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Anerkennung von Berufsqualifikationen

Bericht aus Brüssel

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (KOM/2002/119 endgültig) – Letzter Stand der Beratungen im EP und im Rat

Zur Sitzung des EP-Ausschusses für Recht und Binnenmarkt am 27./28.11. hat der Berichterstatter MdEP Zappala (Forza Italia, EVP) nun ein schriftliches Dokument vorgelegt. In diesem stellt er den Vorschlag der Kommission als Arbeitsgrundlage in Frage und schlägt u.a. vor, zwischen intellektuellen und gewerblich-handwerklichen Berufen zu unterscheiden, über eine Definition der freien Berufe zu diskutieren, die sektoralen RLen beizubehalten (als solche oder als Teile einer Rahmenrichtlinie) sowie sogar neue (z.B. für Ingenieure) zu schaffen.
MdEP Lehne (CDU, EVP) hielt im Rechtsausschuss ebenfalls ein vehementes Plädoyer für die sektoralen RLen, inkl. der beratenden Ausschüsse und regte eine frühzeitige informelle Kooperation mit dem Rat an, u.a. da die Vorstellungen von Teilen des EP von denen der Kommission soweit abwichen, dass dies mit Änderungsanträgen allein kaum zu beheben sei. In diesem Zusammenhang wurde gar eine Rückverweisung an die Kommission diskutiert. Der Ausschussvorsitzende Gargani (Forza Italia, EVP) gab jedoch zu bedenken, dass dies wohl einen Präzedenzfall darstellen würde. Lehne sowie sein Fraktionskollege Harbour (Tory, UK, EVP) kritisierten die vorhandenen Unstimmigkeiten im Zappala-Dokument sowie Diskrepanzen zwischen schriftlicher und mündlicher Darstellung. Bei anderer Gelegenheit rückte jedoch auch Herr Zappala von der Forderung nach Rückverweisung an die Kommission wieder ab.
MdEP Lehne hatte einige Tage vor der Sitzung mit seinem Ausschusskollegen Dr. Würmeling (CSU, EVP) in Berlin ein Expertengespräch bei der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ausgerichtet. Seine Argumente speisten sich nicht zuletzt aus den Eindrücken und Kritikpunkten, die er bei diesem Expertengespräch, an dem Herr Lottes für BAK und BIngK teilgenommen hat, von den deutschen Kammern und Verbänden (auch die Bayer. AK, der VfA und der BfB waren vertreten) nochmals eingehend geschildert bekam.

Für die sozialistische Fraktion unterstrich schattenberichterstatterin Frau Gebhardt (SPD) bei der Rechtsausschussitzung, dass sie nach wie vor den Vorschlag der Kommission als Arbeitsgrundlage ansehe. Bei einer vom BfB organisierten Veranstaltung mit ihr und Herrn Zappala am 03.12. nannte Sie die Leitlinien Ihrer Fraktion: Es werde kleine Verschlechterung für die Bürger hingenommen. Man wolle eine hohes Maß an Qualität und Verbraucherschutz. So spricht sich die SPE-Fraktion gegen die 16-Wochen-Frist ohne Kontrollmöglichkeit aus. Sie werde hier einen Änderungsantrag einbringen, falls Herr Zappala dies nicht tue. Nach Ihrer persönlichen Meinung reiche ferner ein einziger Komitologieausschuss nicht aus.

Die drei mitberatenden EP-Ausschüsse für Bildung und Kultur, für Beschäftigung und Soziales sowie für Umwelt und Verbraucherschutz haben in der Zwischenzeit Ihre Berichte abgestimmt. Diese sind auf Anfrage beim Verbindungsbüro erhältlich.

