Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

EuGH: Soziale VOF-Vergabekriterien zulässig

Bericht aus Brüssel

Europäischer Gerichtshof: Zulässigkeit nicht rein wirtschaftlicher Vergabekriterien im öffentlichen Auftragswesen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im September 2002 im Fall Concordia Bus Finland (Rechtssache C-513/99, http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexapi!prod!CELEXnumdoc&lg=DE&numdoc=61999J0513&model=guichett ) entschieden, daß der Auftraggeber im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge auch Vergabekriterien, die nicht von wirtschaftlicher Art sind, zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots heranziehen darf. Voraussetzung für eine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht ist jedoch, daß diese Kriterien mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen, dem Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen, ausdrücklich im Leistungsverzeichnis oder in der Auftragsbekanntmachung genannt sind und alle wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot, beachten.
Solche Kriterien dürfen grundsätzlich selbst dann im Rahmen der Vergabeentscheidung berücksichtigt werden, wenn sie nur von einem der bietenden Unternehmen erfüllt werden können.
Der konkrete Fall betraf die Ausschreibung des innerstädtischen Stadtverkehrs in Helsinki, wobei unter anderem auch das Umweltkonzept als wesentliches Zuschlagskriterium herangezogen worden war.
Der EuGH stellt unter Bezugnahme auf sein Urteil SIAC Construction (Rechtssache C-19/00) und auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift fest, daß die in Artikel 36 Abs. 1 a der Richtlinie 92/50 aufgezählten Vergabekriterien hinsichtlich der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht abschließend sind. Gemäß Artikel 36 Abs. 1 a der Richtlinie 92/50 kann der Auftraggeber verschiedene auftragsbezogene Kriterien, zum Beispiel Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit der Leistung, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt, Ausführungszeitraum oder -frist und Preis, heranziehen.
Laut EuGH darf o.g. Artikel nicht dahin ausgelegt werden, daß jedes Vergabekriterium notwendigerweise rein wirtschaftlicher Art sein muß, da nicht auszuschließen sei, daß sich auch nicht rein wirtschaftliche Faktoren auf den Wert eines Angebots auswirken können. Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund interessant, dass um die Zulässigkeit von Umwelt- und Sozialkriterien bei der Überarbeitung der EU-Vorschriften zum Öffentlichen Auftragswesen zur Zeit heftig gestritten wird (s.o.).


veröffentlicht am 18.02.2003 von Susann Weber · Rubrik(en): EU-Recht, News, Berufspraxis

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken