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"Demografische Entwicklung: Chancen und Grenzen im Stadtumbau"

Grußwort des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus beim Neujahrsempfang der Architektenkammer Thüringen

am 17. Januar 2004 im Erfurter Kaisersaal

Sehr geehrte Architektinnen und Architekten,
sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ihr Präsident hat eben die Entwicklung der Architektur in Thüringen in den letzten Jahren betrachtet. Er hat einen umfangreichen Aufgabenkatalog beschrieben. Aber er hat auch bestätigt, dass viel geleistet wurde, dass eine gute Arbeit getan wurde. Arbeit, die Sie verantwortet haben und die sehr dazu beitragen hat, das Gesicht Thüringens nach innen und nach außen weiterzuentwickeln.

Er hat auch kritische Punkte angesprochen. Punkte, die uns in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder bewegen und zu denen wir Lösungen finden müssen. Wenn wir auf das Jahr 2004 zurückschauen, dann ist das ein sehr durchwachsenes Jahr: Die Situation in der Bauindustrie, im Bauhandwerk und damit natürlich auch bei den Architekten könnte besser sein. Dennoch kann jeder sehen, dass sich im letzten Jahr fortgesetzt hat, was sich seit der Wiedervereinigung - Gott sei Dank - in unserem Freistaat entwickelt hat: Eine wunderbare, neu ausgestaltete Architektur, die sich weit über Thüringen hinaus großer Anerkennung rühmen darf.

An vielen Orten haben wir, im Kaisersaal wird das besonders deutlich, die historische Bausubstanz retten können. Wir haben - auch dank Ihrer Hilfe - unseren Städten und Gemeinden ihr historisches Gesicht wiedergegeben.

Die Architektur, die Landschaftsplanung und der Städtebau prägen unser Land. Sie machen Thüringen lebenswert, verleihen ihm Lebensqualität und Charme. Ich danke Ihnen, den Architekten und Ingenieuren, dass Sie mit Ihrer Kreativität und Ihrem großen Engagement dazu beigetragen haben, dass Thüringen heute so gut vorangekommen ist.

Wir knüpfen in Thüringen auch in der Architektur wieder an alte Traditionen an: Mit dem diesjährigen Kalender der Thüringer Staatskanzlei weisen wir übrigens darauf hin - zu sehen ist eine Auswahl von Bauhaus-Gebäuden und -Möbeln in Thüringen. So zeigen wir, welche architektonischen Leistungen wir hier im Freistaat aufweisen können.

Ich bin dankbar, dass wir heute wieder mit vielen neuen Projekten, die zum Teil regional durch die Gemeinden, durch die Städte, aber auch privatinitiativ angeregt werden, wichtige Beiträge zu dieser Baugeschichte und Baukultur leisten können und leisten dürfen.

Die positiven Leistungen unserer Baukultur werden jedoch überschattet von einer weniger erfreulichen Entwicklung: Wir haben in Thüringen und Deutschland insgesamt eine schwierige wirtschaftliche Situation. Seit über drei Jahren, das wissen wir alle aus den Statistiken, müssen wir mit Steuermindereinnahmen rechnen. Alleine im Freistaat Thüringen stehen uns 2,3 Milliarden Euro weniger zur Verfügung als geplant. Das heißt: 2,3 Milliarden Euro weniger für mögliche Investitionen und damit auch an Gestaltungsmöglichkeiten.

Wir haben über längere Zeit in Deutschland diskutiert, ob sich diese Entwicklung nur kurzfristig ergibt, ob sich möglicherweise schon im Jahr 2002 wieder eine positive Steuerentwicklung herausstellt. Selbst die Experten haben im Jahr 2001 nicht von einer mittel- oder gar längerfristigen Entwicklung gesprochen. Sie sprachen von kurzfristigen Einnahmeausfällen aufgrund der Steuerreform.

Inzwischen wissen wir: Es ist nicht nur ein kurzfristiger Effekt. Das System stimmt nicht. Und wenn wir nicht das System ändern, dann wird sich in Deutschland keine positive Tendenz beim Steueraufkommen einstellen. Für Länder wie für Kommunen ergibt sich daraus: Wir müssen uns auf diese Situation einstellen.

Wir sind genauso wie alle anderen Länder und wie die Kommunen abhängig von der Steuerverteilung in Deutschland. Der Länderfinanzausgleich verteilt das Steueraufkommen für alle Länder und macht im übrigen die kleinen Vorteile oder Nachteile, die man sich politisch erworben hat, in einem Nivellierungsverfahren gleich. Jetzt fallen mangels Einnahmen auch die letzten Gestaltungsspielräume weg.

