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„Architektur — ein idealer Lernstoff“

Im Porträt: die AG Architektur und Schule. Ein Interview mit dem Vorsitzenden Dr. Hannes Hubrich

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Dr. Hannes Hubrich (rechts) auf dem Stand zur Ausstellung der „Architecture & Children Golden Cubes Awards“ in Tokio, Bild: © Martina Heller

Interview: Björn Radermacher

Herr Dr. Hubrich, inwiefern kann Architektur „bilden“, Wissen bereichern und helfen, die uns umgebende Welt zu begreifen und anzueignen?

Hannes Hubrich: Wir definieren Architektur als die gebaute Umwelt, die der Mensch zum Zweck seiner Lebenstätigkeit schafft, egal ob dies Gebäude und Anlagen, gestaltete Freiräume und Landschaften, Innenräume oder ganze Stadtstrukturen sind. Sie liefert uns Informationen über ihr Wesen, ihre Nutzungsmöglichkeiten, ihre Konstruktion, Konfiguration und vieles mehr. Architektur umgibt uns tagtäglich, regt an zu ihrem Gebrauch, steuert unser räumliches Verhalten, prägt unser ästhetisches Empfinden und formt unser Bewusstsein. Sie erzählt uns von ihrer Geschichte, offenbart soziale Verhältnisse und kündet vom Wandel der Kultur und Baukultur.
Mit all ihren Facetten und Querbezügen von der Mathematik bis zur Kunst ist Architektur in idealer Lernstoff. Das ist der Grund, warum wir die Vermittlung von Architektur als Bildungsaufgabe verstehen und dafür eintreten, Kinder bereits früh, vor allem in der Schule, mit den Eigenheiten ihrer gebauten Umwelt vertraut zu machen.

Die Thüringer Initiative „Architektur und Schule“ gibt es nun schon seit rund 16 Jahren. Was sind die Ergebnisse dieser Initiative bis heute?

Wir haben von Beginn an unsere Aktivitäten als Öffentlichkeitsarbeit im Interesse des Berufsstands der Architekten gesehen. Das Ansinnen, einer speziellen Öffentlichkeit, nämlich den öffentlichen und privaten Bauherren, Investoren, Bauunternehmern und Handwerkern, politischen Entscheidungsträgern und vielen weiteren Beteiligten, ein besseres Verständnis für Architektur und die Qualität der gebauten Umwelt nahe zu bringen, fand allgemein Zustimmung.
Der Weg, in Zukunft auf verständnisvollere, in Architektur „gebildete“ Bauherren und Auftraggeber zu treffen, sollte über die Architekturbildung der heutigen Generation von Kindern und Jugendlichen führen. Dazu waren Kontakte zu Schulen und engagierten Lehrern nötig. Bereits seit 2002 gibt es einen Kooperationsvertrag mit dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM). Dieser wird demnächst erneuert werden.
Um zukünftige Kunsterzieher auch auf die Architekturvermittlung im Schulunterricht vorzubereiten, haben wir interdisziplinäre Seminare für das Lehramt Kunst und weitere Studiengänge an der Bauhaus-Universität Weimar initiiert. Bis heute haben über 900 Studenten das Kursprogramm „Architektur und Schule“ absolviert.
Höhepunkte unserer Arbeit waren die Symposien zur Architekturvermittlung, die wir 2004 und 2007 in Kooperation von Architektenkammer, Bauhaus-Universität und ThILLM organisierten. 2009 und 2012 wurden die Klassik Stiftung Weimar, der Verband der Kunsterzieher und die Stiftung Baukultur Thüringen weitere Partner. Programm waren vor allem schulische und außerschulische Aktivitäten und Projektarbeiten in Thüringen, Initiativen anderer Bundesländer und Berichte über Bildungsstrategien und Erfahrungen europäischer Länder.

Sie sprechen die internationalen Symposien zur Architekturvermittlung an. Am 13. und 14. November 2015 findet bereits das fünfte Symposium seiner Art statt. Warum sollten Planer und Lehrer teilnehmen? Was sind die Highlights in diesem Jahr?

Die bisherigen Symposien orientierten vor allem auf praktische Erfahrungsberichte, anregende Projektideen, Lehrprogramme und beispielhafte Aktionen oder Workshops mit Kindern in Schulen, Museen und anderswo. Das diesjährige Symposium soll neben der Praxis vor allem die Theorie in das Blickfeld rücken, das heißt, die wissenschaftliche Reflexion der Architekturvermittlung, neue Kulturtechniken und Forschungsthemen. Dazu werden Vorträge, Diskussionsrunden und Workshops in dichter Folge stattfinden. Ein ständiger Projektparcours im Foyer des Audimax und ein internationales Podium im Reithaus an der Ilm sollen fördern, was sich bei vergangenen Symposien als besonders wichtig erwies – das persönliche Gespräch zwischen den Teilnehmern. Lehrer erklären unseren Kindern die Zusammenhänge der Welt, in der wir leben. Architekten und andere planen und gestalten diese Welt. Da gibt es viele Berührungspunkte und Gründe für einen interdisziplinären Austausch während unseres Symposiums.

