STADTUMBAU OST - Wir sind erst am Anfang
Interview mit Herrn Prof. Dr. Max Welch Guerra, Bauhaus-Universität Weimar
Diese Meinung vertritt und begründet der international renommierte Wissenschaftler Prof. Dr. Max Welch Guerra, Bauhaus-Universität Weimar
Was ist beim hiesigen Stadtumbau gelungen, was nicht?
Positiv ist, dass die bundesrepublikanische Gesellschaft sich mittlerweile offen mit dem Schrumpfen beschäftigt und dass es ein Feld der Städtebauförderung gibt, um den Stadtumbau zu steuern. Wir sind in dieser Beziehung weiter als die anderen europäischen Länder, die ähnliche Probleme haben, wie etwa Polen. Aber kann man daher von einer Erfolgstory sprechen? Wir sind doch erst am Anfang des Stadtumbaus! Mit dem Abriss von Wohnungen ist es nicht getan, die notwendige innerstädtische Aufwertung im Rahmen des Stadtumbaus ist bislang vor allem ein schönes Programm. Die Einbeziehung der technischen Infrastruktur ist noch völlig unzureichend, ja, wir sind dabei, die stadttechnischen Nebenkosten für Unternehmen und die "2. Miete" der privaten Haushalte durch grobe Fahrlässigkeit stark zu erhöhen.
Wie stehen Sie zu den noch vorhandenen Plattenbau-Wohnkomplexen - sind die Ihrer Meinung nach besser als ihr Ruf?
Das ist die Heimat von Millionen von Menschen in Ostdeutschland. Keinen Moment darf vergessen werden, dass die Wohnung eines der verfassungsmäßig am meisten zu schützenden Güter ist. Also muss man sich sehr genau überlegen, was man damit tut oder lässt. Natürlich geht es nicht ohne Abriss. Aber dabei dürfen eben nicht nur Wohnungsbau und wohnungswirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen. Auch beim Stadtumbau gilt, was bei der Stadterneuerung zur Selbstverständlichkeit wurde: Da müssen die Betroffenen angemessen informiert, angehört und beteiligt werden.
Können die Macher des Stadtumbaus etwas dafür tun, damit mehr Kinder geboren werden?
Die Ursachen für die niedrige Geburtenrate sind sehr komplex, mit Städtebauförderung und Architektur können wir da nur wenig beeinflussen. Aber was möglich ist, sollten wir ins Spiel bringen. Innerstädtische Stadtteile schrecken Haushalte mit Kindern oft ab, herkömmliche Wohnungsgrundrisse sind zumeist aus der Perspektive der Erwachsenen konzipiert. Blockinnenbereiche und Wohnungen, die besser geeignet sind für spielende Kinder, könnten junge Leute ermuntern, Kinder zu bekommen.
Halten Sie unter solchen Umständen das Regelwerk, nach dem die Architekten in Deutschland arbeiten, für noch zeitgemäß?
Ich denke, dass sich die Aufgaben für die Architekten geändert haben bzw. ändern müssen. Dazu bedarf es Änderungen auch schon in der Ausbildung. An der Bauhaus-Universität reagieren wir mit dem neuen Masterstudiengang „Stadt Umbau Wohnen“ darauf, indem wir das Bauen im Bestand stärker zum Thema machen, die Bedeutung des so genannten unterirdischen Städtebaus und der Siedlungsstruktur betonen, die veränderte Nachfrage und den veränderten Bedarf durch die zurückgehende und ältere Bevölkerung beleuchten.
Architekten wie Thüringens Kammer-Präsident wollen das Planungsrecht beschleunigen. Sie auch?
Ich bin da sehr vorsichtig, denn es gibt Institutionen und Parteien, die sich in diesem Bereich mit populistischen Parolen letzten Endes über legitime ökologische und soziale Belange hinwegsetzen wollen. Der Schutz der Landschaft, die Behutsamkeit gegenüber Denkmälern, die ausreichende Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung stärken unsere Städte, auch wenn dadurch manches Bauvorhaben verzögert oder gar verhindert wird. Man sollte sehr aufpassen, dass man bei der "Entrümpelung" übertriebener Vorschriften nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet.
(Die Fragen stellte unser Mitarbeiter Ekkehard Tanzer)