1. Der Verbraucherausschuss (Berichterstatter John Bowis, Tory, UK, EVP) favorisiert eine komplette Ablehnung des Vorschlags, hat sich aber trotzdem für das Einbringen von Änderungsanträgen als zweitbester Lösung entschieden. Diese sehen u.a. Folgendes vor:
- Komitologieausschüsse gem. Art. 54 (Forderung ACE und sektorale Berufe)
- angemessener Konsultationsmechanismus für Berufsstände (Forderung ACE und sektorale Berufe als zweitbeste Alternative)
- Anforderungen an Ausbildungsinhalte (11 Punkte der RL 85/384) sollen durch Mitentscheidung (EP+Rat) und nicht durch Komitologie geändert werden, also in der Konsequenz aus dem Annex in den RL-Text (Forderung ACE und sektorale Berufe).
- Gesundheitsberufe (inkl. Apotheker) sollen von 16 Wochen-Regelung ausgenommen werden und ungefähr nach den Regeln der sektoralen RLen in diesem Punkt behandelt werden.
Insgesamt hat der ACE mit seiner Arbeit und seinen Änderungsvorschlägen diesen Bericht nicht unwesentlich positiv beeinflusst. Leider hat der Ausschuss jedoch auch den ACE-Vorschlag für die Heraufsetzung der Mindeststudienzeit auf 5 übernommen. Es sei hier aber nochmals unterstrichen, dass dies wohl am deutschen Veto im Rat als „ultima ratio“ scheitern würde.

2. Der Bildungsausschuss (Berichterstatterin Barbara O’Toole, Labour, UK, SPE) unterstreicht die Notwendigkeit der Kooperation zwischen den Generaldirektionen MARKT und EAC (Education and Culture) der Kommission, spricht sich für eine angemessene Beteiligung der Berufsstände aus und hält die 16-Wochen-Regelung für eine Restriktion des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs, wirft aber auch die Frage der Kontrolle auf. So wird die Einfügung einer Mitteilungspflicht zwischen den Kontaktstellen in Art. 7 vorgeschlagen. Der bemerkenswerteste Vorschlag dieses Berichts liegt jedoch in der Aufnahme eines 6. Qualifikationsniveaus in Art. 11 des Vorschlags (Mindeststudiendauer: 5 J.). Dies wurde bereits bei der Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses im Sommer diskutiet. Art. 11 ist direkt nur auf die allgemeine Regelung, also auf Ingenieure, Innen- und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplaner anwendbar. Auch für deutsche Hochbauarchitekten wäre dies jedoch äusserst unschön, da dies den anderen Mitgliedstaaten und ACE-Mitgliedstaaten ein weiteres (gesetzessystematisches) Argument gegen die nur 4-jährige Mindeststudiendauer für Architekten liefern würde. Dieser Vorschlag dürfte allerdings wenig Chancen auf Übernahme in den Bericht des Rechtsausschussses haben.

3. Auch der Sozialausschuss (Berichterstatterin Gabriele Stauner, CSU, EVP) unterstreicht die Notwendigkeit, die Regeln über die Einbeziehung der Berufsstände weiter zu diskutieren, um deren Anliegen zu berücksichtigen und die Informations- und Kontrollpflichten zwischen den betroffenen Stellen (zuständige Behörden, Kontaktstelle) auszuweiten. Ausserdem wird vorgeschlagen, den Mitgliedstaaten ein weitergehendes Beobachtungsrecht der Tätigkeiten von „Gemeinsamen Plattformen“ (allgemeine Regelung) einzuräumen.

Weiteres Prozedere im EP: Vorlage eines Berichtes (inkl. Änderungsanträgen) durch MdEP Zappala Ende Januar. Die Abstimmung im Rechtsausschuss darüber könnte am 19.02.2003 stattfinden.

