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Mich freut das gestiegene Interesse unserer Studierenden an der Kammer

Sechs Fragen an Prof. Dr.-Ing. Reinhold Zemke

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Prof. Dr.-Ing. Reinhold Zemke, Bild: privat

Am 16. Juni 2018 wählten die Vertreterinnen und Vertreter der Architektenkammer Thüringen Prof. Dr.-Ing. Reinhold Zemke in den Kammer-Vorstand; rund ein Jahr später wurde der Stadtplaner zum Dekan der Fakultät Architektur und Stadtplanung an der Fachhochschule Erfurt gewählt. Im Interview spricht er über Erfolge und aktuelle Entwicklungen an der FH, seine Rolle im Vorstand der Architektenkammer sowie über die Zusammenarbeit von Hochschule und Berufsstandsvertretung.

Herr Prof. Zemke, das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat im ZEIT-Studienführer 2019/2020 die aktuellen Ergebnisse seines Hochschulrankings veröffentlicht. In der Fachrichtung Architektur gehört die FH Erfurt in nahezu allen Kriterien zur Spitzengruppe, zum Beispiel wird die Studienorganisation mit 1,7, die Betreuung der Studierenden durch Lehrende mit 1,7 oder das Angebot an Exkursionen mit 1,3 bewertet. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für das erneut sehr gute Ergebnis?
Reinhold Zemke: Dass unsere Fachrichtung Architektur nach 2013/14, 2015/16 und 2016/17 auch 2019/20 wiederholt einen Spitzenplatz belegt hat, freut alle Beteiligten und mich natürlich sehr. Die Ursachen dürften vielfältig sein und bestehen aus meiner Perspektive in der Hauptsache in dem außergewöhnlichen didaktischen Konzept, welches gleichermaßen ausgeprägte Praxis- und wissenschaftlich-künstlerische Bezüge aufweist, sowie in der sehr guten Betreuung der Studierenden durch ein Team hochmotivierter Kolleginnen und Kollegen. Spezifika wie die einmal im Semester stattfindende Kompaktwoche, in der die Studierenden aller Semester in kurzer Zeit gemeinsam spannende Entwürfe auf den Punkt bringen, sowie die studienbegleitende Ausbildung „Zertifizierte/r Passivhausplaner/in“ machen das Architekturstudium weit über die Grenzen Thüringens hinaus hoch attraktiv. Nicht zuletzt dürften auch die gelebte Interdisziplinarität unserer Fakultät und hervorragende Ausstattung unseres Fakultätsgebäudes in der Schlüterstraße ihren Anteil am durchgängig positiven Rankingergebnis haben.

Anlässlich der Zeugnisübergaben in der Fachrichtung Architektur im Juli 2019 sprach Ihr Vorgänger als Dekan Prof. Philipp Krebs über die Weiterentwicklung der Fachrichtung Architektur und stellte Neuheiten im Masterstudiengang vor. Was ändert sich konkret?
Die Basis des Lehrkonzepts im MA-Studiengang beruht nicht mehr wie im BA-Studiengang auf einem Stundenplan, sondern die Studierenden stellen sich ihr Studium à la carte aus Projektangeboten, Wahlpflichtmodulen und Wahlmodulen selbstständig zusammen. Damit werden Schwerpunktsetzung und thematische Differenzierung nach der Interessenlage der Studierenden mit zunehmendem Studienverlauf möglich. Gleichzeitig bilden die Wahlpflichtfächer das fachliche und methodische Fundament für die wissenschaftliche Qualifizierung. Das eigenverantwortliche und durch Selbstorganisation des Arbeits- und Prozessablaufes gekennzeichnete Studium führt die Studierenden zudem zum Kompetenzerwerb in den Bereichen des Zeitmanagements sowie der Prozesssteuerung und Arbeitsplanung. Mit realen Projektaufgaben und spannenden Design-Build-Projekten bereiten wir die Studierenden optimal auf eine komplexe und sich stetig weiterentwickelnde Berufswirklichkeit vor.

Auch die vergleichsweise junge Fachrichtung Stadt- und Raumplanung, die seit 2008 Planerinnen und Planer ausbildet, erfreut sich großer Beliebtheit und zeichnet sich durch eine stabile Nachfrage auf sehr hohem Niveau aus. Parallel zur Architektur-Ausbildung haben Sie auch hier insbesondere den erfolgreichen Masterstudiengang grundlegend umgebaut. Welche Neuerungen werden Sie hier genau einführen?
Die Fachrichtung Stadt- und Raumplanung hat wie die Architektur auch die vergleichsweise ruhige Zeit mit hohen Bewerberzahlen zum strategischen Nachdenken darüber genutzt, wie man eine gute Ausbildung noch besser machen kann. Im Ergebnis haben wir hier den Praxisbezug durch die Einführung eines Pflichtpraktikums im dritten Master-Semester nochmals gestärkt, der Projektarbeit ein noch größeres Gewicht gegeben und nicht zuletzt auch dem Wunsch der Studierenden nach vermehrten Wahl- und Schwerpunktsetzungen entsprochen.

