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„Chance darf nicht vertan werden“: Architektenkammer sieht Novellierung der Thüringer Bauordnung kritisch

Pressemitteilung der Architektenkammer Thüringen vom 29.05.2024

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Ines M. Jauck, Präsidentin der Architektenkammer Thüringen, Bild: AKT

Die Architektenkammer Thüringen betrachtet den Gesetzentwurf der Thüringer Bauordnung (ThürBO) als unzureichend, da er der Umsetzung der klimapolitischen Ziele und der notwendigen Transformation hin zum ressourcenschonenden Umgang mit unserer Umwelt nicht ausreichend Rechnung trägt. Kammerpräsidentin Ines M. Jauck kommentiert: „Die angestrebten Ziele werden mit dem vorgelegten Gesetzentwurf verfehlt.“

Unter reger Beteiligung ihrer Gremien hat sich die Architektenkammer Thüringen in den letzten Wochen intensiv mit dem Gesetz befasst, Anmerkungen gesammelt und die so entstandene Stellungnahme Anfang Mai an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten des Thüringer Landtags übermittelt.

Das Schreiben beinhaltet fünf zentrale Forderungen, die im Gesetzentwurf bislang keine Berücksichtigung fanden:

1. Nachhaltige Baustandards und energieeffiziente Maßnahmen bei Neubauten und Sanierungen: Es ist unerlässlich, dass verstärkt auf nachhaltige Baustandards und energieeffiziente Maßnahmen gesetzt wird. Nur so kann ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet und die CO2-Emissionen im Baubereich reduziert werden. Unter den Gesichtspunkten der Ressourcenschonung und dem Erhalt der grauen Energie fordern wir, dass die Beseitigung von Gebäuden und Anlagen ausnahmslos genehmigungspflichtig wird. Bisher zielt die Thüringer Bauordnung beim Rückbau einzig und allein auf die Standsicherheit ab, nicht aber grundsätzlich auf den Erhalt und somit auf den Transformationsprozess, der im Bauwesen so wichtig ist.

2. Bauen im Bestand erleichtern: Um den nachträglichen Ausbau von Dachgeschossen und die Aufstockung bestehender Gebäude zu erleichtern, reichen die formulierten möglichen Abweichungen bei weitem nicht aus! Sie beschränken sich lediglich auf den Verzicht nachträglicher Anbauten von Aufzügen und die Einhaltung von Anforderungen, die sich im gestatteten Maß ohnehin nicht ändern würden. Es wird gefordert, dass bei einer Aufstockung von bis zu zwei Geschossen und nachträglichen Ausbauten von Dachgeschossen, in denen sich bis dato keine Aufenthaltsräume befanden, die bestehenden Brandschutzanforderungen an die Bauteile fortbestehen.

3. Einführung eines Koordinierten Baugenehmigungsverfahrens („1-Stempel-Lösung“): Es braucht wieder ein koordiniertes Baugenehmigungsverfahren, das darauf abzielt, den Genehmigungsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das bedeutet, dass es nur eine einzige Genehmigungsbehörde gibt, die alle erforderlichen Genehmigungen und Genehmigungsverfahren koordiniert und alle notwendigen Stempel, Genehmigungen und Zustimmungen von verschiedenen Fachbehörden einholt.

4. Barrierefreies Bauen fördern: Der Umstand, dass Menschen im Alter in barrierefreien Wohnungen auch ambulant betreut werden und somit länger selbstbestimmt und eigenverantwortlich im eigenen Wohnraum verweilen können, ist ein ökonomisch unterschätzter Beitrag, sich dem steigenden Bedarf an Pflegeheimplätzen mit den damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Kosten entgegenzustellen. Die Architektenkammer Thüringen schließt sich der Expertise der Behindertenverbände vollumfänglich an, die Thüringer Bauordnung dahingehend zu ändern, dass beim Neubau von mehr als zwei Wohnungen alle Wohnungen grundsätzlich barrierefrei auffindbar, zugänglich und nutzbar sein sollen sowie eine Quote für barrierefreie Wohnungen mit „Rollstuhl“-Standard einzuführen. Nur so kann dem Systemwechsel, im Bestand Zugeständnisse der Nichtbeachtung von Barrierefreiheit einzuräumen, entgegengekommen werden.

5. Kopplung der Bauvorlageberechtigung an Kammermitgliedschaft: Aufgrund der beabsichtigten Einführung der beschränkten Bauvorlageberechtigung ist es der Kammer ein Anliegen, die Bedeutung des Kammerwesens für den Verbraucherschutz und die Qualitätssicherung im Bauwesen hervorzuheben. Das Kammerwesen gewährleistet professionelle Standards bei der Ausübung des Berufs. Durch die Mitgliedschaft in der Berufskammer unterliegen Architekten und Bauingenieure einer ständigen Qualitätskontrolle und Fortbildungspflicht, was dem Schutz der Verbraucher dient. Eine Bauvorlageberechtigung ohne einhergehende Kammermitgliedschaft bedeutet, dass Personen ohne ausreichende Qualifikation und Überwachung wichtige Bauvorlagen einreichen könnten. Dies birgt erhebliche Risiken für die Sicherheit, Qualität und Nachhaltigkeit von Bauprojekten, was letztendlich die Verbraucher gefährdet.

Neben diesem Nachjustierungsbedarf hat die Kammer noch diverse weitere Vorschläge unterbreitet.

Kammerpräsidentin Ines M. Jauck resümiert: „Wir appellieren, den Gesetzentwurf in seiner aktuellen Fassung nicht zu beschließen und erneut einer inhaltlichen Befassung zuzuführen.“ Die Chance, die mit der Gesetzesnovellierung verbunden sei, nämlich Umbauten zu fördern und zu erleichtern sowie den Klimaschutz im Baubereich voranzutreiben – und gleichzeitig den so wichtigen Verbraucherschutz zu wahren –, dürfe nicht vertan werden.

Die Stellungnahme an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten des Thüringer Landtags vom 2. Mai 2024 findet sich auf der Kammerwebsite unter: https://architekten-thueringen.de/kammer/positionen/

Kontakt

Dipl.-Kulturwiss. (Medien) Björn Radermacher
Telefon: (0361) 210 5020
radermacher@architekten-thueringen.de

veröffentlicht am 29.05.2024 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit, Pressemitteilungen

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