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Warum Architekten in die Schule gehen

Ein Interview mit Dr. Hannes Hubrich, Vizepräsident der Architektenkammer Thüringen

Herr Dr. Hubrich, als Vizepräsident der Architektenkammer Thüringen engagieren Sie sich sehr stark für das Thema „Architektur und Schule“. Warum ist dieses Thema für die Architektenkammer von Belang? Welche Erfolge konnte die Initiative in den letzten Jahren erzielen?

Ein gewichtiger Teil unserer Aktivitäten ist auf eine möglichst effektive Öffentlichkeitsarbeit gerichtet. Wir möchten die Menschen für unsere Arbeit interessieren, ihnen die Augen öffnen für die Qualitäten ihrer baulichen Umwelt, für die Schönheit historischer Bauten und gleichwohl für die ästhetische Kraft moderner Architektur. Dass dies möglich ist, kann man am alljährlichen „tag der architektouren“ erleben.

Wir wollen potentielle Bauherren, Investoren und Entscheidungsträger überzeugen, dass das Bauen mit Architekten - wie unser neuestes Faltblatt betont - ein Bauen ohne Risiko ist. Die Öffentlichkeit muss deutlicher erkennen, dass bauliche und gestalterische Qualität maßgeblich durch die Professionalität von Architekten, Innenarchitekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten bestimmt wird.
Ich bin sicher, dass diese Erkenntnis nicht durch mehr Zeitungsartikel wächst, sondern nachhaltiger im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert werden muss. Das ist der Grund unseres Engagements für das Thema „Architektur und Schule“.

Kindern die Bedeutung der Architektur für ihr tägliches Leben zu erklären, sie zu befähigen deren formale, funktionelle und technische Qualitäten zu erkennen und später als Bedürfnis zu formulieren, ist eine sinnvolle Investition in die Zukunft, auch die unseres Berufsstands.
Viele Architekten tragen mittlerweile diese Initiative, siehe DAB 12/2007. Wir haben in Lehrern und Schulen interessierte Partner gefunden, gestalten den Kooperationsvertrag mit dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) und der Appell unserer Vertreterversammlung, von einer Reduzierung des Kunstunterrichts an Gymnasien abzusehen, fand im Kultusministerium eine positive Resonanz.

Zweimal, 2004 und 2007, haben wir in Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar und dem ThILLM Symposien zum Thema veranstaltet. Das nächste wird im Mai 2009 erneut in Weimar und wieder mit internationalen Gästen stattfinden. Von Seiten der Lehrer angeregt, wird sich die Veranstaltung thematisch auf das Bauhaus und seine Gründung in Weimar 1919 beziehen.

Architektur und Schule ist auch ein Thema des UIA-Weltkongresses Ende Juni in Turin. Gibt es Modelle der Architekturvermittlung in anderen Ländern, von denen wir lernen könnten?

Das internationale Spektrum an entsprechenden Aktivitäten ist außerordentlich breit. Es reicht von spektakulären Einzelaktionen oder Projekttagen bis zu einem kontinuierlichen Unterricht in speziellen Architekturkursen. Gemeinsam ist den meisten Beispielen, dass die Annäherung an die Architektur eher spielerisch erfolgt und nicht auf eine Ausbildung „kleiner Architekten“ orientiert. Vielmehr überwiegt einerseits die Vermittlung von Informationen über Raum, Form, Funktion und soziale Zusammenhänge der Architektur, die bewirkt, dass man Bescheid weiß, mitreden kann und am demokratischen Prozess der Entscheidung über Bauvorhaben als kundiger Bürger teilhaben kann. Diese Art der Architekturvermittlung könnte neben dem Kunstunterricht auch in den neu geplanten Schulfächern wie „Mensch - Natur - Technik“ ihren Platz finden.
Die zweite Komponente zielt eher auf eine praktische Auseinandersetzung mit der Architektur, bei der sinnliche Erfahrungen mit Raum, Farbe, Licht und Material gesammelt werden können und anhand von Zeichnungen, räumlichen Modellen oder Bauaktionen Vorstellungskraft und Kreativität geschult werden. Auch hier steht die allgemeine Befähigung zur sinnlichen Wahrnehmung, zur Ideenfindung und kreativen Umsetzung im Vordergrund und nicht die Vorbereitung oder Simulation der Architektentätigkeit.

