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Kammerarbeit – zu laut oder zu leise?

Rückschau auf die Podiumsdiskussion am 17. April 2008 zur Zukunft der Architektenkammer Thüringen

Knapp 80 Mitglieder der Architektenkammer Thüringen waren der Einladung des Vorstandes gefolgt, um mit externen Gästen und Vertretern der Architektenkammer Thüringen über die Zukunft der Kammer zu diskutieren. Die Besetzung des Podiums versprach unterschiedliche Positionen zum Selbstverständnis der Kammer, Leistungen und Auftrag zu beleuchten. Die Veranstaltung wurde moderiert von Roland Stimpel, Chefredakteur Deutsches Architektenblatt.

Im Folgenden einige wesentliche Auszüge der Diskussion.

„Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Hartmut Strube, Präsident der Architektenkammer Thüringen
Der Präsident der Architektenkammer Thüringen fasste in seinem Eingangsstatement die drei Hauptaufgaben der Kammer zusammen: Als Körperschaft des öffentlichen Rechts und verlängerter Arm des Aufsicht führenden Ministeriums überwacht sie im öffentlichen Interesse durch Eintragungs-, Schlichtungs- und Ehrenausschuss die Qualifikationsvoraussetzungen des Berufsstandes sowie die ordnungsgemäße Berufsausübung. Als Interessensvertretung ihrer Mitglieder wirkt sie aktiv in den politischen und gesellschaftlichen Raum hinein. Als Dienstleister bietet sie ihren Mitgliedern durch Beratungsleistungen und Fortbildungsangebote Hilfestellung bei der Berufsausübung.

Hartmut Strube wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Missverhältnis zwischen sinkenden Auftragsvolumen bei gleichzeitig steigenden Architektenzahlen häufig zu dem Schluss verleite, die Kammer als Auftragsmotor zu betrachten. Dies könne sie jedoch nicht sein. Gleichwohl werde sie sich weiterhin bemühen, durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit die Leistungen der vier Berufsgruppen immer wieder neu ins öffentliche Interesse zu rücken. Hierbei sind die persönlichen Gespräche, die landesweit mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und (Bau-)Wirtschaft geführt werden, von besonderer Bedeutung.

„Durch unterschiedliche Ausbildungsberufe, Bachelor- und Master-Studiengänge sind auch wir gefordert, uns für ein einheitliches Berufsbild des Arztes einzusetzen.“ Dr. Matthias Wesser, Präsident der Landesärztekammer Thüringen
Während die hohe Architektendichte und die sinkenden Auftragsvolumina sich für den Berufsstand der Architekten in Teilen als existenzbedrohend erweist, wurde von Dr. Matthias Wesser, Präsident der Landesärztekammer Thüringen, für seinen Berufsstand genau das gegenteilige Phänomen konstatiert. Der demografische Faktor führt zu einer Verdopplung der Arbeit, die über die Mitglieder nicht mehr abgedeckt werden kann.

Die Übertragung ärztlicher Aufgaben auf andere nichtärztliche Heilberufe ist in der Diskussion und fordert die Landesärztekammer nicht nur in der Ausübung ihrer Berufsaufsicht in besonderem Maße, sondern auch in ihrem Bemühen um den Erhalt eines einheitlichen Berufsbildes des Arztes.

„Nicht nur das Bauen ist komplexer geworden, sondern auch die Kammeraufgaben sind komplexer geworden.“ Dr. Tilman Prinz, Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer
Als Zusammenschluss der 16 Länderkammern moderiert und koordiniert die Bundesarchitektenkammer die berufspoltischen Themen von bundesweiten Rang und vertritt die Interessen der Architekten auf europäischer und internationaler Ebene. Dr. Tilman Prinz betonte in seinem Statement, um wirksame und gleichzeitig effiziente Lobbyarbeit leisten zu können, sei es wichtig, als Kammern eine gemeinsame Position zu vertreten. Gerade für kleine Kammern bedeute es eine Chance, den Zusammenschluss als Netzwerk zu verstehen, in dem arbeitsteilig Themen bearbeitet werden könnten.

Tilman Prinz warb für den langen Atem. Die zunehmende Komplexität des Bauens führe auch im berufspolitischen Bereich zu komplexeren Fragestellungen. So ist die Diskussion um das Werkvertragsrecht und die damit verbunden Überlegungen zu alternativen Haftungsregelungen nur ein Beispiel, das keine schnelle Lösung verspricht.

„Wir brauchen die Kammer als Dialogpartner für Politik und Verwaltung mehr denn je.“ Dr. Matthias Lerm, Stadtarchitekt, Jena
Dr. Lerm hob in seinem Beitrag auf die sich in ihren Aufgaben wandelnde Verwaltung ab. Strukturreformen werden vom Personalabbau begleitet. In den Vordergrund rückt die Frage, wie man zum Bauen gelangen kann. Die Frage nach der Architektur scheint nur noch bei exponierten Bauaufgaben eine Rolle zu spielen. In diesem Zusammenhang kommen der Architektenkammer als Moderator, als Prozessgestalter und - steuerer, als Vermittler der Baukultur, als Berater und Ideengeber wichtige Aufgaben zu. Die Weichen für das Verwaltungshandeln werden von der Politik gestellt. Daher plädierte Dr. Lerm für den intensiven Dialog zwischen Politik, Verwaltung und berufsständischer Interessensvertretung, um anspruchsvolle Bauaufgaben durchführen zu können.