Zum Symposium soll eine Broschüre erscheinen, an der die Mitglieder der Arbeitsgruppe seit vielen Monaten intensiv und im Austausch mit Lehrern arbeiten. Können Sie kurz die Hintergründe und Ziele darlegen?

Anlass waren wiederholte Anfragen von Lehrerseite, aber auch unserer Berufskollegen, die auf der Suche nach geeignetem Basismaterial, Aufgabenstellungen oder Informationsblättern für Aktionen der Architekturvermittlung in Schulen, zu Projekttagen oder anderen Gelegenheiten waren.
Die Mitglieder unserer AG: Katja Huhle, Luise Nerlich, Gabriele Böttcher, Ines Jauck, Claudia Jordan, Katja Rembe, Dana Stiborski, Anne Walther und ich selbst haben sich der Aufgabe angenommen, einen Aufgabenkatalog zu entwickeln, thematisch geordnet nach Kategorien der Architektur, in unterschiedlichen Schulformen und Lehrfächern anwendbar und offen für eigene Ideen und Weiterentwicklungen.
Letztere Anregung ergab sich während der Abstimmungen mit Pädagogen, die weniger fertige und umfangreiche Aufgabenpakete als vielmehr die Übersicht über mögliche und geeignete Themen suchten und Spielräume eben für die eigene Gestaltung des Lernstoffs wünschten. Die weitere Mitwirkung von Architekten ist davon unbenommen. Das Ergebnis wollen wir zum Symposium vorstellen und diskutieren.

Womit befasst sich die AG Architektur und Schule aktuell noch?

Die Arbeit am genannten Katalog ist intensiv, zeitaufwändig und erfolgt auf ehrenamtlicher Basis. Das Leistungsvolumen der AG ist folglich begrenzt. Wir konzentrieren uns noch auf das Symposium und bereiten die eigenen Beiträge vor. Der Kooperationsvertrag mit dem Lehrerfortbildungsinstitut soll inhaltlich geprüft werden. Zum Auftritt auf der Thüringer  Bildungskonferenz 2016 werden wir ebenfalls einen Beitrag vorbereiten. Die Architektenkammer ist jetzt auch im Kulturrat Thüringen vertreten. Das passt gut zusammen.

„Ihr Anliegen“ treiben Sie auch auf anderer Ebene voran. Im Architektenweltverband UIA waren Sie Co-Direktor des Arbeitsprogrammes „Architecture and Children“ und maßgeblich an Auslobung und Vergabe der neu geschaffenen „UIA Architecture & Children Golden Cubes Awards“ beteiligt. Was sind international aktuelle Themen? Gibt es neue Trends?

Durch die Entscheidung der Bundesarchitektenkammer den Weltverband der Architekten zu verlassen, ist unsere Arbeit schwieriger geworden. Die Statuten der UIA lassen eine weitere verantwortliche Mitwirkung in diesen Gremien und Arbeitsgruppen nicht mehr zu. Internationale Kontakte auf nun inoffizieller Basis zu pflegen, ist weitaus komplizierter, weil die institutionelle Unterstützung entfällt. Eigeninitiative ist aufwändiger und stößt sehr oft an Grenzen der Durchführbarkeit. Aber wir bemühen uns. Zum Symposium 2015 in Weimar sind immerhin neun der 13 internationalen Akteure ehemalige oder noch aktive Mitglieder des erfolgreichen Arbeitsprogramms „Architecture and Children“ der UIA. Sie werden über ihre Sicht auf diese Bildungsaufgabe sprechen und aktuelle Themen ihrer Länder vorstellen. Zu den Trends: Mit der Ausrichtung des Symposiums auf Praxis und Theorie liegen wir richtig. Die wissenschaftliche Fundierung der Architekturbildung von Kindern und Jugendlichen wird aktuell vielerorts in der Welt nachgefragt und ist auch in der Arbeitsgruppe der UIA ein Thema.

Herr Dr. Hubrich, wir danken für das Gespräch und wünschen Ihren Mitstreiterinnen der AG und dem Symposium viel Erfolg.

Weitere Informationen zum 5. internationalen Symposium zum Thema Architekturbildung und Architekturvermittlung am 13. und 14. November 2015 in Weimar:
www.uni-weimar.de/de/gestaltung/symposium-architektur-bildet/


Wie und woran die Kammer arbeitet und welche Bedeutung die einzelnen Gremien haben, ist vielen nicht bekannt. Die Ausschüsse und Arbeitsgruppen, ihre Aufgaben, Arbeitsprogramme sowie Vorsitzenden bzw. Ansprechpartner stellen wir Ihnen nach und nach im DAB und auf unserer Website vor.

veröffentlicht am 25.09.2015 von Björn Radermacher · Rubrik(en): Kammergremien, News, Architektur und Schule

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