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Energiestandards im öffentlichen Bau

Architekten und Ingenieure im Dialog mit der Politik

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Podium (v. l.): Roberto Kobelt, Jürgen Drolshagen, Andreas Reich, Dr. Hans-Gerd Schmidt, Stefan Nitschke und Nikolaus Huhn, Bild: Architektenkammer Thüringen

Die neue Thüringer Regierung beabsichtigt, jedes Jahr zwei Prozent aller Gebäude energetisch zu sanieren. So steht es im Koalitionsvertrag der Parteien Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die sechste Wahlperiode des Thüringer Landtags. Und weiter: „Für Neubauten des Landes soll ab 2015 der Plusenergiestandard gelten, um die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand zu stärken.“ Bei Sanierungen streben die Koalitionäre deutlich über den gesetzlichen Vorschriften liegende Standards an, wobei der Energiebedarf 40 Prozent unter der jeweils gültigen EnEV liegen soll. Darüber hinaus soll ein Prozessstandard entwickelt werden, der den gesamten Lebenszyklus der Gebäude und den Quartierskontext berücksichtigt.

Hehre Ziele oder zu viel des Guten? Was es bedeuten kann, diese ambitionierten Vorhaben umzusetzen, darüber diskutierten Politiker, Architekten, Ingenieure und Interessierte auf Einladung der Partei Bündnis 90/Die Grünen am 3. März im Thüringer Landtag.

Der Präsident der Architektenkammer Thüringen Dr. Hans-Gerd Schmidt betonte in seiner Einführung, dass es derzeit wohl mit zu den schwierigsten Aufgaben gehöre, den Gebäudebestand energetisch fit zu machen. Er mahnte an, „bei allen politisch bedeutsamen und nachvollziehbaren Zielsetzungen“ die Baukostenentwicklungen im Auge zu behalten: „Auch ohne Fördermittel müssen sich Planungen noch wirtschaftlich darstellen und realisieren lassen – daran hängen nicht nur die Jobs des Berufsstandes, sondern auch die ganzer Unternehmen.“

Daran anknüpfend stellte Nikolaus Huhn, Leiter von „Energie gewinnt!“ – ein Fachbetrieb für Wärmedämmung und Energiesparen – die Aktion „Energiesparen macht Schule“ vor. Laut Huhn zeige die Praxis, dass in Schulen allein durch die Optimierung des Nutzerverhaltens zwölf bis 18 Prozent Energie eingespart werden könnten. An zahlreichen Schulen hat „Energie gewinnt“ zudem für energiesparende Wärmedämmung gesorgt. Als eine der wirtschaftlichsten Maßnahmen bezeichnete Huhn die Dämmung
der obersten Geschossdecke, die sich im Schnitt innerhalb von nur 2,7 Jahren über die geringeren Heizkosten amortisieren würde.

Best-Practice-Beispiele im öffentlichen Bau, die allesamt deutlich unter der jeweils gültigen Energieeinsparverordnung liegen, präsentierten Andreas Reich, reich.architekten BDA Weimar, Jürgen Drolshagen, HPI Himmen Ingenieurgesellschaft Köln/Erfurt, sowie Stefan Nitschke, Nitschke + Kollegen Architekten Weimar.

Andreas Reich, der die „Bauhaus Factory“ in Weimar vorstellte, schlug vor, Lebenszykluskosten stärker zu gewichten und gab zu bedenken, dass die Anhebung der Sanierungsrate voraussichtlich größere Effekte erziele als das Festlegen ambitionierter Dämmstandards. Grundsätzlich müsse das Thema öffentlichkeitswirksamer in die Breite getragen werden, prädestiniert wäre hierfür die IBA Thüringen.

Stefan Nitschke, der die Cranachschule und das Schulzentrum am Paradies in Weimar präsentierte, sensibilisierte für eine stärkere Berücksichtigung der Gesamtenergiebilanz – des Materialeinsatzes, der Transportwege, der Entsorgung usw. „All das sind Probleme, denen wir mehr denn je ohnmächtig gegenüberstehen.“ Er fügte an, dass die EnEV diesem Anspruch nicht gerecht werde.

Roberto Kobelt, energie- und baupolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, ergänzte in seinem Fazit, dass freie Flächen verstärkt für Photovoltaikanlagen zu nutzen seien. Er habe die Hoffnung, dass Energiespeicher mit Aufkommen des Massenmarkts bezahlbar werden.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass das „Anziehen von Daumenschrauben“ das eigentliche Ziel verfehle. Ein höheres  Effizienzpotential besitze vor allem das Quartier. Dieses Thema anhand realisierter Beispiele aus Thüringen aufzugreifen, bleibt möglichen weiteren Fachgesprächen vorbehalten.

br

veröffentlicht am 17.03.2015 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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