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Bauwirtschaft am Rande der Selbstauflösung

Positionspapier der AKT

Politik verschanzt sich hinter dem Schrumpfungsprozess

Maßnahmen, die aus Sicht der Architektenkammer Thüringen zur Belebung der Bauwirtschaft notwendig sind:

  • Wirtschaftliche Situation der Bauwirtschaft und der Architekten in Thüringen
  • Konjunktur- und Strukturdaten

Erfurt: Im Rahmen der Vorstandssitzung der BAK am 20. August in Berlin hat Präsident Hartmut Strube vor dem Gremium der Präsidenten und Geschäftsführer der Länderkammern und der BAK zur wirtschaftlichen Situation in der Bauwirtschaft Thüringens referiert. Anlaß ist die besorgniserregende, ungebremste konjunkturelle Talfahrt bei den Unternehmen und Dienstleistenden. Leider wurde eine Diskussion im Rahmen des Vorstandes nicht geführt. Die Situation scheint wohl in den einzelnen Bundesländern verschieden gewichtet zu sein und die Einschätzung der BAK geht von einer konjunkturellen Belebung in der Bauwirtschaft im Jahr 2002 aus. Eine Annahme, welche wir in Thüringen nicht teilen können und die für uns auch nicht nachvollziehbar erscheint. Aus den Ergebnissen der Umfragen der Architektenkammer im Jahr 2001 wird deutlich, dass sich das Baugewerbe und ihre Dienstleistenden in Thüringen nach wie vor in einem Stimmungstief befinden. Angesichts der weiterhin massiv bemängelten Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft - wie schwierige Kassenlage der öffentlichen Auftraggeber, rückläufige Ausgaben in Sachinvestitionen, intensive Konkurrenz auf den Thüringer Baustellen, Preisdumping, Schwarzarbeit und die schlechte Zahlungsmoral - ist ein Ende der Krise in der Baubranche nicht in Sicht.

Baugewerbe


Seit 1995 werden erhebliche Rückgänge im Umsatz und in der Anzahl der Beschäftigten hingenommen. Allein bei den Zuwendungen für Investitionen seitens Bund/Land für den kommunalen Bereich ist ein Rückgang von 25% bei den Einnahmen und 47 % bei den kommunalen Ausgaben für Sachinvestitionen in Thüringen zu verzeichnen.
Der Anteil des Baugewerbes an der Bruttowertschöpfung liegt in Thüringen bei rund 10%, im Vergleich dazu in den alten Bundesländern bei 4,5 %. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt in Thüringen erst bei 65% des gesamtdeutschen Niveaus. Das Wachstum in Thüringen ist derzeit aber zu schwach, um weiter zu den alten Ländern aufzuschließen. Allein das regionale Konjunkturgefälle in den neuen Ländern hat sich verringert. Bei der gesamtwirtschaftlichen Produktivität - gemessen als reales Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen - liegt Thüringen mit DM 71.500 DM an letzter Stelle in Ostdeutschland (bundesweit DM 104.000). Das sind knapp 70% der gesamtdeutschen Produktivität.
Die Konkurse im Bauhauptgewerbe steigerten sich in 2001 gegenüber 2000 im ersten Halbjahr um 19%. Die rückläufige Zahl der Bauanträge sowie der sinkende Auftragsbestand lassen das Ende der Rezension in der Bauwirtschaft nicht absehen. Die Architektenkammer Thüringen schätzt ein, dass erst nach der Haushaltskonsolidierung öffentlicher Auftraggeber und der steigenden Nachfrage in Industrie, Handwerk und Gewerbe ab dem Jahr 2005 mit einer Trendwende zu rechnen ist.
Insgesamt bleibt einzuschätzen, dass die Entwicklung der Bautätigkeit in den alten und neuen Bundesländern weiterhin fundamental unterschiedlich verläuft. Insgesamt blieben die Bauinvestitionen in den alten Ländern seit Beginn der neunziger Jahre unter vergleichsweise moderaten Schwankungen auf einem beachtlich hohen Niveau. Nach dem Schwächeanfall in 2000 und 2001 dürfte es im nächsten Jahr wieder deutlich aufwärts gehen. Demgegenüber hat sich in den neuen Bundesländern der seit 1996 anhaltende Schrumpfungsprozess der Bauinvestitionen im vorigen Jahr fortgesetzt und wird noch weiter schrumpfen (jährlich rund -10%).

