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„Die Kammer und ihre Mitglieder sehe ich durchaus in der Verantwortung vorwegzugehen“

DAB-Reihe „Wir für hier“ – Im Porträt: Architekt Jonas Kern

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Jonas Kern, Bild: Michèle Kern

Mit der DAB-Reihe „Wir für hier“ versammeln wir Stimmen von Mitgliedern aller vier Fachrichtungen, die sich nach dem Studium dazu entschieden haben, ihren Beruf in Thüringen auszuüben – als Gebliebene, Zugezogene oder Zurückgekehrte.

In den Gesprächen erzählen sie von der Motivation, für Thüringen in ihrer Profession zu wirken und von den Besonderheiten ihrer Region. Außerdem gibt die Reihe Einblicke in Themen und Anliegen, die junge Kammermitglieder derzeit bewegen.

Diesmal im Porträt: Jonas Kern, 31, angestellter Architekt in einem Weimarer Architekturbüro.

DAB: Herr Kern, was hätte Sie nach dem Studium aus Thüringen weggelockt?
Jonas Kern: Vermutlich der Ruf der Heimat oder der Wunsch in eine Metropole zu gehen, den Puls der Zeit zu spüren. Da ich den Freistaat erst nach meinem Studium vor etwas mehr als einem Jahr zu meiner Wahlheimat gemacht habe, könnten mich vermutlich nur Berge oder das Meer weglocken.

Welche Möglichkeiten eines Berufseinstieges hatten Sie, warum haben Sie sich für Thüringen entschieden?
Den Berufseinstieg habe ich unmittelbar nach meinem Masterabschluss in Stuttgart gewagt. Ich hatte schon zuvor, seit meinem Bachelor in Frankfurt (Main), durchgehend als Werkstudent gearbeitet. Ich wusste also, dass der Büroalltag aus mehr als schönen Entwürfen besteht. Der Einstieg in die Vollzeit war dann aber trotzdem eine Umstellung.
Den Berufseinstieg als solchen habe ich also nicht in Thüringen durchlebt. Allerdings hegt meine Frau den Wunsch, in Weimar ihren Master zu absolvieren und da ich mich selbst auch umorientieren wollte, Thüringen auch für meinen Master schon im Raum stand und ich diesen Teil von Deutschland kennenlernen wollte, fiel die Entscheidung relativ schnell, dass wir die Zelte in Stuttgart abbrechen und nach Thüringen umziehen. Bislang gefällt es mir ausgesprochen gut. Vor allem die Aufnahme in die hiesige Kammer verlief zu meiner positiven Überraschung absolut reibungslos und unglaublich zügig.

Wie ist der Übergang von Hochschule in den Beruf gelungen, was waren die ersten Projekte?
Wie angerissen war ich in dem Büro auch schon als Werkstudent tätig. Somit kannte ich die Kollegen, die Projekte und die Abläufe. Was mir tatsächlich Schwierigkeiten bereitete, waren die acht Stunden täglich. Nicht die Arbeitszeit an sich – während des Studiums waren die Arbeitstage meistens deutlich länger – aber die Umstellung, jetzt jeden Tag eine Mindest-Dauer anwesend sein und nur in dieser Zeit meine Arbeit erledigen zu müssen, das wollte erst verdaut werden.
Die Projekte waren recht vielseitig und lehrreich. In meinen ersten drei Berufsjahren konnte ich einen Hörsaal sanieren, die Kellerdecke eines Jugendstilhauses instand setzen, war an der Umsetzung einer Kita beteiligt, habe am Umbau von Atelierräumen an der Uni Stuttgart gearbeitet und ein Elf-Parteien-Haus betreut.