Wir haben in den vergangenen drei Jahren versucht, die Kommunen soweit wie möglich von den Folgen dieser Entwicklung zu verschonen - auch wenn sie eigene Steuermindereinnahmen verkraften mussten. Die Landesregierung hat aber nicht die Mindereinnahmen des Freistaates Thüringen an die Kommunen durchgereicht.

Leider kommen wir mit dieser Entwicklung nicht mehr weiter. Deshalb müssen nun alle Haushaltspositionen des Freistaates Thüringen auf Sparpotentiale überprüft werden, nicht nur die, die investive Wirkung haben - Ich nenne zum Beispiel die Budgets des Verkehrsministers und des Wirtschaftsministers. Auch alle anderen Etatposten stehen auf der Prüfliste. 2,3 Milliarden Euro, das ist eine erhebliche Summe, das ist eine so große Summe, dass wir gezwungen sind, einige Weichen grundsätzlich neu zu stellen.

Diese Weichen müssten wir jedoch auch dann neu stellen, wenn der Haushalt nicht in dieser Zwangslage wäre. Die Überalterung unserer Gesellschaft ist heute nicht mehr von der Hand zu weisen und wirkt sich bereits auf die praktische Politik aus. Sie hat im übrigen auch Konsequenzen für Ihre Arbeit. Und ich bin dankbar, dass viele Architekten und Planer in den letzen Jahren noch stärker darauf Wert gelegt haben, zum Beispiel beim Stadtumbau und bei der Dorferneuerung. Es ist wichtig, die demografische Entwicklung in den städtebaulichen und architektonischen Planungen zu berücksichtigen und bereits heute darauf zu achten, auch baulich die Generationen miteinander zu verbinden.

Wir brauchen eine Architektur, in der Familienfreundlichkeit groß geschrieben wird und in der sich auch die Senioren mitten in der Gesellschaft behütet fühlen. Das stellt neue Anforderungen an Sie, das stellt neue Anforderungen an die Gesellschaft: Wir sind da in Thüringen keine Ausnahme. Es ist nicht nur eine Entwicklung in Deutschland, sondern eine Entwicklung, die sich auch europäisch fortsetzt.

Familienfreundlichkeit allein reicht nicht aus, um Thüringen zukunftsfest zu machen. Wir haben nach 14, 15 Jahren Aufbau Ost einen Verwaltungsapparat, der überprüft werden muss. Das ist genauso, wie zum Beispiel in einem Architektenbüro, das die internen Abläufe und Verfahren ständig überprüfen und neu justieren muss, um auf dem Markt dauerhaft bestehen zu können.

In der Verwaltung geht es darum, die Bürgernähe zu stärken. Es geht darum, sparsam zu arbeiten, die Effizienz zu erhöhen und mit knappen Ressourcen sorgsam umzugehen. Es geht auch darum, die Flexibilität zu verbessern. Die geplante Behördenstrukturreform in Thüringen zielt genau darauf ab: Bürgernähe, Effizienz und Flexibilität zu steigern und Kosten zu senken. Das ist keine Notentscheidung wegen der prekären Haushaltssituation, sondern eine notwendige Reform nach 14 Jahren Verwaltungsausbau in Thüringen. Wir wollen durch sinnvolle Veränderungen - das heißt auch durch Personalabbau – den Staat schlanker und agiler machen.

Wir stehen heute in einer Wettbewerbssituation, die wegen der erweiterten Europäischen Union ganz neue Anforderungen an uns stellt. Sie haben davon gesprochen, welche Herausforderungen mit Blick auf die Osterweiterung zu bewältigen sind. Gleiches gilt für alle Zweige der Wirtschaft und natürlich auch für die Politik.

Der Staat macht vielen Menschen in Deutschland immer noch vor, er habe große Handlungsmöglichkeiten, er habe die Mittel in der Hand, um sich selbst - den Bund, die Länder und die Kommunen - so zu verändern, dass sich alles zum Guten wendet. Diese Selbstüberschätzung des Staates ist eines der großen Probleme der aktuellen politischen Diskussion.

