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Stadtumbau braucht gut ausgebildete Stadtplaner

Ein Interview mit Olaf Baum, Mitglied des Vorstands der Architektenkammer Thüringen



Herr Baum, Sie sind Mitglied des Vorstandes der Architektenkammer und vertreten dort die Interessen der Stadtplaner. Warum ist es Ihnen wichtig, sich für berufspolitische Belange zu engagieren?
Es geht in erster Linie darum, die Rahmenbedingungen für die Ausübung des Berufs zu beeinflussen und möglichst zu verbessern. Auch wenn uns das nicht immer im gewünschten Umfang gelingt, können nur wir selbst uns immer wieder bemühen, Interessen und Ziele der Berufsgruppe(n) zu artikulieren und nach Wegen und Partnern für deren Durchsetzung zu suchen. Diese Aufgabe wird niemand für uns erledigen. Dies gilt m.E. sowohl für die Kammer insgesamt als auch für die einzelnen Berufsgruppen. Dazu ist es notwendig, sowohl den Dialog nach außen (Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Medien) als auch kammerintern zu intensivieren.

Was waren für Ihre Berufsgruppe rückblickend die größten Erfolge? Wo sehen Sie zukünftig zentrale Herausforderungen?
Die Stadtplaner bzw. Architekten für Stadtplanung sind mit ca. 125 eingetragenen Mitgliedern eine relativ kleine Fachrichtung innerhalb der Architektenkammer. In der Außenwirkung ging es uns vor allem um die Darstellung des enorm breiten Spektrums an Inhalten, Handlungs- und Tätigkeitsfeldern, die das Berufsbild des Stadtplaners bestimmen. Sowohl innerhalb der Kammer als auch in der Öffentlichkeit hat sich die Akzeptanz für die Berufsgruppe und die spezifischen Interessen weiter verbessert. Im Unterschied zu den Leistungen von Architekten, Landschafts- und Innenarchitekten, deren Arbeit meist Objekt bezogen auf eine zeitnahe Umsetzung orientiert ist, sind städtebauliche Projekte und Ideen meist mittel- bis langfristig angelegt. Dies erschwert oft die Darstellung der Leistungen und das Verständnis für die Stadtplanung.

Der Stadtumbauprozess wird wesentlich durch die Mitwirkung der Stadtplaner bestimmt, sei es als freiberuflich Tätige oder in den Verwaltungen des Landes, der Städte und Gemeinden. Die Kreativität von Stadtplanern, Architekten und Landschaftsarchitekten ist gefragt, wenn es darum geht, die spezifischen Qualitäten und Chancen der Städte auch unter den veränderten Rahmenbedingungen zu erkennen, zu sichern und Konzepte für deren Entwicklung zu erarbeiten. Der Stadtumbau ist die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre.

Die Architektenkammer Thüringen hat sich in der Diskussion um die Novelle des Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz sehr für die Festschreibung einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit für alle Fachrichtungen ausgesprochen. Für die Fachrichtung der Stadtplaner besteht nun auch die Möglichkeit, sich nach einem dreijährigen Studium und einer vierjährigen Praxistätigkeit in die Architektenliste eintragen zu lassen. Wie beurteilen Sie diese Variante? Welchen Weg würden Sie Studienanfänger empfehlen, um zukünftig am Markt bestehen zu können?
Stadtplanung ist eine ganzheitliche und sehr komplexe Aufgabe. Wichtig ist insbesondere das Erkennen von Zusammenhängen über das Einzelobjekt hinaus im Wechselspiel zwischen den örtlichen Bedürfnissen und übergeordneten Anforderungen. Auch wenn das Gesetz nun bereits verabschiedet ist, bin ich nach wie vor der Auffassung, dass die für die Ausübung des Berufs notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht seriös und umfassend in sechs Semestern zu vermitteln sind. Berichte aus den Hochschulen bestätigen dies. Fehlende Studienzeit durch verlängerte Praxistätigkeit auszugleichen ist nicht der richtige Ansatz. Eine dreijährige Hochschulausbildung kann lediglich Grundlagenwissen vermitteln und ist nicht auf eine eigenverantwortliche, selbständige Tätigkeit ausgerichtet. Die zunehmende Komplexität des Gegenstandes Stadt sowie die Vielfalt und Differenziertheit der Tätigkeitsfelder erfordern eine Ausbildung von 5 Jahren (10 Semestern) nach UIA-Standard, mindestens jedoch von 4 Jahren (8 Semestern) nach EU-Architektenrichtlinie. Ein Studium muss die (wissenschaftliche) Ausbildung bis zur Berufsfähigkeit sicherstellen. Nur so wird die Hochschulausbildung sowohl den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Studienbewerber als auch den umfänglichen Anforderungen der Berufspraxis gerecht.