Muss man in Thüringen aufgewachsen sein, um sich hier wohlzufühlen?
Ganz klar: Nein! Ich empfinde Thüringen oft als Wohlfühlort. Ich fahre leidenschaftlich gerne Motorrad und vergleiche es unter dem landschaftlichen Aspekt daher gerne mit dem Elsass – weite, hügelige Landschaften, wenig Verkehr und Menschen. Aber auch für ausgedehnte Spaziergänge oder die Flucht in die Natur hat der Freistaat einiges zu bieten. Da ich in der Rhein-Main-Metropole aufgewachsen bin und auch Stuttgart erlebt habe, genieße ich diese positive Leere.

Was vermissen Sie hier in Thüringen?
Das Meer. Manchmal auch das gewohnte soziale Umfeld, wie Freunde und Familie. Aber auch den Dialekt der Heimat vermisse ich stellenweise.

Welches Potenzial hat Thüringen für Sie als Planender?
Dadurch, dass Thüringen ein recht kleines Bundesland ist und so die Vernetzung der einzelnen Akteure einfacher sein sollte als beispielsweise in Baden-Württemberg oder Hessen, liegt großes Potenzial darin, wirklich etwas anpacken zu können und auch vorwärtszukommen. Dabei sehe ich die Kammer und ihre Mitglieder durchaus in der Verantwortung vorwegzugehen und aktiv an einem großen Ziel zu arbeiten.

Wie fühlen Sie sich als Berufseinsteiger in Thüringen aufgehoben?
So weit, so gut. Über die Arbeitsgruppe Junge Planende Thüringen habe ich auch außerhalb des Büros recht schnell Anschluss unter Gleichgesinnten gefunden. Den Austausch schätze ich sehr. Man kommt schnell in Kontakt mit Akteuren aller Couleur und durch die familiäre Größe der Kammer fühle ich mich sehr direkt an alles angeschlossen. Das finde ich gerade in der Phase des Berufseinstiegs total wichtig, da man zu Beginn durchaus das Gefühl bekommen kann, verloren zu sein, mit all dem Neuen, das einen auf einmal konfrontiert.

Was macht das Arbeiten hier besonders?
Es fühlt sich noch bodenständiger an. Jeder, der etwas möchte, packt selbst mit an, und die Menschen, mit denen ich mich umgebe, lassen auch eine gewisse Aufbruchsstimmung spüren. Das ist reizvoll und motivierend zugleich. In meinem Umfeld poche ich auf eine gewisse Stringenz und Demut gegenüber der Profession und den Aufgaben, die noch vor uns liegen. Ich finde daher eine „klare“ Positionierung zu Gesellschaft und Beruf ebenso wichtig wie die Bereitschaft, über diese Positionen zu sprechen und zu diskutieren.

Woran arbeiten Sie zurzeit?
Gefühlt an vielem ... Zum einen habe ich den Entschluss gefasst, mich mehr in der Kammer zu engagieren, um so am Berufsbild mitzuarbeiten, die Position der Architekten über alle Disziplinen hinweg zu stärken und zu helfen, die Kammer für zukünftige Fragestellungen zu wappnen. Auch eine engere und frühzeitigere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen sehe ich als zwingend notwendig und sollte schon in der Lehre studiengangsübergreifend vermittelt werden. Aus diesem Grund habe ich mich auch für die Wahl zur Vertreterversammlung aufstellen lassen. Zum anderen hege ich seit dem dritten Semester meines Bachelorstudiums den Wunsch, selbstbestimmt und unabhängig Projekte nach meinen Ansätzen und Maßstäben zu bearbeiten. Daran arbeite ich zurzeit ebenfalls, wie es die Zeit zulässt. Und weil ich Städtebau unglaublich wichtig und spannend finde, strebe ich an, berufsbegleitend einen Master in Stadtplanung zu absolvieren.
Naja … und dann gibt es noch ein Motorrad von meinem Opa, das auch etwas Zuwendung benötigt, um bald wieder für Ausfahrten bereit zu sein. Mir wird also nicht langweilig.

