Das älteste Tor Sachsen-Anhalts zum Harz
Rückblick auf die Fachexkursion nach Aschersleben
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Rund 25 Thüringer Architektinnen, Architekten und Baukunst-Interessierte erkundeten am 17. September 2021 teils mit Bus, teils individuell ankommend die drittgrößte Stadt des Salzlandkreises am Nordost- Rand des Harzes.
Ziel war es, mehr über die im Mittelalter entstandene Stadt und deren Baugeschichte bis hin zur Landesgartenschau und zur Internationalen Bauausstellung (IBA) im Jahr 2010 und darüber hinaus zu erfahren. Nach Exkursionen in die Städte Magdeburg, Halle und Dessau deckte uns Carmen Niebergall von tourenreich – Architektur- und Kunstreisen Mitteldeutschland nun die architektonischen Kleinode der Askanierstadt auf. Unvermittelt sprang Reinhard Fach als Mitarbeiter der Stadt für seine Chefin ein, um die Denkmalschutzbelange bei den bisherigen, aktuellen und geplanten Baumaßnahmen in der Altstadt zu vermitteln.
Aschersleben liegt am Harzfluss Eine, der südöstlich der Stadt in die Wipper fließt. Ascegereslebe wurde erstmals 748 urkundlich erwähnt. Die Stadt basiert heute noch im Wesentlichen auf zwei Stadtteilen, der Bischofsstadt und der Stadt der askanischen Grafen. Erstere wurde auch Stephansstadt genannt, da sie die erste romanische Stephanikirche umfasste. Im 11. Jahrhundert errichteten die Askanier eine Burg, deren Lage heute im Burgplatzbereich vermutet wird. Um die weitgehend intakte Innenstadt existiert eine noch sehr gut erhaltene Stadtmauer. Gut erhaltene und sanierte Häuser spiegeln die Architekturepochen der nachfolgenden Zeiten wider. 2010 war ein sehr bedeutendes Jahr für Aschersleben: Mit der IBA und ihrem Thema „Von außen nach innen – Konzentration auf den Kern“ erfolgte seit 2005 ein Stadtumbau mit Blick auf schrumpfende Städte und deren Zukunft. Die phantasievolle Drive Thru Gallery am Innenstadtring und das Bildungszentrum Bestehornpark entstanden. Dazu ergänzend ermöglichte die Landesgartenschau unter dem Motto „Natur findet Stadt“ abwechslungsreiche, effektvolle Kunstinstallationen und veränderte innerstädtische Parklandschaften. In Verbindung mit der Wirtschaftsförderung und Millionen-Investitionen in den Bildungsstandort erhielt Aschersleben so an
zentralen Punkten eine neue Stadtqualität.
Unser Tag begann bei Novotech, einem innovativen Unternehmen für Produkte aus recycelbaren Materialien mit einer kleinen Schildkröte als Markenzeichen für Umweltbewusstsein, Robustheit und Langlebigkeit. Der Geschäftsführer Holger Sasse ließ uns in seinem Werk einige Cradle-to-Cradle-Ansätze von den Rohmaterialien auf Holzproduktbasis bis hin zu Laborversuchen für Terrassendielen und Fassadenplatten nachvollziehen. Beim Abschied wies er uns auf einige Stellen in der Stadt hin, bei denen Novotech-Produkte zum Einsatz kamen. Beeindruckt verließen wir das Werk und begaben uns in die Stadt. Der Stadtbaurat Hans Heckner sowie das Familienunternehmen H. C. Bestehorn prägten Aschersleben im beginnenden 20. Jahrhundert. Im Bildungszentrum Bestehornpark, in dem Bestehendes durch Modernes vom Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei geschickt ergänzt wurde, lernten wir insbesondere in den Räumen für künstlerische Gestaltung die Ansätze der Pädagogen kennen. Der Zufall machte es möglich, durch die Galerie der Grafikstiftung Neo Rauch hindurch in den angrenzenden Park mit der weißen Villa zu gelangen.
Nachdem wir den Aschersleber Globus von Oliver Störmer im neugestalteten Stadtpark umrundeten, schlenderten wir zum im Rasen installierten Mond von Moritz Götze in der Herrenbreite. Sukzessive näherten wir uns dem historischen Altstadtbereich mit sehr engen Gassen. Dort konnten wir nicht nur sanierte bzw. ergänzte Wohngebäude sehen, sondern auch die gotische Stephanikirche und zwei klassizistische Kolonnadengänge, sogenannte „Scharren“ für Fleischer, die hier
ihre Produkte vom 17. bis zum 19. Jahrhundert verkauften. Einer der Scharren ist direkt an das Gewandhaus angelehnt, ein Gebäude, das im Mittelalter als Gildenhaus der ortsansässigen Tuchmacher diente.
Das Renaissance-Rathaus sowie das Kino im Bauhaus-Stil waren weitere Ziele, bevor uns das einst von Mönchen bewohnte romanische Kulturzentrum Grauer Hof als ältester Profanbau der Stadt für eine Stärkung zur Rückfahrt und einem herzlichen Dankeschön an Carmen Niebergall und Reinhard Fach in Empfang nahm.
Wir sind schon jetzt auf unsere nächste Exkursion im September 2022 in die Lutherstadt Wittenberg und das Gartenreich Wörlitz gespannt. Kolleginnen und Kollegen sind gern willkommen.
Edith Baars, Kathrin Rembe und Pia Wienrich,
Kammergruppe Kyffhäuser Südharz