Architekturvermittlung wird in staatlichen wie in privaten Schulen betrieben, mitunter in spezialisierten Architekturschulen für Kinder und Jugendliche, die Nachmittagskurse und besondere Sommer- und Ferien­kurse anbieten.

Die inhaltlichen Angebote sind bei einigen Beispielen in Finnland, Frankreich, Österreich oder Schottland ausnehmend gut. Erfahrungen für unsere Aktivitäten bieten sich hier reichlich. Interessant ist dies besonders mit Sicht auf ergänzende Programme für Ganztagsschulen.

Der UIA-Weltkongress Turin 2008 steht unter dem Motto „Transmitting Architecture“. Unsere Initiative, Architektur an Kinder zu vermitteln, trifft dieses Thema direkt. Als Co-Director des Work Programmes „Architecture and Children“ der UIA bin ich verantwortlich an der Vorbereitung eines Forums der Arbeitsgruppe beteiligt und hoffe auf interessante Beiträge, nützliche Anregungen und reges Interesse für unser Symposium 2009 in Thüringen.

In der Diskussion um die Novellierung des Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetzes hat sich die Architektenkammer sehr stark für die Festschreibung der mindestens vierjährigen Regelstudienzeit für alle Fachrichtungen ausgesprochen. Gleichzeitig wurden Bedenken formuliert, den Bachelorabschluss dem Ingenieurabschluss gleichzustellen. Wie beurteilen Sie die Berufschancen der Bachelorabsolventen?

Der ganze Vorgang nach Verkündung der Bologna-Beschlüsse zur Schaffung eines einheitlichen Hochschulraums in den Staaten der EU verlief unglücklich. Das vernünftige Ansinnen, Studienzeiten anzugleichen und gleiche Bildungsniveaus für den Wechsel des Studienortes, bei Teilstudien, Abschlüssen und anderem zu schaffen, traf auf unterschiedliche Ausgangsbedingungen, bestehende EU-Richtlinien und überdies die Absicht, die Regelstudienzeiten für bestimmte Studiengänge zu kürzen. Damit war meines Erachtens der Prozess überfordert. Die Hochschulen versuchten nun, über verschiedene Modelle ihren Auftrag zur Einführung eines zweistufigen Systems mit Bachelor- und Masterabschlüssen zu erfüllen und bemühen sich nach wie vor um ein gutes Ausbildungsniveau. Der Weltverband der Architekten (UIA) mit 110 Mit­glieds­sektionen bestimmte nachdrücklich eine fünfjährige Studienzeit und eine zweijährige Berufspraxis als Standard für den komplexen Beruf des Architekten.

Das Gesetz ist nun verabschiedet. Die in der Neujahrsansprache des Präsidenten genannten Widersprüche bestehen fort und wir werden uns mit der Bauhaus-Universität und der Fachhochschule Erfurt eingehend über die Situation beraten. Ein Orakeln über die Berufschancen eines Bachelors nach sechssemestriger Ausbildung werde ich an dieser Stelle unterlassen. Die Position der Hochschulen ist bis heute auch hier eindeutig. Dennoch werden wir dieses Problem seriös beraten. Eine Empfehlung allerdings kann ich ruhigen Gewissens geben: Bildung hat sich (fast) immer ausgezahlt. Ein Masterstudiengang dauert bei Erfüllung der Zugangsvoraussetzung zwei Jahre. Also mit einem guten Bachelorabschluss die Voraussetzung erfüllen und den Masterabschluss mit zehn Semestern Gesamtstudienzeit erreichen.

Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin

veröffentlicht am 02.03.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit, Architektur und Schule

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