Infrastruktur


Ein Gesundschrumpfen der ostdeutschen Bauwirtschaft, wie oftmals politisch gefordert, missachtet den baulichen, infrastrukturellen Nachholebedarf in Thüringen. Gemäß einer Studie des Deutschen Institutes für Urbanistik liegt der Investitionsbedarf der Kommunen pro Kopf mit 27.000 DM mehr als doppelt so hoch wie der in den alten Bundesländern (DM 13.900 pro Kopf).
Insgesamt ergibt sich ein Bedarf an kommunalen Investitionen für die neuen Länder in Höhe von 413 Milliarden DM (31% des Gesamtbedarfes) bis zum Jahr 2009. Der Anteil für den Ersatz und die Modernisierung vorhandener kommunaler Infrastruktur beträgt dabei im Osten 72 %, als Folge der jahrzehntelangen Vernachlässigung des Bestandes. Dies hat natürlich Folgen in der Lebensqualität und in der wirtschaftlichen Attraktivität der neuen Länder. Hierzu sind Bund-Länder-Programme für den investiven Bereich in den Kommunen dringend notwendig.

Kommunale Auftraggeber


Die Infrastrukturausstattung wird erst im Jahr 2005 zu 70% das westdeutsche Niveau ausmachen. Thüringens Kommunen haben bundesweit die niedrigsten Steuereinnahmen, im Vergleich dazu ist in den alten Ländern das Pro-Kopf-Steueraufkommen 2,5fach höher. Thüringens Kommunen verfügen nur über ein eigenes steuerliches Aufkommen in Höhe von 40 % zu den kommunalen Gesamteinnahmen. Allein bei der Gewerbesteuerkraft sind es nur 40% zum Westniveau. Wir sehen besonders große Rückstände in den Bereichen der wirtschaftsnahen Infrastruktur, bei den Schulen und Hochschulen sowie bei der Sanierung und Modernisierung der Innenstädte.

Wohnungsleerstand


Das Sonder-Afa-Programm Anfang der neunziger Jahre hat der Modernisierung und Instandsetzung des Bestandes und beim Neubau überproportional geholfen, aber es sind immer noch mehr als die Hälfte des Wohnungsbestandes unsaniert oder nur teilsaniert. Das betrifft auch den Bestand an Plattenbauten in Thüringen. In unserem Bundesland sind gegenwärtig 110.000 Wohnungen leerstehend, davon 70.000 Wohnungen dauerhaft. Mit dem bisher landeseigenen Wohnraumstabilisierungsprogramm können jährlich bis zu 5000 Wohnungen vom Markt genommen werden. Demgegenüber werden aber durch die demografische Entwicklung in Thüringen ebenso viele Wohnungen jährlich wieder frei. Der Freistaat verliert bis zu 25% seiner Einwohner. Hauptursachen sind der Geburtenrückgang und die Wanderungsbewegungen in andere Bundesländer. Der Altersdurchschnitt wird in Thüringen bald zu mehr als 30% von den über 60jährigen bestimmt.

