Fachwerk, Qbatur und Quark – Was haben diese drei Begriffe gemeinsam?
Exkursion der Kammergruppe Erfurt nach Quedlinburg
Quedlinburg, die über tausendjährige Fachwerkstadt – seit 1994 UNESCO-Weltkulturerbe – ist vielen ein Begriff. Der Geschichtsinteressierte kennt sie als „Wiege Deutschlands“, der Fachwerkbegeisterte als Stadt mit über 1300 Fachwerkgebäuden aus sechs Jahrhunderten in der Altstadt, der Liebhaber romantischer Stadtbilder als Stadt mit einzigartig erhaltener mittelalterlicher Stadtstruktur, der Gärtner und Pflanzenliebhaber als Stätte der Pflanzen- und Samenzucht.
Gegen Ende der DDR-Zeit sollte die wertvolle Bausubstanz der DDR-Baupolitik zum Opfer fallen – bürgerliches Engagement und die friedliche Revolution konnten Schlimmstes verhindern. Doch wie geht man in der heutigen Zeit mit diesem sensiblen Gebäudebestand um? Wie erhält man ihn für die Nachwelt, wie passt man ihn den heutigen Lebensbedürfnissen an, damit er erhalten bleibt? Und zu guter Letzt: Wie schließt man entstandene Lücken im Straßengefüge – feinfühlig, im Sinne und mit den Mitteln und Möglichkeiten der heutigen Zeit? Eine Exkursion der Kammergruppe Erfurt der Architektenkammer Thüringen versuchte, diese Fragen näher zu beleuchten.
Nach dem vorzüglichen Essen im Restaurant des historischen Hotels Theophanu fanden wir uns direkt in der „Hölle“ wieder. Hier in der Nr. 11 arbeitet das auf Sanierung und Denkmalpflege spezialisierte Architektenbüro Qbatur, deren Inhaber Ulrich Queck, Architekt, und Rudolph Koehler, Kaufmann, uns an diesem Nachmittag einige ihrer Projekte zeigten. Gleich das erste, der Firmensitz des Büros, setzte Maßstäbe. Das steinerne Eckhaus stammt aus dem 13. Jahrhundert. Eine fast 800 Jahre alte Balkendecke überspannt den gefühlt vier Meter hohen Raum, meterdicke Wände lassen ihn burgähnlich wirken, eine eisenbeschlagene Tür verschließt den Kellereingang. Wir hätten gern noch mehr davon gesehen und gehört, aber da hätten wir womöglich „Klink 9“ verpasst – allein das schon eine Reise wert. Nahezu dem Verfall Preis gegeben, erwarb es 2008 eine in Berlin arbeitende Britin als Wochenendsitz und ließ das 600 Jahre alte Haus von Qbatur sanieren. Die vollständig zerstörte Hoffassade wurde durch eine filigrane Glasfassade ersetzt. Dadurch konnte ein großzügiger Wohnraum mit ausreichend Tageslicht versorgt werden. Preiswürdig, das fanden auch die Juroren des Architekturpreises Sachsen-Anhalt 2010. Bis in den Abend hinein erforschten wir weitere Baustellen des Büros und selbst beim gemeinsamen Abendessen wurden wir des Themas nicht müde.
Am Tag darauf widmeten wir zunächst der Stadtgeschichte und dem eindrucksvollen, von der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz zu einem Tagungszentrum umgebauten Palais Salfeldt unsere Aufmerksamkeit. Nach dem Mittagessen in allerfeinstem Sonnenschein auf der Terrasse des Schlosses trafen wir uns mit Tobias Weyhe, Architekt, Baubiologe und Energieberater in einer Person. Neben verschiedenen Baustellen, u. a. auch seinem „Hobby“, einer Hofanlage mit zwei Kelleretagen am Finkenherd, zeigte er uns zum Abschluss das alte Hospital. Von außen schon wegen seiner Bauform sichtlich etwas Besonderes, entpuppte es sich beim Betreten als Ferienhaus mit vier Wohneinheiten auf drei Etagen. Spannend sein Bericht über die Bekämpfung des Hausschwamms mittels Wärme und die experimentelle Sanierung durch sein damals noch junges Büro QuArK, Quedlinburger Architektur-Konzepte. (Damit dürfte sich auch die Frage nach dem eingangs genannten Zusammenhang geklärt haben. Richtigen Quark verwendet das Büro auch. Im Putz.)
Scheinbar unbewusst ist die Nachhaltigkeit bei den Projekten dieser beiden Büros Leitmotiv, die Funktionalität und Nutzung der Gebäude gewähren ein langes Leben, die verwendeten Baustoffe und die energetische Betreibung garantieren ein hohes Maß an Umweltverträglichkeit. Man benötigte schon einige Tage, um das Gesehene zu begreifen und für sich zu erschließen. Nicht nur die Vielzahl von Objekten war es, die manch einen Exkursionsteilnehmer zum nachdenklichen Verweilen einlud, sondern in erster Linie die Art und Weise des Umgangs mit der wertvollen Quedlinburger Bausubstanz offenbarte für viele die Möglichkeit des Erkenntnisgewinns.
Vielen Dank für die Offenheit und das Engagement, mit denen uns begegnet wurde. Auf jede Frage gab es eine Antwort, aber auch mit den eigenen Problemen wurde nicht hinterm Berg gehalten. Das ist die Basis für einen optimalen Umgang mit wertvoller historischer Bausubstanz!
Beate Meusel / Kristiane Schley