Der Grundauftrag des Staates ist: Ein demokratisches Miteinander ermöglichen, die Rechte des Einzelnen zu wahren und den Menschen ermöglichen, ihre Talente zu entfalten und zu nutzen. Der Staat kann keine Arbeitsplätze per Gesetz verordnen. Er kann gute Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Unternehmen erfolgreich wirtschaften und neue Mitarbeiter einstellen. Genau das ist die Aufgabe. Das gilt für Thüringen und für Deutschland.

Deshalb bin ich Ihnen auch für die kritischen Anmerkungen dankbar. Weil sie deutlich machen: So kann es nicht weiter gehen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war Ende letzten Jahres zu lesen, dass über die Hälfte der deutschen Länder einen verfassungswidrigen Haushalt in die Landtage eingebracht haben. Und dass auch 2005 erneut in fünf Ländern verfassungswidrige Haushalte eingebracht werden.

Verfassungswidrigkeit bedeutet hier: Die Neuverschuldung liegt höher als die Ausgaben für Investitionen. Das heißt, wir haben zum Beispiel in Hessen, in Niedersachsen und vielen anderen Stellen genau die gleiche Problemlage wie in Thüringen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir wieder mehr Freiräume für die notwendigen Investitionen bekommen, die Sie zu Recht angesprochen haben.

Wir wollen diese Freiräume zurückgewinnen. Deshalb haben wir Veränderungen vorbereitet und beraten sie derzeit in den politischen Gremien. Das ist keine einfache Diskussion. Einfacher ist es, Schulden zu machen. Weil sie kurzfristig die Not lindern und weil sie auf Kosten der Zukunft gemacht werden. Aber uns muss auch klar sein: Mittel- und langfristig würde diese Vorgehensweise die Kräfte des Staates noch mehr lähmen und damit die Chancen für Gestaltung noch mehr verringern.

In Thüringen haben wir bereits viel erreicht. Im letzten Jahr war das Wachstum der Industrie beispielgebend für Deutschland - über 7 Prozent und 2 Prozent Beschäftigungszuwachs. Wir erleben auch Ansiedlungserfolge, die sich deutschlandweit und international herumsprechen: Ich nenne zum Beispiel das Investitionsvorhaben von Rolls Royce und Lufthansa.

Auf der anderen Seite haben wir in der Bauwirtschaft eine schwere Krise. Der seit Jahren sich vollziehende Abbau von Überkapazitäten ist schmerzlich und politisch so nicht gewollt. Nach den hohen Wachstumsraten in den ersten Jahren der Wiedervereinigung hätte man dafür sorgen müssen, dass sich dieser Wandel viel langsamer gestaltet. Wir hätten erreichen müssen, dass das Ende des Baubooms noch stärker durch andere Branchen, wie Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen abgefedert wird. Für die Bauwirtschaft hätten sich gleichzeitig neue Perspektiven für die Zukunft eröffnet.

Das ist so nicht gestaltet worden. Wir müssen deshalb die Konsequenzen ziehen, um unsere Vorkehrungen in Thüringen zu treffen. Wir werden – so hoffe ich - trotz einer sehr großen Neuverschuldung von fast einer Milliarde Euro und einer globalen Minderausgabe von über 170 Millionen Euro die Weichen dafür stellen, um auch in den nächsten Jahren investieren zu können.

Die Sparmaßnahmen sind notwendig - das weiß ich und das weiß jeder andere, der politische Verantwortung trägt. Aber man muss auch sagen, dass wir das Geld, das wir bisher bereit gestellt haben an der richtigen Stelle eingesetzt haben. Wenn Sie durch Thüringer Kommunen fahren und sie mit anderen in Deutschland vergleichen, dann werden Sie bei dem, was sie sehen, sagen müssen: Wir sind beispielgebend vorangekommen. Ob man eine große Stadt wie Erfurt nimmt oder eine kleine Stadt wie Leinefelde, die 2004 den europäischen Städtebaupreis bekommen hat: Überall ist es gelungen, oft unter schwierigen Bedingungen, alte Gebäude zu restaurieren, historische Fassaden wieder herzustellen - und gleichzeitig Neues entstehen zu lassen. Der Bevölkerungsrückgang und der Strukturwandel konnten so eine Stück weit bewältigt werden.

Dieser Prozess wird weitergehen. Der Stadtumbau Ost, die Stadtentwicklung und Dorferneuerung sind hierbei wichtige Themen. Da geht es nicht nur um Rückbau, sondern da geht es auch um Revitalisierung von Räumen und Regionen, damit sich die Menschen wohlfühlen.