Welche Rolle spielt die Baukultur in Ihrer Region, gibt es regionaltypische Aspekte? Und welchen Stellenwert hat die regionale Baukultur für Sie persönlich?
Ich glaube die regionale Baukultur spielt hier eine ähnliche Rolle wie überall sonst auch. Baukultur stiftet Identität und erfüllt vielleicht auch die Sehnsucht nach etwas Beständigem in der heute sehr schnelllebigen Zeit. Gleichzeitig stehen das Thema und die verschiedenen Haltungen dazu immer wieder im Fokus von politischen Interessen. Das macht Diskurs manchmal schwieriger als nötig, weil zu oft über die Deutungshoheit von Begrifflichkeiten gestritten wird. Das ist aber in dem Moment vielleicht gar nicht so wichtig, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Ich verstehe Baukultur als Ansammlung unterschiedlicher Momentaufnahmen baulicher Antworten auf die großen und kleinen Fragen der Zeit ihrer Entstehung. Fragen nach gesellschaftlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen, planerischen Absichten, ästhetischem Empfinden und dem Zeitgeist, wie auch dem Zeitgeschehen, sind hier zentral. Das finde ich spannend und hilfreich zugleich, da Probleme, wie das der Wohnungsnot, auch schon früher herrschten und man Antworten darauf fand. Diese Antworten kann man prüfen und reflektieren und so aus der Geschichte lernen. Baukultur ist also von großer Relevanz und sollte über die Bildung wieder einen höheren Stellenwert einnehmen.

Wie sind Sie zur Architektenkammer gekommen und was wünschen Sie sich von Ihrer Kammer?
Für mich war sehr früh klar: Wenn ich Architektur studiere, will ich mich später auch Architekt nennen dürfen. Somit führte kein Weg an der Kammer vorbei. Seitdem versuche ich, mich aktiv einzubringen und zu vernetzen, um möglichst viel mitzubekommen und zu lernen. Tatsächlich war auch die Architektenkammer die erste Anlaufstelle für mich, als wir den Entschluss gefasst hatten nach Thüringen zu ziehen. Von den Kammern in Baden-Württemberg und Thüringen habe ich alles erfahren, was für einen Standortwechsel hilfreich und notwendig ist. Und für die Jobsuche war die erste Anlaufstelle das Büro- und Architektenverzeichnis der Kammer.
Von meiner Kammer wünsche ich mir einen Kontakt auf Augenhöhe und Hilfe im weitesten Sinne zu beruflichen Fragestellungen, die einen so überkommen.

Welche Stärken sollten die hier agierenden Planenden für den Berufsstand einbringen und welche Themenfelder sind derzeit von herausragender Bedeutung?
Spontan würde ich sagen: Kreativität, Flexibilität und Freude am Experimentieren. Gerade mit Blick auf die Themen Klimawandel, Ressourcenknappheit, Wohnungsnot, neues Arbeiten, demographischer Wandel etc. benötigt es dringend wieder Visionen und den Mut etwas zu wagen. Ob die Antworten, die wir jetzt finden, die richtigen sind, wird man erst erfahren, wenn man sich traut es auszuprobieren. Vielleicht scheitert man auch, aber weitermachen wie bisher ist – wenn man ehrlich ist – keine Option.

Zeigen Sie uns Ihren Lieblingsort in Thüringen – und erklären Sie ihn uns!
Als Lieblingsort fällt mir spontan der kleine, aber feine Buchladen „M BOOKS“ in Weimar ein. Ich komme hier immer sehr gerne her, weil man sowohl Ruhe erfahren als auch großartige Gespräche mit dem Inhaber Michael Kraus führen kann. Außerdem ist es immer wieder ein Vergnügen, in der gut sortierten Auswahl an Fachbüchern zu stöbern oder eine der regelmäßig wechselnden Ausstellungen zu besuchen. Leider komme ich hier viel seltener vorbei als ich gerne würde, aber es ist immer ein Erlebnis.

Vielen Dank!

Sie möchten sich ebenfalls mit einem Porträt über Ihr Wirken in Thüringen beteiligen? Schreiben Sie gerne an: radermacher@architekten-thueringen.de

veröffentlicht am 17.02.2023 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wir für hier

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