Stadtumbau Ost


Das angekündigte Stadtumbauprogramm Ost ist bisher ein Scheckbuch mit Unbekannten. Allein das Jahr 2002 ist gesichert! Der Bund will in 2002-2009 rund 2,2 Milliarden DM investieren, dazu sind Kofinanzierungsmittel in gleicher Höhe in den Landeshaushalten einzustellen. Das wäre ein Volumen von vier Milliarden DM bis zum Jahr 2009. Diese Mittel sind zum einen laufende Finanzierungszusagen aus der Gemeinschaftsaufgabe Ost, dem Solidarpakt II sowie Umschichtungen der Mittel zu bestehenden Förderprogrammen des Bundesbauministeriums. Positiv daran ist, dass sich die Bundesregierung zu den Problemen des Wohnungsleerstandes, zur Wiederbelebung der Innenstädte, zur Stadt-Land-Flucht-Problematik und der demografischen Situation in den neuen Ländern bekannt hat. Aber die Ko-Finanzierung der Bundesmittel in den Ländern geht zu mindestens in 2002 zu Lasten laufender Programme. Das bedeutet ein Umschichten der geplanten Mittel und Städtebauförderprogramme in Thüringen und gefährdet somit die Planungssicherheit für die Kommunen und Wohnungsunternehmen. Aber das Stadtumbauprogramm Ost ist unterfinanziert, legt man den tatsächlichen Bedarf an Finanzierungsmitteln für den Rückbau und die Wiederherstellung der Flächen zu Grunde. Auch das KfW-Darlehensprogramm für die Wohnungsgesellschaften ist mit seinen Zinssätzen wenig lukrativ und wird wohl eine ebensolche Null-Nummer werden, wie das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen der Bundesregierung. Obwohl die Fakten auf dem Tisch liegen, will die Bundesregierung es nicht wahrhaben, dass Lippenbekenntnisse und Schmal-Hans-Wundertüten nicht der richtige Weg sind, um die Probleme im Osten mit dem Wohnungsleerstand finanziell wirksam lösen zu helfen. Das Stadtumbauprogramm Ost wird nur dann helfen, wenn auch im gleichen Atemzug das Altenschuldenhilfegesetz in den Erblastentilgungsfonds der Bundesrepublik aufgeht. Die Last der Altschulden kann nicht auf die Länder und Kommunen abgewälzt werden und der Bund bedient nur die Banken, die Gewinner auch dieses Teiles der Deutschen Einheit. Positiv ist weiterhin das Zuschussprogramm für Selbstnutzer von Altbauwohnungen über 70 qm. Neben der Eigenheimzulage kann ein Zuschuss von bis zu DM 30.000 gewährt werden. Bedingung ist, dass die Wohnungen im innerstädtischen Bereich oder im Sanierungsgebiet liegen muss. Auch die Anhebung der Investitionszulage für Modernisierungen von 15 % auf 22 %, bis max. DM 2.400/qm ist hilfreich. Aber der Traum vom Eigenheim wird trotzdem weiterhin gelebt werden und den Bedarf dominieren.
Eine Konjunkturlokomotive wird das Stadtumbauprogramm Ost nicht!

Michael Beier, Geschäftsführer

Forderungen der Architektenkammer Thüringen


  • Stärkung der privaten Finanzierung öffentlicher Aufträge, Privatisierungskonzept für öffentlicher Infrastrukturprobleme
  • Eine deckungsseitige Aufstockung der Mittel im Städtebauförderprogramm Bund/ Länder
  • Erweiterung des privatwirtschaftlichen Ansatzes für Bau & Betreibung von öffentlichen Bauten
  • Wirtschaftlichkeitsnachweise bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an kommunale- oder Landesgesellschaften, Einhaltung des Subzidarität- sprinzips
  • Förderung des Exportes und des Marketings für technische Dienstleister
  • Steuerliche Förderung der Umsetzung von Energieeinsparmaßnahmen laut ENEV beim Gebäudebestand
  • Neustrukturierung der HOAI entsprechend den Anforderungen des Marktes des 21. Jahrhunderts
  • Abschaffung der Vergabe-ABM-Maßnahmen im Baubereich
  • Stärkung des ersten Arbeitsmarktes durch Bürgschaften, Darlehensprogrammen
  • Stärkere Regionalisierung der Eigentumsförderung, Subjektförderung, Pauschalisierung der Mittel des Bundes für die Länder in der Wohnungsbauförderung und Ausreichung nach Fördergrundsätzen der Länder, weniger Einfluß des Bundes bei den Förderprogrammen und Maßnahmen, Beachtung des Förderalismus in Deutschland
  • Ausschluss des Prinzips des Billigsten und des Teuersten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach der VOB - oder - Einführung einer Bankbürgschaft für die Preisdifferenz zwischen dem Erst- und Zweitplatzierten gegenüber dem Auftraggeber
  • Transparenz der VOF-Verhandlungsverfahren durch Beteiligung der Kammern
  • Qualifizierung der Architekten durch Pflicht zur Fortbildung und dem Nachweis von mindestens 32 Stunden im Jahr gegenüber den Architektenkammern
  • Fortführung einer steuerlichen Abschreibung für Denkmale und Erweiterung der steuerlichen Regelungen auf den Bestand in Innenstädten, Kerngebieten, Sanierungsgebieten bei Sanierung und Modernisierungen im selbstgenutzten Eigentum
  • Ein Bau-Konjunkturprogramm aus Mitteln Bund/Länder für Sachinvestitionen im kommunalen Bereich

veröffentlicht am 24.09.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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