„Wir können mit dem, was wir baulich hinterlassen, diese Welt ein Stück schlechter oder besser machen. Und das geht nur, wenn wir uns selber darum kümmern und Kammermitgliedschaft nicht als Zwang, sondern als Chance begreifen.“ Joachim Brenncke, Präsident der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern und Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer
Die Politik hört nicht auf Architekten, weil Architekten in politischen Gremien nicht vertreten sind. Daher, so das Plädoyer von Joachim Brenncke, ist eine organisierte Struktur, die die Interessen der Betroffenen vertritt, unverzichtbar. Denn Gesetze, die von der Politik erlassen werden und über die berufliche Zukunft eines Berufsstandes entscheiden, können nur von den Betroffenen selbst in ihrer Praxistauglichkeit bewertet werden.

Erfolgreiche Lobbyarbeit bedarf des kontinuierlichen Austausches mit Vertretern der Politik, der Medien und der Öffentlichkeit. Man muss für das Thema Bauen brennen, etwas in der Welt und damit auch für den Berufsstand bewegen wollen und hierfür gegenüber der Politik die Anforderungen formulieren. Das geht nur in der Zusammenarbeit von Hauptamt und Ehrenamt, im Dialog mit den Mitgliedern und einer Verständigung darüber, was einem qualitätsvolle Lobbyarbeit Wert ist. Nur so konnte es bisher in Mecklenburg-Vorpommern gelingen, trotz sinkender Einnahmen und hoher Beiträge, die Mitglieder davon zu überzeugen, die Kammer in ihrem Selbstverständnis nicht auf die Pflichtaufgaben der Verwaltung zu reduzieren, sondern den (Mehr-)Wert freiwilliger Leistungen zu schätzen und mitzutragen. Hierbei nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen zentralen Stellenwert ein.

„Wir müssen die Sehnsucht nach der Architektur wecken, ansonsten wird niemand den Wert unserer Leistung verstehen, und wir werden weiterhin bei unserem Bemühen, die HOAI zu novellieren, auf Unverständnis stoßen.“ Wolfram Stock, Mitglied des Vorstandes der Architektenkammer Thüringen

Ausblick
Das Thema Öffentlichkeitsarbeit der Kammer zählte zu den zentralen Anliegen in der sich anschließenden Diskussion mit dem Auditorium. Zwar wurde und wird schon vieles getan. Aber auch darüber herrschte Einigkeit, das Ziel einer aktiven öffentlichkeitswirksamen Vertretung der Interessen des Berufsstandes ist noch lange nicht erreicht. Ein Mehr und vor allem „lautere“ Lobbyarbeit nach außen, in Richtung Politik, Verwaltungen und (Bau-)Wirtschaft wurde gefordert.

Mehr Offenheit, Transparenz und Kreativität bei der internen Kammerarbeit wurden als eine wesentliche Voraussetzung zur Motivierung der Mitglieder für das weiterhin notwendige ehrenamtliche Engagement und Stärkung der internen Kommunikation angemahnt.

Ein möglicher Weg wurde über das Beispiel der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern mit einer eigenen Referentin für Öffentlichkeitsarbeit aufgezeigt.

Das Beispiel führt zurück auf eine der Kernfragen: Welche Qualität der Kammerarbeit wollen wir zukünftig leisten? Oder anders formuliert: Welche Qualität der Kammerarbeit müssen wir uns leisten, um glaubwürdig und wirksam die Interessen unserer Mitglieder sowohl nach innen als auch nach außen vertreten zu können?

An dieser Stelle gilt es, die begonne Diskussion hinsichtlich der eingeforderten Visionen zur Zukunft der Architektenkammer in Thüringen weiter zu führen. Was sind die Aufgaben unserer Architektenkammer in Zukunft? Welche Prioritäten wollen wir in Thüringen setzen? Können und wollen wir uns einen Rückzug auf die Pflichtaufgaben leisten? Wer sind die Mitglieder der Zukunft? Wie gelingt die Gradwanderung zwischen Quantität und Qualität?

Die Podiumsdiskussion war ein Anstoß, sich über Visionen und übergeordnete Ziele zu verständigen, die letztlich Voraussetzung für eine erfolgreiche strategische Ausrichtung aller Kammeraktivitäten, einschließlich der dazugehörigen Öffentlichkeitsarbeit, sind. Diesen Diskurs zu führen und im Sinne der geforderten Offenheit, Transparenz und Kreativität zu gestalten, wird die vordringlichste Aufgabe der neu zu wählenden Vertreterversammlung, ihrer Gremien und nicht zuletzt des zukünftigen Präsidenten sein.

Gertrudis Peters, Geschäftsführerin Architektenkammer Thüringen
in Zusammenarbeit mit der AG Öffentlichkeitsarbeit

veröffentlicht am 27.05.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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