Sie wurden im letzten Jahr von der Vertreterversammlung der Architektenkammer Thüringen neu in den Vorstand gewählt. Welche Hoffnungen und Wünsche verbinden Sie mit der Vorstandstätigkeit?
Als „der Stadtplaner“ im Vorstand bearbeite ich seitdem die Themen der Raumentwicklung, die für den Freistaat besonders relevant sind, allen voran Fragen der ländlichen Entwicklung mit dem Schwerpunkt Wohnen. Wir diskutieren im Vorstand aber auch darüber, wie Arbeitsplätze und Arbeitskräfte generiert werden können und wie Thüringen für Investoren und Menschen, die möglichst bleiben sollen, zurückkommen oder sich hier neu ansiedeln, attraktiver werden kann und tragen diese Gedanken in unsere öffentlichen Veranstaltungen. Das bei all dem ein besonderer Schwerpunkt auf der Innenentwicklung der bestehenden Orte liegen muss, ist fachlich zwar unbestritten, aber planungspolitisch vor Ort nicht immer leicht umsetzbar. Gemeint sind hier zum Beispiel die früher selbstverständliche Nutzungsmischung (Hof als Arbeits- und Wohnort) und gezielte Funktionsüberlagerungen, die Etablierung
anderer Wohnformen (selbständiges Wohnen im Alter, WGs für verwitwete Männer oder Frauen, gemeinschaftliche Wohnformen, die erste eigene kleine Wohnung) und eine ortstypische Gestaltung öffentlicher Räume. Zu all diesen Themen leistet auch unser Ausschuss für Stadt-, Landschafts- und Umweltplanung eine besonders engagierte Arbeit, die beispielsweise in differenzierte Stellungnahmen zu unseren Regionalplänen mündet. Durch meinen kleinen Beitrag hoffe ich natürlich, positive Impulse für die Landesentwicklung auf allen Ebenen zu setzen und die Bedingungen für das Bauen zu verbessern.

Den Berufsstand plagen aktuell wieder Nachwuchssorgen. Wie wird diesem Umstand an der FH Erfurt Rechnung getragen?
Die FH Erfurt allein wird weder für die Architektur noch die Stadt- und Raumplanung den jetzt schon deutlich spürbaren Fachkräftemangel merklich mindern können, obwohl wir unsere Aufnahmezahlen im vergangenen Jahr deutlich erhöht haben. Es sei daran erinnert, dass die Architektur- und Planerausbildung an zwei Standorten – in Weimar und Erfurt – in einem vergleichsweise kleinen Bundesland in der Vergangenheit trotz unterschiedlicher Ausrichtungen auch durchaus kritisch beurteilt wurde. Heute und bis auf weiteres kann man sich über dieses erfolgreiche „Zwei-Säulen-Modell“ nur freuen. Nach meiner Einschätzung wird sich dieser Fachkräftemangel mindestens für die nächsten zehn Jahre noch deutlich verschärfen, weil in dieser Zeit die so genannten geburtenstarken Jahrgänge – also die Kolleginnen und Kollegen in meinem Alter – verstärkt den Ruhestand erreichen werden.

Die Zusammenarbeit von Architektenkammer Thüringen und FH Erfurt wurde in den letzten Jahren intensiviert: Neben den Aktivitäten im Rahmen der Graduierungsfeiern zählen dazu auch feste Termine im Vorlesungskalender, zu denen sich die Architektenkammer Thüringen vorstellt, sowie die Unterstützung der Reihen „BDA-Architekturforum Thüringen“ und „Wir müssen reden“. Was ist darüber hinaus angedacht oder denkbar?
Wer etwas intensiviert und damit die Latte höher legt, muss zunächst dafür sorgen, dass er diese auch auf Dauer überspringen kann – das werden wir tun und die bestehenden Formate weiter bespielen! Bei einer Fakultäts-Produktion von rund 120 Abschlussarbeiten in den Bachelor- und rund 60 Abschlussarbeiten in den beiden Master-Studiengängen sollten wir darüber nachdenken, wie wir diese einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen. Was mich außerdem besonders freut, ist das gestiegene Interesse unserer Studierenden an der Kammer und ihren Angeboten und Leistungen.

Vielen Dank.

Interview: Björn Radermacher

veröffentlicht am 22.03.2020 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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