Diskussionsabend „Zukunft gestalten – Stadtentwicklung Erfurt“
Matthias Rommel, Geschäftsstelle der AKT
Der BDA Thüringen und die Fachhochschule Erfurt luden am 27. März 2007 zu einem Diskussionsabend unter dem Titel „Zukunft gestalten – Stadtentwicklung Erfurt“ in die Kunsthalle Erfurt ein.
Über 100 Interessierte nutzten die Gelegenheit, um mit dem neuen Beigeordneten für Bau und Verkehr Ingo Mlejnek und seinen beiden Amtsvorgängern Prof. Dr. Hermann Saitz und Rainer Wiesmaier unter der Moderation von Hilmar Ziegenrücker (Landesvorsitzender BDA Thüringen) und Prof. Michael Mann (FH Erfurt) folgende Themenschwerpunkte zu erörtern:
* Stadtentwicklungskonzept,
* Masterpan Plattenbau-Gebiete,
* Architektenwettbewerbe und
* Hirschgarten, Erfurt
Nach einer Begrüßung durch Herrn Ziegenrücker sprach Herr Mlejnek – seit 1. Februar 2007 Beauftragter für Bau und Verkehr – über die Zukunftsperspektiven der Stadt Erfurt. Er wies darauf hin, dass Erfurt seine Rolle als Oberzentrum selbstbewusst und offen wahrnehmen müsse. Dies sei jedoch nur möglich, wenn das aus der geschichtlichen Entwicklung resultierende nach innen gerichtete Denken überwunden und durch einen offenen Blick nach außen ersetzt werde.
Als Schwerpunkte des Stadtumbaus nannte Herr Mlejnek die Plattenbaugebiete und die Entwicklung des Wohnungsmarktes, auf die reagiert werden müsse. Dabei gilt es, die quantitativen Entwicklungen zu begreifen und zu berücksichtigen.
Besonderes Augenmerk gelte dem teilräumlichen Entwicklungs-konzept Altstadt, welches im Hinblick auf die Bedeutung der Altstadt als Identifikationspunkt Ziele definieren und justieren solle. Dies müsse unter aktiver öffentlicher Beteiligung geschehen.
„Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Partner damit gleich unzufrieden sind.“ Henry Kissinger
Der Masterplan als Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Situation und sozialer Verantwortung war zweites Thema des Abends.
Herr Wiesmaier erklärte, dass bei der Erstellung des Masterplans intensive wohnungswirtschaftliche Forschungen den Rahmen für die städtebaulichen Planungen gesteckt haben. Anhand der Beispiele „Roter Berg“ und „Rote Meile“ verwies er auf die Frage der Zweckmäßigkeit. Nur ein maßvoller Umgang mit dem Schrumpfungsprozess verhindere einerseits die Entstehung städtebaulicher Torsos und wird andererseits einer moralischen Verantwortung (Begriff „Heimat“) gerecht.
Prof. Saitz wies auf die Brisanz der zu erwartenden demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Paradigmenwechsel, dem wohl größten der Moderne, hin. Die bisher postulierte wachsende Planung müsse durch eine dem demografischen Wandel angepasste ersetzt werden.
Jede städtebauliche Entscheidung sei in Zukunft über demografische Studien zu entscheiden, so z. B. der Umgang mit den Gründerzeitvierteln. Hier stelle sich z. B. die Frage, ob auf Kippe stehende Bereiche rückgebaut (und dafür funktionierende Gebiete stabilisiert) oder gefördert werden sollten.
Prof. Mann hinterfragte die rein demografische Ursache der Stadtschrumpfung und verwies auf den Gesichtspunkt der Attraktivität der Stadt (zum Leben, Arbeiten…) in Konkurrenz zum Umland. Prof. Saitz griff diesen Gedanken auf und forderte die regionale Zusammenarbeit der Städte Erfurt, Weimar, Jena, Gotha als Vorraussetzung für die Stärkung ihrer Attraktivität und damit ihrer Anziehungskraft. Dies könne nur durch gemeinsame Stadtplanung erfolgen. Als Beispiele wurden der Theaterstreit, das Bildermuseum und das Kunstgewerbemuseum genannt. Herr Wiesmaier und Herr Mlejnek stimmten dem zu.
Prof. Mann leitete zum dritten Thema des Abends „ Architektenwettbewerbe“ über und nannte als wichtige Vorteile einerseits das Erzielen der bestmöglichem Lösung durch den offenen Wettbewerb, andererseits die Transparenz und damit Nachvollziehbarkeit sowie die allgemeine Förderung der Baukultur durch den öffentlichen Diskurs. Auf die Frage, warum Erfurt an der Wettbewerbsinitiative „Genial Zentral“ nicht teilgenommen hätte, verwies Herr Wiesmayer auf das bisherige Fehlen geeigneter Flächen. Prof. Saitz forderte die politische Spitze der Stadt auf, mehr Verantwortung in diesem Bereich, z. B. durch die Teilnahme an Jurys, zu übernehmen und den ernsthaften Diskurs und damit die Wettbewerbskultur zu fördern (aktuelles Beispiel: Willy-Brandt-Denkmal). Außerdem müsse einer neuen Bodenpolitik, z. B. durch PPP-Projekte, mehr Beachtung geschenkt werden. Herr Mlejnek nannte die fehlende Bereitschaft vieler Bauherren, sich und ihr Bauvorhaben in die Hände einer Fachjury zu legen, als Hauptgrund für die unzureichende Wettbewerbskultur.
Der vierte Themenschwerpunkt des Abends war der „Hirschgarten“ in Erfurt. Prof. Saitz erklärte, dass die transparente Entscheidung zum Abriss des Hauses der Kulturen aufgrund der nicht weiteren Verwendbarkeit getroffen wurde und bedauerte, dass die Ideen zur Neubesetzung (Universitätsgebäude, Kulturzentrum, Stadthäuser) trotz großer Anstrengungen nicht umgesetzt werden konnten. Die Bürger sprachen sich in einer Befragung für eine dauerhafte Begrünung des Areals, für das eine Wettbewerbsausschreibung geplant sei, aus. Außerdem werde das westliche Wachhaus wieder aufgebaut, so Herr Mlejnek.
Eine anschließende Fragerunde ließ deutlich werden, dass viele der angesprochenen Themen einer weiteren kritischen Auseinandersetzung, Vertiefung und Konkretisierung bedürfen.