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Öffentliches Bauen im Bestand

Bildungsstätte der Thüringer Steuerverwaltung: Musterbauvorhaben des Freistaates Thüringen - erstmalig kostengarantiertes Bauen

Die Revitalisierung von Altstadtbereichen durch die Sanierung historischer und denkmalwürdiger Bausubstanz ist bereits seit geraumer Zeit wesentlicher Bestandteil der planerischen Überlegungen des Freistaates. Die Gesamtanlage der Bildungsstätte der Thüringer Steuerverwaltung in Gotha mit den Häusern I - IV ist ein seit 1992 in Abschnitten realisiertes Beispiel dafür. Das zuletzt sanierte Haus I stellte hierbei den dritten Bauabschnitt dar.
Der Ursprungsbau war ein repräsentatives, neoklassizistisches Versicherungsgebäude des Architekten Ludwig Bohnstedt aus dem Jahre 1874. Über die Zeiten wurde die Baulichkeit vergrößert, umgebaut, durch Bombentreffer hälftig niedergelegt, wieder aufgebaut, überbaut, wiederum umgebaut und nun sollte es in ein den zeitgemäßen Ansprüchen genügendes Verwaltungs- und Seminargebäude umgenutzt werden.
Die Variantenuntersuchungs- und Planungsphase zum Bauvorhaben war entsprechend lang. Durch die sich verändernde wirtschaftliche Gesamtsituation stand fest: der Freistaat will und muss sparen, der Kostenrahmen gegenüber bereits realisierten Vergleichsobjekten muss gesenkt werden. Die Beteiligten einigten sich auf die Planungsvorgabe, mit einem relativ niedrigen Budget dennoch einen hochqualitativen Umbau zu realisieren.
Der erste Teil des Mustervorhabens wurde auf der Grundlage einer umfangreichen Haushaltsunterlage Bau festgezurrt: hohe funktionelle, technische und ästhetische Qualität „zum keinen Preis“.
Der zweite Teil des Musterbauvorhabens betraf unmittelbar die Planer. Eindeutig und unmissverständlich wurde seitens des Bauherren dargestellt, dass zukünftig in noch stärkerem Maße als bisher die Gesamtheit von Qualitäts-, Kosten- und Zeitmanagement für Bauvorhaben in die Beurteilung von Architektur- und Planungsbüros einfließen wird.
Auf der Grundlage dieser Aufgabenstellung wurde die Planung und Ausschreibung so gegliedert, dass ein abschnittweises Vorgehen im Bestandsbau möglich war. Das heißt, dass auf die tatsächlichen Rohbausituation in der Ausschreibung von Ausbaubereichen noch reagiert werden konnte. Dies geschah in engster Abstimmung mit Bauherrn und Nutzer - und natürlich immer unter genauester Einhaltung der geltenden Rechtsnormen im öffentlichen Bau. Viele Probleme konnten in der Planungsphase vor Beginn der Arbeiten erkannt und gelöst werden. Eine Unzahl nicht geahnter Situationen ergaben sich jedoch in der Bauphase. Eine hoch genaue und ständig aktualisierte Kosten-, Termin- und Maßnahmekontrolle, das enge Miteinander aller Planungsbüros und ein detaillierter Informationsfluss - oft täglich - zum Bauherren und zum Nutzer ermöglichten sehr schnelle, unbürokratische und verbindliche Lösungen vor Ort. Grundlage dafür war immer der tagaktuelle Kenntnisstand - wo liegen wir mit den Kosten, wo liegen wir mit der Zeit.
In diesem sehr engen Miteinander aller Verantwortlichen war es letztendlich möglich, die Qualität, den Kostenrahmen und den eng gesteckten Terminplan einzuhalten und teilweise erheblich zu unterbieten. Das zur Verfügung stehende Budget wurde mit rund einer Million DM unterschritten, das Bauvorhaben zwei Monate vorfristig fertiggestellt.
Die Gesamtqualität des Bauvorhabens wurde in keinem Punkt geschmälert. Die Einsparungen resultierten in erster Linie aus gemeinsamen erarbeiteten Problemlösungen.
Das Bauvorhaben muss mit einigem Abstand betrachtet als ausgesprochen schwierig und hoch arbeitsintensiv für unser Büro gesehen werden. Da es schwer war, hat es aber auch Spaß gemacht, gerade wenn wir die Fülle der gelösten Probleme im Nachhinein betrachten.

Stefan Nitschke

veröffentlicht am 16.09.2002 von Susann Weber · Rubrik(en): News

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