Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

„Ich genieße die Ruhe und die Nähe zur Natur“

Start der DAB-Reihe „Wir für hier“ – Im Porträt: Architektin Lina Mentrup

1 Bild vergrößern
Lina Mentrup, Bild: André Helbig

Mit der neuen DAB-Reihe „Wir für hier“ versammeln wir Stimmen von Mitgliedern aller vier Fachrichtungen, die sich nach dem Studium dazu entschieden haben, ihren Beruf in Thüringen auszuüben – als Gebliebene, Zugezogene oder Zurückgekehrte.

In den Gesprächen erzählen sie von der Motivation, für Thüringen in ihrer Profession zu wirken und von den Besonderheiten ihrer Region. Außerdem gibt die Reihe Einblicke in Themen und Anliegen, die junge Kammermitglieder derzeit bewegen.

Geplant sind mehrere Porträts, die im Herbst 2022 in ein Salongespräch an der Bauhaus-Universität Weimar münden. Dieses soll jungen Thüringer Gründungsinteressierten und Angestellten in Architekturbüros hilfreiche Ratschläge bieten und Einblicke in erfolgreiche Berufseinstiege ermöglichen.

Die neue DAB-Reihe startet mit Lina Mentrup, 34, freischaffende Architektin in Kahla, die mit ihrem Erstlingswerk – der „Fuge no. 1“, einem Bauern- und Atelierhaus in Seitenbrück – unter anderem eine Anerkennung beim Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau 2016 erhielt.

DAB: Frau Mentrup, was hätte Sie nach dem Studium aus Thüringen weggelockt?
Lina Mentrup: Ich bin in Berlin aufgewachsen, studiert habe ich unter anderem in Wien, meine studentischen Praktika absolvierte ich im Ausland – vielleicht hatte ich deshalb nach meinem Studium in Weimar nicht das Bedürfnis wegzugehen. Im Gegenteil: Ich war froh, meine gesammelten Erfahrungen nun einbringen zu können und langfristig an einem Ort Fuß zu fassen. Thüringen bot sich für dieses Vorhaben an.

Welche Möglichkeiten eines Berufseinstieges hatten Sie nach Ihrem Studium, wann und warum haben Sie sich für Thüringen entschieden?
Im Prinzip hatte ich mich bereits 2010 für einen Berufseinstieg als freischaffende Architektin in Thüringen entschieden. Ich war Anfang 20 und hatte gerade ein Praktikum bei Pezo von Ellrichshausen in Chile absolviert. Ich war sehr inspiriert von der Arbeitsweise und konnte Gelerntes anwenden – es entstand die Idee, in Verbindung mit meiner Masterthesis in die Selbstständigkeit zu starten. Gemeinsam mit meinem jetzigen Ehemann fanden wir eine Bauruine in Seitenbrück, einem sehr schönen, sehr kleinen Ort unterhalb der Leuchtenburg. Das Haus war so marode, dass es keiner haben wollte. Es war schnell klar, dass – auch wenn es kein „Casa Poli“ war – hier der Start in die Selbstständigkeit Realität werden könnte.

Erzählen Sie uns von Ihrem Berufseinstieg: Wie ist der Übergang von Hochschule in den Beruf gelungen, was waren die ersten Projekte?
Gemeinsam mit Julia Steffen habe ich dann meine Masterthesis mit dem Titel „Fuge no. 1 – Bauern- und Wohnhaus in Seitenbrück“ erarbeitet. Grundlage war eine umfassende theoretische Arbeit zur örtlich bestehenden Baukultur. Nach Abschluss der Arbeit gingen wir in die Realisierung und konnten mit viel Hilfe von allen Seiten zwei bis drei Jahre später das Haus in Seitenbrück fertigstellen. Da wir alle Leistungsphasen in verschiedenen Prozessen, stets begleitet von Fachingenieuren und Planern, nachweisen konnten, erhielten wir 2016 die Kammerfähigkeit. In dieser Zeit finanzierten wir uns über kleinere Projekte wie Farbkonzepte, Innenraumgestaltungen oder auch mal das Designen von Hochzeitseinladungen. Unsere „Fuge“ in Seitenbrück erhielt mehrere Auszeichnungen – auf dieser Grundlage kamen dann weitere Architekturanfragen. Ein weiterer Meilenstein war dann das „Sommerfrischehaus“ in Döschnitz, welches 2019 mit dem Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen ausgezeichnet wurde.

Muss man in Thüringen aufgewachsen sein, um sich hier wohlzufühlen?
Nein, das denke ich nicht. Ich fühle mich sehr wohl. Ich erlebe die Thüringer als ehrlich und bodenständig. Das gefällt mir sehr.