Auch seitens des Rates wurden die Arbeitsgruppensitzungen fortgeführt.
Der Widerstand gegen den Wegfall von Kontrollmöglichkeiten der zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates scheint sich zu konsolidieren. Zum Thema „Gremienausgestaltung“ ist das Meinungsbild nach Aussage des BMWA noch uneinheitlicher. Es wiederholte seinen Widerstand gegen eine Quasi-Rechtsetzungsbefugnis durch „Gemeinsame Plattformen“. In der Frage „Komitologie oder beratende Ausschüsse“ ist wohl noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Hier sollten die Länder noch einmal motiviert werden, in Berlin für die Anliegen der Kammern und Berufstände zu streiten.
Erfreulicherweise hat die Bundesregierung auf Initiative der BAK Unterstützung in der Ratsgruppe gegen einen niederländischen Vorschlag gesammelt, der die Aufweichung des Berufsprofils im Architekten-Kapitel vorsieht. So sollten Formulierungen wie „[die Ausbildung/ die Tätigkeit] des Architekten“ durch den Wortlaut „auf dem Gebiete der Architektur“ ersetzt werden. Dies scheint nach Aussage des BMWA jetzt vom Tisch zu sein.
Unter griechischer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2003 ist wegen der gegen Griechenland auf dem Gebiete der Anerkennung von Berufsqualifikationen laufenden Vertragsverletzungsverfahren damit zu rechnen, dass die Sitzungen der Arbeitsgruppe an Dynamik verlieren werden, da dem Vorsitz an Fortschritten in diesem Bereich nicht unbedingt gelegen ist.

Bewertung: Erfreuliche Entwicklung, im EP vor allem auf Seiten der EVP und im Verbraucherausschuss. Jedoch werden Zappalas Vorschläge sicher nicht komplett verwirklicht werden. Man steht im Rechtsausschuss erst am Anfang der inhaltlichen Arbeit. Vor allem bleibt die Frage zu vertiefen, auf welche Weise das sektorale Element stärkere Berücksichtigung finden kann. Hier ist das Meinungsbild bisher alles andere als einheitlich. Das Prinzip ist noch zwischen EVP- und SPE-Fraktion umstritten. Der Erhalt der Architektenrichtlinie als solche ist nach wie vor eher unwahrscheinlich.

Zappala unterstützt den Vorschlag für eine neue sektorale Richtlinie für Ingenieure. Der „Consiglio Nazionale degli Ingegneri“ (Nationaler Ingenieursrat Italiens) hat vorgeschlagen, ein neues sektorales Kapitel für Ingenieure in den Kommissionsvorschlag einzufügen und sich dabei redaktionell massgeblich auf das Kapitel über Architekten gestützt. Leider diskreditiert sich dieser Vorschlag nicht nur durch politisch unkluge Polemik gegen die Kommission, sondern auch durch inhaltliche Missverständnisse und unpräzise Terminologie. Die Forderung eines sektoralen Kapitels für Ingenieure ist verständlich, wird von der Kommission aber kaum unterstützt werden, da sie sich nach jahrelangen vergeblichen Verhandlungen entschlossen hatte, die Ingenieure in der allgemeinen Hochschuldiplom-RL unterzubringen. Der Grund war nicht zuletzt die Tatsache, dass das Berufsbild einfach um ein vielfaches weiter und heterogener ist als das des Anwalts, des Arztes oder des Architekten.

Der Rat ist inhaltlich weiter gediehen als das EP, doch sind seine Arbeiten wegen der fehlenden Öffentlichkeit schwerer einzuschätzen und zu beeinflussen.
Der Zeitplan zieht sich immer mehr in die Länge. Dennoch steht das sektorale System jetzt sehr viel besser dar als zum Zeitpunkt der Vorlage des Vorschlages. Zappalas Dokument wird inhaltlich insgesamt den Anforderungen dieser komplexen Materie (noch) nicht gerecht. Erfreulich jedoch sein Vorschlag, die intellektuellen Dienstleistungen anders zu behandeln und eine Definition der Freien Berufe zu verankern. Die Sensibilität für diese Themen scheint bei einigen MdEP zu steigen. Bei Letzterem ist der BfB besonders engagiert.


veröffentlicht am 18.02.2003 von Susann Weber · Rubrik(en): EU-Recht, News, Berufspraxis

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