In einer Zeit wachsender inhaltlicher Anforderungen an die Berufsgruppe, die Mindestausbildungszeit herabzusetzen, führt über ein verringertes Ausbildungsniveau zu Qualitätsverlusten in der Berufsausübung. Nur mit einem mindestens vierjährigen Studium haben Stadtplaner künftig gute Chancen im nationalen und internationalen Wett­bewerb. Eine qualitätvolle, international konkurrenzfähige Ausbildung ist sowohl für die allgemeine Berufspraxis als auch für den Export von Planungsleistungen in Anbetracht national zurückgehender Nachfrage von entscheidender Bedeutung. Deshalb kann ich den Studienanfängern im Moment nur empfehlen, mit einem möglichst guten Bachelor-Abschluss die Voraussetzungen für einen Masterstudiengang zu erfüllen und nach 10 Semestern Gesamtstudienzeit den Master-Abschluss in der Fachrichtung Stadtplanung zu absolvieren.

Warum kann es gerade auch für junge Kollegen interessant sein, sich für die Kammer zu engagieren?
Perspektiven und Chancen des Berufs, der Wandel des Berufsbildes sowie das Erschließen neuer Tätigkeitsfelder sind Themen, die auch für junge Kollegen interessant sein müssten, weil sie die künftige Berufstätigkeit erheblich beeinflussen. Auch für die Verbesserung der Öf­fent­lich­keits­arbeit ist die Mitwirkung des beruflichen Nachwuchses dringend erforderlich. Um die Öffentlichkeit von den Fähigkeiten und Leistungen von Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern zu überzeugen, müssen neue, unkonventionelle Wege beschritten werden. Interessant für junge Kollegen ist natürlich auch der fachlich-inhaltliche Diskurs innerhalb und zwischen den Fachrichtungen.

Als Mitglied des Landeswettbewerbsausschusses (LWA) setzten Sie sich gleichzeitig auch sehr für die Stärkung des Wettbewerbswesens ein. Wie beurteilen Sie die Wettbewerbskultur in Thüringen? Welche Aufgaben kommen dem LWA in diesem Zusammenhang zu?
Durch Wettbewerbe erhalten junge Kollegen und noch wenig erfahrene Büros eine faire Chance, sich zu qualifizieren und zu ersten Aufträgen zu kommen. Wettbewerbe sind hervorragend geeignet, sowohl für schwierige als auch für alltägliche Planungsaufgaben wirtschaftliche und innovative Lösungen aufzuzeigen. Allerdings gibt es viel zu wenige, vor allem keine offenen Wettbewerbe mit Zugangsmöglichkeiten für alle. Auch die Möglichkeit von zweiphasigen Verfahren wird wenig genutzt. Insofern ist die Wettbewerbskultur in Thüringen noch ungenügend ausgeprägt. Deshalb fordern wir schon seit einiger Zeit immer wieder, die Vergabe von Fördermitteln für wichtige Bauaufgaben noch strikter mit der Auflage zur Durchführung eines Architektenwettbewerbs zu verknüpfen. Damit könnte eine breitere Basis für die viel zitierte Baukultur geschaffen werden. Neben der Vorbereitung einer Ausstellung über bereits realisierte Wettbewerbsergebnisse der letzten 10 Jahre beraten wir als LWA kontinuierlich potentielle private und öffentliche Auslober. Grundlage sind Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe (GRW), wobei wir uns darum bemühen, auch spezifischen Interessen von Bauherren und Auslobern gerecht zu werden. Von der zeitnahen Einführung einer entschlackten Wettbewerbsordnung erhoffen wir uns ebenfalls Impulse und eine entsprechende Resonanz bei den Auslobern.

Die Podiumsdiskussion „Zukunft der Architektenkammer Thüringen“ befasste sich u.a. mit den Perspektiven der Kammer. Was bedeutet für Sie, abschließend gefragt, zeitgemäße Kammerarbeit?
„Kammer der Zukunft“ oder wie man heute sagen würde „Kammer 2.0“ bedeutet für mich neben der Erfüllung der Pflichtaufgaben, eine effiziente Interessenvertretung (Lobbyarbeit), das Angebot an berufsunterstützenden Dienstleistungen für Mitglieder, die weitere Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit sowie die Möglichkeit, eine Plattform für Netzwerke und Initiativen anzubieten.

Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin AKT

veröffentlicht am 30.06.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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