Ich meine: Man sollte das, was geschafft wurde, auch wertschätzen. Da ist sehr viel Geld investiert wurden, sehr viel Kraft hinein gebracht worden und sehr viel Engagement - auch von den Architekten. Dafür meinen ganz herzlichen Dank!

Dennoch bleibt die zentrale Frage: Wie können wir angesichts der angespannten Haushaltslage öffentliche Investitionen auch weiterhin finanzieren? Wir brauchen neue Ideen, wie man stärker privates Geld für den öffentlichen Bau einsetzen kann. Das ist kein einfaches Thema, denn auch da muss die öffentliche Hand, ob Kommune oder Land, darauf schauen, dass uns nicht kurzfristige Erfolge langfristig teuer zu stehen kommen.

Public Private Partnership ist ein Stichwort. Wir haben im Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr eine entsprechende Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Möglichkeiten für Thüringen zu erörtern. Ich bin dankbar, dass Sie mitarbeiten: Professor Dr. Alfen von der Bauhaus Universität bringt dort seine Sachkenntnisse ein.

Wir wollen öffentliches Engagement genauso wie das private Engagement. Und wir wollen, dass genau dadurch manche Sanierungen und Veränderungen schneller auf den Weg kommen. Aber diese Arbeit muss auch inhaltlich korrekt vorbereitet sein, damit sie reiche Früchte trägt. Das betrifft sowohl die Geldgeber als auch die ausführenden Bau-Unternehmen.

Es ist richtig, dass Sie Ihre Interessen sehr deutlich artikulieren. Wir sind offen für die Argumente der Architektenkammer und diskussionsbereit. Es ist wichtig, dass Sie auch mit Blick auf das Jahr 2005 deutlich machen, wo wichtige rechtliche Weiterentwicklungen notwendig sind und wo wir eng zusammenarbeiten müssen.

Wir werden uns diesem konstruktiven Dialog auch in Zukunft nicht verschließen. Ich glaube, Thüringen hat mit der Bauindustrie, mit der Bauwirtschaft, mit dem Bauhandwerk, aber auch ganz besonders mit dem, was von Architekten geplant wird, nicht nur eine reiche Tradition, sondern auch eine vielversprechende Zukunft. Mit Thüringen verbindet man deutschlandweit und zum Teil auch in Europa und in der Welt einen ganz wichtigen Impuls auf diesem Gebiet. Das wird zum Beispiel durch die vielen Tätigkeiten der Bauhaus-Universität deutlich.

Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mit Ihrer Arbeit an die große Architektur-Tradition in Thüringen anknüpfen. Wir wollen auch in Zukunft diese Traditionen bewahren und gleichzeitig Neues schaffen. Dazu müssen wir den Blick über die Landesgrenzen hinaus richten, wir müssen die Chancen nutzen, dies sich uns in Europa bieten.

Thüringen schlägt eine Brücke nach Europa. Es bietet sich an, nach Partnern in den anderen Mitgliedsstaaten zu suchen - übrigens auch für Architekten. Denn Partnerschaften, die heute aufgebaut werden, können durch arbeitsteilige Prozesse mittel- und langfristig auch Arbeitsplätze in Thüringen sichern und sogar neue Beschäftigung schaffen. Ich bin sehr dankbar, dass die Architektenkammer entsprechende Hilfestellung gibt. Auch die Landesregierung tut das ihrige: Ich werde auch 2005 auf meinen Auslandsreisen Kontakte für eine engere Zusammenarbeit knüpfen.

Die Welt rückt zusammen - das macht eine stärkere Kooperation auf allen Ebenen notwendig. Denn so entstehen Synergien, die wir nutzen können. Sie haben die Mitteldeutschland-Initiative angesprochen. Ich bin ihnen dankbar, dass Sie konkret in den mitteldeutschen Ländern zusammenarbeiten.

Denn es ist klar: Thüringen hat - Gott sei Dank - keine abgeschotteten Grenzen, sondern ist mit den Nachbarregionen eng verflochten. Diese Verflechtungsräume sind auch ganz klar ausgewiesen, ob in Ost-, Süd-, West- oder in Nordthüringen. Dafür brauchen wir kein Gesetz: Es sind die Menschen, die diese Verflechtungsräume mit Leben erfüllen. Wer in Sonneberg lebt, wird gleichzeitig auch die Möglichkeiten von Neustadt oder dem nordbayerischen Coburg nutzen, wenn es ihm sinnvoll erscheint. Das gilt für alle Regionen in Thüringen. Deshalb sind diese Verflechtungsräume auch politisch und wirtschaftlich von großer Bedeutung. Mit der Mitteldeutschland-Initiative stärken wir diese Verflechtung und fördern die Entwicklung der grenznahen Regionen.