Welche Rolle spielen Netzwerke aus Ihren Studienzeiten?
Durch meine Tätigkeit während des Studiums als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl und die Tätigkeiten im Fachschafts- und Fakultätsrat spielte das Netzwerken schon während des Studiums eine wichtige Rolle. Der Austausch zu jetzigen Kollegen ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Arbeit – für mich ist es wichtig, meine Fähigkeiten immer zu optimieren, an mir zu arbeiten. Aktuell beschäftigen mich Themen wie der Aufbau von Unternehmensstrukturen oder auch die Prozessoptimierung bei der Bearbeitung von Projekten. Ein Austausch mit erfahrenen Kollegen ist hier sehr viel Wert.

Was vermissen Sie hier in Thüringen?
Natürlich fallen mir gleich eine Menge Verbesserungen ein: zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr, Infrastrukturen generell auf dem Land usw. Aber das sind Dinge, an denen hier gemeinsam gearbeitet wird – insofern vermisse ich sie nicht, sondern begleite entsprechende Prozesse. Das mag ich an Thüringen, es gibt enormes Entwicklungspotenzial.

Wie fühlen Sie sich als junge Familie in Thüringen aufgehoben?
Privat wohne ich gemeinsam mit meinem Mann, unseren zwei Kindern und unserem Hund in einem 90-Einwohner-Dorf. Ich genieße die Ruhe und die Nähe zur Natur. Da ich beruflich viel unterwegs bin, ist das für mich ein wunderbarer Ausgleich.

Was macht das Arbeiten auf dem Land besonders?
Mein Büro ist in Kahla – wir haben unseren Sitz im Industriegebiet, also am Stadtrand. Der Einzug war eher zufällig. Umso mehr überrascht mich immer wieder der Mehrwert dieser Lage. Zunächst haben wir viel Platz zu einem relativ geringen Mietpreis, des Weiteren genießen wir die bestehenden Strukturen – von Büroreinigung bis zum IT-Service –, außerdem befindet sich eine Druckerei direkt nebenan. Die Kleinstadt als solche ist sehr familiär, es wird sich gegenseitig unterstützt. Außerdem befinden wir uns direkt neben der Keksfabrik: Der Geruch von Keksen strömt oft quer durch die Büroräume.

Woran arbeiten Sie zurzeit?
Wir arbeiten aktuell an verschiedenen Scheunenumbauten – das ist wohl unserem Erstlingswerk geschuldet. Aber auch innerstädtisch bearbeiten wir aktuell ein paar Projekte; meist handelt es sich um Baulückenschließungen, Dachaus- bzw. Umbauten oder das Errichten von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Besonders freue ich mich aber, dass wir seit ungefähr zwei Jahren nun auch zunehmend größere Projekte betreuen: Zum Beispiel begleiten wir aktuell den Erweiterungsbau der Kunstschule in Gera oder auch das Bauvorhaben eines Nahversorgungszentrums im ländlichen Raum von Ballstedt. Im vergangenen Jahr konnten wir die Sanierung des Gärtnerhauses im Schlosspark Kromsdorf abschließen – ein kleines, aber sehr feines Projekt.

Welche Rolle spielt die Baukultur in Ihrer Region, gibt es regionaltypische Aspekte? Und welchen Stellenwert hat die regionale Baukultur für Sie persönlich?
Das Bauen mit dem Ort ist meiner Meinung nach immer die Grundlage von Architektur und dem Schaffen von Raum. Regionale Baukultur als Begriff versucht die ortstypischen Aspekte zu sammeln und zu verstehen. Selbstverständlich ist meine Arbeit mit dem Vorgefundenen immer sehr eng verknüpft – für mich gilt es, hier zu lernen, zu optimieren und weiterzuentwickeln, um den Bedürfnissen des Nutzers gerecht zu werden. Diese Herangehensweise versteht sich natürlich für das Bauen im Bestand, aber in meiner Auffassung auch für Neubauten. Das sensible Einbringen von neuer Architektur ist mir wichtig; hierbei gilt es, das Bestehende zu achten.

Welche Stärken sollten die hier agierenden Architekt*innen, Stadtplaner*innen, Innenarchitekt*innen und Landschaftsarchitekt*innen für den Berufsstand einbringen?
Das wohl wichtigste ist Spaß am Planen und Bauen und die Kommunikation mit Firmen und Bauherren. Neben dem Entwurf geht es viel um das Vermitteln von Qualität, das Miteinander zwischen den agierenden Parteien. Am schönsten ist es, wenn alle Mitwirkenden an einem gemeinsamen Ziel arbeiten – hierfür muss jeder Beteiligte den Entwurf und die jeweilige Intention, das Entwurfskonzept, verstehen – dann entsteht wunderbare Architektur und das Arbeiten macht richtig Spaß.

Zeigen Sie uns Ihren Lieblingsort in Thüringen – und erklären Sie ihn uns!

Das Bild zeigt den Wanderweg von Seitenbrück in Richtung Seitenroda – wunderschön hier!

Vielen Dank.

Sie möchten sich ebenfalls mit einem Porträt über Ihr Wirken in Thüringen beteiligen? Schreiben Sie gerne an: radermacher@architekten-thueringen.de

veröffentlicht am 01.05.2022 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wir für hier

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken