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Rede Prof. Dr. Gerd Zimmermann: „Forum Ländlicher Raum“ der Stiftung Baukultur

Grüne Tage Thüringen, Erfurt, 15.-17. 09. 06, Zukunft für den ländlichen Raum

Meine sehr verehrten Damen und Herrn,
zunächst danke ich Ihnen herzlich für die Einladung und stelle dann fest, dass ich hier gewissermaßen doppelt bin, als Rektor der Universität und Präsident der Stiftung. Selbstverständlich ist für die Bauhaus-Universität der ländliche Raum ein Lehr- und Forschungsfeld, doch davon soll jetzt nicht die Rede sein, vielmehr von dem Forum Ländlicher Raum in der Stiftung Baukultur.

Kurz ein Wort zur Stiftung Baukultur. Diese Stiftung, die wir vor vier Jahren in Thüringen gegründet haben, ist bislang die einzige ihrer Art in Deutschland. Ihr Ziel ist es, Bauen als Kulturfaktor im öffentlichen Bewußtsein zu verankern. Der Begriff Bauen, für uns ist er interdisziplinär und deckt ein weites Feld, von der Architektur über den Ingenieurbau bis zur Landschaftsarchitektur.

Obwohl manche das Land nur noch als zukünftig entleerten Raum wahrnehmen wollen, hat die Stiftung Baukultur Dorf und Land als Siedlungsraum zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Wir wollen die Probleme der Abwanderung und der Überalterung, welche bestimmte ländliche Räume stark trifft, keineswegs verniedlichen. Selbstverständlich sehen wir uns einem tief greifenden Strukturwandel des ländlichen Raumes gegenüber. Umso mehr Anlass haben wir daher, uns diesen Fragen zu widmen. Und dies ist lohnend, hat doch Thüringen eine wunderschöne Landschaft und herrliche Dörfer.

60% der Thüringer leben auf dem Lande, was eine fast unglaubliche Zahl ist. Der Freistaat als Flächenstaat ist in hohem Maße ländlich geprägt. Die Kleinstädte, die Mittelzentren, sie sind in eine ländliche, agrarische und forstwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaft eingebettet.

Mit den Schulen der Dorferneuerung hat die Stiftung Baukultur seit 2003 in 132 Gemeinden, welche Förderschwerpunkte der Dorferneuerung sind, Informations- und Motivationsveranstaltungen zur Bildung von Dorferneuerungsbeiräten, von Aktionsplänen der Bürger zur eigenen Beteiligung am Prozess der Dorferneuerung durchgeführt.

Dies geschah in Zwei-Tages-Seminaren, die überwiegend an Wochenenden außerhalb der Gemeinden in 4 Schulungszentren stattfanden. Es gab eine Stärken- und Schwächen-Analyse der Gemeinde, die Erarbeitung einer Zielstellung für die Dorferneuerung und die Fortschreibung des Entwurfes des Dorf-Entwicklungsplanes, gemeinsam mit dem Bügermeister und Planungsexperten, das alles eingebunden in das Gemeinschaftsleben des Dorfes und mit Blick auf die Region. Für viele Teilnehmer unvergessene Stunden im Zinzendorfhaus Neudietendorf, im Schloß Goldacker in Weberstedt oder im Hotel am Wald in Elgersburg....

Diese Schulen der Dorferneuerung liegen über ein Jahr zurück, denn die Anerkennung neuer Förderschwerpunkte musste wegen der hohen finanziellen Last, immerhin 419 Gemeinden, aber auch für eine inhaltliche Neuorientierung und Konzentrierung für zwei Jahre ausgesetzt werden. Wichtig ist bei der Neubestimmung der Inhalte, die ja auch in den Händen einer interministeriellen Arbeitsgruppe liegt, meines Erachtens zweierlei: erstens, dass die Zukunftsbedeutung des ländlichen Raumes, für die Agrarwirtschaft, die Ökologie, die Logistik- und Mobilitätssysteme, den Tourismus etc. hinreichend gewürdigt wird, und zweitens, dass die Betrachtung nicht am Dorfrand endet, sondern dass die integrierte Strukturentwicklung größerer ländlicher Regionen ins Auge gefasst wird.

Dies müssten die Schwerpunkte sein für die neue Förderperiode der Europäischen Union ab 2007. Es geht um integrierte ländliche Entwicklung und dies meint den Weg vom Dorf zur Region. Das Verständnis für die regionale Identitätssuche weitet den Blick über die Dorfränder hinaus, wird Grabenkämpfe und den unmittelbaren Wettstreit der Gemeinden um die Einzelförderung hinter sich lassen müssen. Neu gefunden werden gemeinsame historische Bezüge, zusammenhängende Landschafts- und Naturräume, deren gemeinsame Vermarktung und das Bewusstsein für eine regionale Identität wie es uns das Eichsfeld und die Rhön schon sehr lange und positiv vorleben. Bestimmte Grenzen werden ihre Bedeutung verlieren. Gestärkt wird aus diesem Prozess die jeweilige Region in der öffentlichen Wahrnehmung hervorgehen. Der Hainich mit seinem Baumkronenpfad macht uns sehr deutlich, welch ein Potential in den Natur- und Landschaftsräumen besteht, wenn man die Öffentlichkeit dafür interessiert, die Bürgerbeteiligung ernst nimmt, Netzwerke auch mit der örtlichen Wirtschaft bildet, überörtliche Synergien eingeht, die Infrastruktur gemeinsam mit einer Flächennutzungsplanung, einer Regionalen Entwicklungsplanung, einer längerfristigen Raumordnung gestaltet.

Und dies alles ist dann hinterlegt durch ein kulturhistorisches Bewusstsein von „Heimat“.

Die Stiftung Baukultur will sich dieser Prozesse nach ihren Möglichkeiten auch in Zukunft annehmen.
Mit dem diesjährigen Preis "Unser Dorf hat Zukunft" hat die Stiftung Baukultur bewiesen, dass sie in der Lage ist, Prozesse und Verfahren auch als Dienstleister im Sinne von Public Private Partnership zu gestalten und auszuführen. Der Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ hat einerseits gezeigt, wie überaus lebendig manche Dörfer in Thüringen sind, er hat aber auch Schwächen offen gelegt.
Ich will es so sagen: es gibt ein deutliches Modernisierungsdefizit. Nur selten trifft man auf Beispiele einer qualitätvollen modernen Architektur oder den Gebrauch moderner Materialien.
Gleiches gilt für die Nutzung erneuerbarer Energien im Ländlichen Raum oder etwa digitaler Medien in Internetcafes. Thüringen hat mit seinem Holzaufkommen und den Solartechnologien beste Voraussetzungen, die aber in den Dörfern viel zu selten genutzt werden.
In diesen Punkten ist Bildung und Information notwendig und dieses wollen wir mit unserem Programm im Forum Ländlicher Raum der Stiftung Baukultur ab Herbst 2006 anbieten. Der Fokus hier ist eindeutig: vom Dorf zur Region, zu einer modernen Infrastruktur.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Stiftung Baukultur ist ein Lobbyist der Baukultur und deshalb Ihr Partner bei deren Gestaltung im Dorf, in der Region. Dazu steht Ihnen auch unser mobiler Gestaltungs- und Baukulturbeirat zur Beratung zur Verfügung. Wir sprechen hier von Kulturräumen, von Landschaftsarchitekturen, von Fragen einer Ästhetik, die sich auf die Modernisierung des ländlichen Raumes bezieht. Wir sprechen nicht mehr von den Strukturen einer Agrargesellschaft mit Pferd und Leiterwagen, nicht mehr von den Strukturen der Industriegesellschaft mit Schnapsbrennereien und rauchenden Schloten, wir sprechen von einer post-industriellen Gesellschaft, also: einer hochmobilen Gesellschaft, einer Mediengesellschaft, Freizeitgesellschaft usw. Fragen der Nachhaltigkeit, der alternativen Energetik sind von herausragender Bedeutung. Und da gibt gerade die ländliche Tradition auch hervorragende Anknüpfungspunkte für Innovationen.

So gesehen, ist der ländliche Raum Teil unserer Zukunft.

veröffentlicht am 19.09.2006 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): Ländlicher Raum, News, Stiftung Baukultur Thüringen

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