Wir haben in Mitteldeutschland einige Stärken, die wir miteinander verbinden können. Wenn man sich den Bereich der Wissenschaft, der Forschung und der Technologie anschaut, ist - glaube ich - der universitäre Verbund, in Ilmenau beginnend, über Erfurt, Weimar und Jena bis nach Leipzig und Halle und Dresden ganz entscheidend. Denn fest steht: Man kann als Verbund besondere Stärken noch deutlicher nach außen darstellen.

In der Thüringer Wirtschaft ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit selbstverständlich. Beispiel Automobilindustrie: Hier wird über Thüringen hinaus gedacht und in andere Regionen geliefert, etwa an das künftige BMW-Werk in Leipzig oder an die Werke von VW. Auch in anderen Industriebereichen können Sie diese Entwicklung sehen.

Dieses Engagement der Unternehmen ist vorbildlich, aber das allein wird noch nicht reichen, um unser großes Ziel zu erreichen: Mehr Wachstum und Beschäftigung. Wir müssen in Deutschland unsere Rahmenbedingungen verändern, um wieder einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung zu bekommen. Von selbst wird die sich abwärtsdrehende Einnahmespirale des Bundes und der Länder nicht stoppen. Nein, wir müssen aktiv etwas tun, um das Wachstum positiv zu fördern.

Wir erreichen das nicht, wenn die Prognosen von 1,7 Prozent Wachstum in diesem Jahr sprechen. 1,7 Prozent ist eine stattliche Wachstumszahl, wird aber keinen neuen Arbeitsplatz schaffen. In einem wohlstandsorientierten Land, das ein festes Sozialstaatsgefüge hat, reichen 1,7 Prozent Wachstum nicht, um Arbeit zu sichern und schon gar nicht, um neue zu schaffen.

Dass wir im Januar fast 4,5 Millionen Arbeitslose haben, dass wir zum vierten Mal in Folge den Stabilitätspakt brechen, dass die Einnahmesituation katastrophal ist - das wissen wir schon seit Jahren. Deshalb plädiere ich auch dafür, dass wir nicht nur Einsparungen vornehmen, sondern dass wir auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ändern.

Alle europäischen Regionen, die in den letzten Jahren hart gearbeitet haben, sehen heute positive Entwicklungen. Wenn sie in unsere Partnerregion Kleinpolen fahren und mit den Unternehmern reden, dann werden Sie hören, dass seit dem 1. Mai letzten Jahres eine noch stärkere Entwicklung in dieser Region eingesetzt hat: über 8 Prozent Wirtschaftswachstum. Wenn Sie in die baltischen Staaten fahren, werden Sie das genauso erfahren.

Wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen, wenn wir die notwendigen Investitionen auch in Zukunft gewährleisten wollen, dann werden wir das nicht per Gesetz erreichen. Dass Gesetze für den Sozialstaat wichtig sind, steht außer Frage. Aber wir werden den Sozialstaat nur sichern können, wenn wir die Rahmenbedingungen der Wirtschaft verbessern.

Ich glaube, wir haben dazu die Kraft und wir haben dazu die Möglichkeiten. Aber wir müssen sie auch nutzen. Je länger wir warten, desto mehr Zeit geht verloren. Und Zeit ist im Wettbewerb eine ganz wichtige Dimension, wie Sie alle gut genug wissen. Man muss schnell sein, aber man muss auch solide sein, um erfolgreich zu sein.

Leider sind die Möglichkeiten der Landesregierung begrenzt. Ein Land wie der Freistaat Thüringen kann nicht im Alleingang an den wichtigen Stellschrauben im Bund drehen. Wir sind abhängig von der gesamtdeutschen Entwicklung.

Mein Fazit lautet daher: Eigene Kräfte bündeln, eigene Kräfte mobilisieren, sich nicht müde machen lassen oder pessimistisch werden, sondern deutlich zeigen, dass wir in den letzten 14 Jahren in Thüringen gut vorangekommen sind. Und dass wir in diesem Jahr, in einer finanzpolitisch schwierigen Zeit dennoch Notwendiges möglich machen - zum Beispiel mit Fördermitteln, die über die Thüringer Aufbaubank auch für Sie nutzbar werden.



veröffentlicht am 09.02.2005 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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