Was es heißt, den Wandel zu gestalten
Nachlese zum Neujahrsempfang von Architektenkammer Thüringen und Ingenieurkammer Thüringen
2 Bilder vergrößern
„Gewohnte Handlungsmuster sind nur bedingt geeignet, den Wandel aktiv zu gestalten und Verantwortung zu teilen.“ Mit diesen Worten eröffnete der Präsident der Architektenkammer Thüringen Hartmut Strube den Neujahrsempfang 2012. Rund 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur waren am 16. Januar der Einladung der beiden Kammern in den Erfurter Kaisersaal gefolgt. Das Thema Partizipationskultur und die geplante Internationale Bauausstellung (IBA) sollten die Diskussionen bestimmen.
„Verwaltung und Planer müssen frühzeitig mit der Öffentlichkeit im Gespräch sein, um sich über Inhalte und Ziele einer Planung zu verständigen”, betonte Hartmut Strube einführend. Und die IBA Thüringen biete eine gute Möglichkeit für ein neues Selbstverständnis der am Planungsprozess beteiligten Akteure. So müsse sich erstens das Politikverständnis wandeln: weg von einer hierarchischen Steuerung hin zum aktivierenden Staat. Damit verbunden sei zweitens ein verändertes Rollenverständnis des Bürgers: weg vom Bürger als „Untertan“ hin zum Bürger als Partner. Drittens rief Strube die Planer auf, sich mit ihrer Expertise stärker einzumischen. „Visionen“, führte der Präsident aus, „bilden die treibende Kraft für Veränderungen und Erneuerungen, indem sie Denkanstöße vermitteln und Diskussionen eröffnen“. Viertens und letztens konstatierte Strube einen einseitigen Architekturdiskurs in den Medien. Die Medien aber seien unabdingbarer Vermittler und Übersetzer, damit die Öffentlichkeit die Idee und die Absicht, die mit einer Planung verbunden seien, auch verstehe.
Der Präsident beendete seinen Vortrag mit einem Appell: Alle genannten Akteure sollten das Wagnis eingehen, Fehler zu machen, denn ohne Experimente mit dem Risiko des Irrtums werde es keine Weiterentwicklung geben. „Auch in diesem Sinne ist die IBA ein Instrument des Fortschritts mit dem Zwang zur Innovation.“
Daran an knüpfte Christian Carius. Thüringens Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr wies darauf hin, dass die IBA „für Ingenieure und Architekten zur kreativen Herausforderung“ werde, auch führte er aus, dass es nur die Partizipationskultur zulasse, kreative und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln, „die wir benötigen, um den demografischen Wandel und die Energiewende erfolgreich zu gestalten“. Provokant stellte Carius jedoch fest: „Vision ist kein Wert an sich.“
Naturgemäß sehr viel weiter aus holte Prof. Dr. Harald Welzer vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen im Rahmen seiner Festrede. Mit Blick auf eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, dem Klimawandel, beobachtet der Soziologe und Sozialpsychologe einen eklatanten Widerspruch zwischen unserem Wissen und unserem Handeln. Solle sich daran etwas ändern, müsse sich unsere Gesellschaft vom Wunsch des ständigen Wachstums verabschieden und sich die Produktlandschaft infolgedessen entsprechend verändern. Politiker und Planer forderte Welzer auf, „Planungsprozesse quartiersspezifisch zu entwickeln“ und die Betroffenen vor Ort als Ressource zu verstehen, als die „eigentlichen Spezialisten“, die wichtige Impulse einbringen können.
Den Aussagen seines Kollegen Strube schloss sich Prof. Hans-Ulrich Mönnig, Präsident der Ingenieurkammer Thüringen, an. Die kommenden Aufgaben könnten nur mit einer „neuen Sicht auf unsere Gesellschaft“ bewältigt werden. Gerade im Bereich des Planen und Bauens, der auf erhebliche Finanzmittel angewiesen ist, seien funktionierende Netzstrukturen und Bereitschaft zum Wagnis unerlässlich.
Björn Radermacher
Weitere Fotos und die Reden der Präsidenten: www.architekten-thueringen.de/neujahrsempfang/2012/