offenes Verfahren wählen, in dem die Fristen für die Einreichung von Teilnahmeanträgen 15 Tage und für die Einreichung der Angebote zehn Tage betragen. Im Falle eines beschleunigten offenen Verfahrens kann bei hinreichend begründeter Dringlichkeit die Frist zur Einreichung von Angeboten auf 15 Tage verkürzt werden.

Nach dem Unionsrecht ist mit dem Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung eine zusätzliche Möglichkeit gegeben, auch in
den dringendsten Fällen Aufträge zur Deckung des Bedarfs von Asylsuchenden zu vergeben.

Die Kommission weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Verfahren mit verkürzten Fristen nur in den genannten Ausnahmefällen Anwendung finden dürfen und sämtliche Bedingungen zu erfüllen und eng auszulegen sind.

Hiernach müssen die öffentlichen Auftraggeber von Fall zu Fall entscheiden, welche Verfahrensart sie wählen, um die Erfüllung unmittelbarer Bedürfnisse der Asylsuchenden, insbesondere den Bedarf an der Bereitstellung von Wohnraum, der Lieferung von Waren und Dienstleistungen, zu decken. Nach den Hinweisen der Kommission ist zunächst von der erheblichen Verkürzung der Fristen Gebrauch zu machen. Kann der Bedarf dadurch nicht schnell genug gedeckt werden, kann „ein Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung ins Auge gefasst werden“.

Diese Entscheidung trifft allein der öffentliche Auftraggeber. Die Bedingungen, Kausalität und Begründung des verkürzten Verfahrens im Vergabevermerk sind zu dokumentieren.

Darüber hinaus hat das BMWi mit Rundschreiben vom 24.08.2015 über die Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen darüber informiert, dass bei öffentlichen Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte Haushaltsrecht zur Anwendung kommt, dessen Verfahrensregeln bereits eine Beschleunigung der Verfahren und die im Vergleich zum Oberschwellenbereich erleichterte Wahl eines freihändigen Vergabeverfahrens bei öffentlichen Aufträgen zulassen. Für Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte erteilte das BMWi besonders zu beachtende Hinweise. Das BMUB hat unterdessen mit dem Erlass vom 25.08.2015 das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung sowie die Bauverwaltungen der Länder darauf hingewiesen und klargestellt, dass das Rundschreiben des BMWi vom 24.08.2015 für Bauvergaben entsprechend angewendet werden kann.

Dirk Weber
Rechtsanwalt
Justiziar Architektenkammer Thüringen

veröffentlicht am 11.11.2015 von Björn Radermacher · Rubrik(en): Berufspraxis, News

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