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„Architektur kann vieles, aber Humor vermitteln eher nicht.“

Comic-Zeichner Ulf Salzmann im Interview

Interview: Björn Radermacher

Mit seinen kurzen Comic-Strips, die er seit 2006 auf seinem Blog flausen.net veröffentlicht, hat sich Ulf Salzmann in den vergangenen zehn Jahren über die Landesgrenzen hinweg einen Namen gemacht. Von 2011 bis 2016 entwarf er unter anderem einen regelmäßig erscheinenden Comic-Strip für den Weimarer Lokalteil der Thüringischen Landeszeitung. Weniger bekannt ist, dass Salzmann hauptberuflich als angestellter Architekt in Erfurt arbeitet. Sein Studium der Architektur schloss der gebürtige Gothaer und Wahl-Weimarer bereits im Jahr 2001 an der Bauhaus-Universität Weimar ab. Im Interview gibt Ulf Salzmann einen Einblick in seine kreative (Neben-)Tätigkeit und spricht über Wechselwirkungen mit der Architektur.

Herr Salzmann, was kam eher – die Leidenschaft für die Architektur oder die für das Comic-Zeichnen?

Ulf Salzmann: Als erstes die für das Zeichnen. Ich wollte schon immer einen Beruf ergreifen, der etwas damit zu tun hat. Das ist in gewisser Weise bei der Architektur der Fall und macht mir auch viel Spaß, es ist aber projektbezogenes, eher technisches Zeichnen. Das Gestalten von Comics ist da freier und eine schöne Ergänzung. Zu DDR-Zeiten gab es die Mosaik-Hefte, die mich sehr geprägt haben. Ich habe ganze Geschichten abgezeichnet und später dann auch Kunstkurse in Gotha besucht. So richtig angefangen, mich mit dem Thema Comic auch als Medium für Erwachsene zu beschäftigen, habe ich erst im Studium. Es gab einen monatlichen Comic-Stammtisch von Studenten der Visuellen Kommunikation. Zunächst war das Ganze aber eher ein Hobby und verspielter Ausgleich.

Was schätzen Sie am Beruf des Architekten, was am Comic-Zeichnen?

Am Beruf des Architekten schätze ich die Vielseitigkeit. Dass man sein Werk sehen und anfassen kann, dass auch andere Leute es haptisch und visuell erleben können. Architektur spricht viele Sinne an. Das ist eine große Stärke. Am Comic-Zeichnen gefällt mir, dass es nicht in Regelwerke und Normen gepresst ist, dass man sich frei ausleben, Geschichten erzählen und Unsinn treiben kann. Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Architektur vieles kann, aber eines wenig oder gar nicht, und zwar Humor vermitteln. Die Architektur wird gerade in unserem Land, mit seinen vielen Normen und Regeln, zu Recht als ernste Sache angesehen. Mit einem Comic kann man Sachverhalte hingegen auf humorvolle Weise mitteilen. Klar ist aber auch: Nicht jeder Comic muss lustig sein.

Wie lässt sich die Arbeit als Architekt mit der Arbeit als Zeichner in Einklang bringen?

Früher habe ich nach der Arbeit gezeichnet, wenn die Kinder im Bett waren. Mittlerweile ist meine Zeit so strukturiert, dass ich den Freiraum habe, einen Tag in der Woche an meinen Comics zu arbeiten. Mein Arbeitgeber unterstützt mich dabei. Das Comic-Zeichnen fördert Fähigkeiten, die auch der Architektur wieder zugutekommen, wie Kreativität, ein geschärfter Blick für die Umwelt oder zum Beispiel das Freihandzeichnen.

Was sind Ihre Themen? Die Architektur spielt in Ihren Zeichnungen eher eine Nebenrolle …

Die Comics, die ich mache, schöpfen hauptsächlich aus meinem eigenen Leben, ich nenne sie gerne „semi-autobiografisch“. Ein Teil ist erdichtet und überhöht, das meiste basiert aber auf meinen Erfahrungen und auf dem, was ich erlebe. Das können Themen sein, die die große Politik bewegen oder alltägliche Dinge. Und manches ist einfach bloß Nonsens.

Was war Ihr größter Erfolg bislang?

Am meisten Erfolg hatte ich mit der Kunstfigur „Angst“. Ich habe sie aus einer Laune heraus gezeichnet, als rosa Figur, die immer den gleichen Gesichtsausdruck und immer die gleiche Haltung hat. Sie strahlt defensiven Pessimismus aus. Das war eine fixe Idee, die ursprünglich nur auf sieben Folgen angelegt war. Als ich die Comic-Strips auf meinem Blog veröffentlicht habe, kam eine solch starke positive Reaktion meiner Leser, dass sich die Serie verselbstständigt hat – bis hin zu einer „Kuschelangst“ (holt ein rosa Stofftier mit großen Glubschaugen und geöffneten Mund hervor). Damit scheine ich einen Nerv getroffen zu haben.

Man kann die Angst also mit ins Bett nehmen?

Ja, so war das gedacht. Es gibt mittlerweile auch zwei Bücher mit der Figur „Angst“. Ich habe schon das Gefühl, dass unsere Gesellschaft ziemlich stark durch Angst gesteuert wird. Ob bewusst oder unbewusst. Die Figur bietet zu dem Thema einen anderen, leichteren Zugang. Es hat sich herausgestellt, dass die Figur den größten Erfolg bei Kinderpsychologen hat. Einige von ihnen haben die „Kuschelangst“ bei mir bestellt, um damit zu arbeiten. Die Emotion „Angst“ verliert über die Figur ihren Schrecken.

Sie gelten unter Freunden und Kollegen auch als „Philosoph der Thüringer Webcomic-Szene“. Warum?

Das stimmt, es haben mich schon viele so bezeichnet. Die meiste Zeit brauche ich tatsächlich für das Formulieren der Texte. Das kommt vielleicht auch daher, dass ich schon in meiner Jugend viel geschrieben habe und erst spät das Comic-Zeichnen für mich entdeckt habe. Zudem sind viele meiner Themen philosophischer Natur. Es geht zum Beispiel häufig auch um die Beobachtung der Umwelt und der Jahreszeiten: Wie wirkt welches Licht, wie wirken welche Farben? Sobald man hier anfängt, Worte zu finden, klingt das automatisch philosophisch.

Vielen Dank für das Gespräch.

BLOG VON ULF SALZMANN:
www.flausen.net

veröffentlicht am 23.01.2017 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News

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