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„Unsere Generation setzt sich nicht ins gemachte Nest“

DAB-Reihe „Wir für hier“ – Im Porträt: Timo und Dominique Goebel

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Timo und Dominique Goebel, Bild: Timo Goebel

Mit der DAB-Reihe „Wir für hier“ versammeln wir Stimmen von Mitgliedern aller vier Fachrichtungen, die sich nach dem Studium dazu entschieden haben, ihren Beruf in Thüringen auszuüben – als Gebliebene, Zugezogene oder Zurückgekehrte.

In den Gesprächen erzählen sie von der Motivation, für Thüringen in ihrer Profession zu wirken und von den Besonderheiten ihrer Region. Außerdem gibt die Reihe Einblicke in Themen und Anliegen, die junge Kammermitglieder derzeit bewegen.

Diesmal im Porträt: Timo Goebel, 31, und Dominique Goebel, 34, beide angestellt in einem Erfurter Landschaftsarchitekturbüro.

DAB: Was hätte Sie nach dem Studium aus Thüringen weggelockt?
Dominique Goebel: Für meinen Mann und mich ist Erfurt die Mitte unserer Heimatstädte. Da wir keine der jeweiligen Heimaten bevorzugten, blieben wir in Erfurt. Ohne diese persönliche Bindung wäre ich vermutlich nicht in Thüringen geblieben. Thüringen war für uns aber nie der Kompromiss, es war immer eine bewusste Entscheidung für Erfurt. Wir konnten es uns woanders nicht deutlich besser vorstellen.

Welche Möglichkeiten eines Berufseinstieges hatten Sie?
Dominique Goebel: Ich hatte während der Fertigstellung meiner Masterarbeit bereits Kontakt zu meinem aktuellen Arbeitgeber. Über die Empfehlung eines Kommilitonen entschied ich mich, die angebotene Stelle anzunehmen. Mein Mann bekam ebenfalls eine Stelle dort angeboten. Tatsächlich waren die Bürostrukturen in Thüringen zu diesem Zeitpunkt nicht günstig. Um in Erfurt weiter Fuß zu fassen, war es notwendig, dass wir beide hier eine Stelle finden. Wir sind froh, dass es sich entsprechend gefügt hat.

Erzählen Sie uns von Ihrem Berufseinstieg: Wie ist der Übergang von Hochschule in den Beruf gelungen, was waren die ersten Projekte?
Dominique Goebel: Der Berufseinstieg gestaltete sich sehr unterschiedlich. Der eigene Erfolgsdruck war recht hoch, die Tage zwischen Verteidigung der Abschlussarbeit und dem ersten Arbeitstag waren verschwindend gering. Etwas mehr Zeit hätte gutgetan. Der Arbeitsalltag ist nicht mit dem eines Studiums vergleichbar, soll es aber auch nicht. Deshalb lernt man sehr viel und ist überreizt. Die ersten Projekte holten mich aus meiner Komfortzone: Machbarkeitsstudien für Parkhäuser, koordinierte Leitungspläne … Mein Arbeitgeber überließ mir aber auch die gestalterische Hand für die Neuauflage einer Website und der Aufarbeitung des Corporate Designs. Damit fand sich ein sehr erfüllender Ausgleich, der meine Entwicklung bis heute bereichert.

Timo Goebel: Ich bin direkt nach dem Studium in die Bauüberwachung eingestiegen. Die hinteren Leistungsphasen, 6 bis 8, hatten mir schon innerhalb meines Studiums zugesagt und während meiner Zeit als Werksstudent konnte ich bereits einen ersten Einblick erhalten. Der Start in die Bauüberwachung war noch mit vielen Unsicherheiten und Abstimmungen mit Arbeitskollegen verbunden. Innerhalb der ersten Jahre waren die Projekte bereits sehr vielseitig und abwechslungsreich, darunter zählen unter anderem Spielplätze, Erschließungen und Krankenhausneubauten. Zurückblickend war der Sprung ins kalte Wasser der Bauüberwachung der richtige Schritt.

Muss man in Thüringen aufgewachsen sein, um sich hier wohlzufühlen?
Dominique Goebel: Ich bin bis Anfang meines Studiums viel herumgekommen, auch im Studium habe ich immer wieder die Perspektive gewechselt. Ich bin sogar der Meinung, dass man sich hier durchaus noch wohler fühlen kann, wenn man nicht in Thüringen aufgewachsen ist. Es war keine Entscheidung aus Bequemlichkeit oder Gewohnheit. Ich weiß sehr zu schätzen, was man an Thüringen hat.

Timo Goebel: Das Studium hat mich aus einer ländlichen Region in NRW nach Erfurt gezogen, wo ich mich gleich wohlgefühlt habe. Ein Großteil meiner Kommilitonen ist ebenfalls aus anderen Bundesländern nach Thüringen gezogen, sodass wir die Städte und die Natur Thüringens zusammen entdecken konnten. Daher kann ich guten Gewissens sagen, dass man nicht in Thüringen aufgewachsen sein muss, um sich hier wohlzufühlen.

Welche Rolle spielen Netzwerke aus Ihren Studienzeiten?
Dominique Goebel: Eine große. Durch die gute Vernetzung arbeiten mittlerweile einige unserer engsten Kommilitonen mit uns zusammen im Büro. Einige andere sind recht spezialisiert und gut verteilt. Der Austausch über Büroalltag, Arbeitsweisen und Strukturen ist wichtig, um herauszufinden was man will und was nicht. Das beugt Frust vor und erweitert den Horizont.

Was vermissen Sie hier in Thüringen?
Dominique Goebel: Tatsächlich den rauen Einfluss einer Großstadt. Um manchmal in die Vielfalt anderer Charaktere einzutauchen, abzuschweifen und verrückte Ideen zu haben. Mir fehlt ab und an das Angebot, sich in Thüringen mit herausragenden, innovativen Projekten vom Rest der Bundesrepublik abzuheben. Thüringen hat so viel zu bieten, oft stellt es sich unter den Scheffel. Mehr Mut, es anders zu machen!

Welches Potenzial hat Thüringen für Sie als Planende?
Dominique Goebel: Unschlagbar sind die zentrale Lage und die gute Anbindung mit dem Fernverkehr. Im Familiengefüge hat Erfurt die perfekte Größe und sehr vielfältige Angebote. Als junger Mensch muss man die anderen Städte einbeziehen. Kulturell komme ich oft in Weimar und Jena mehr auf meine Kosten, aber es ist auch immer Geschmackssache. Großer Pluspunkt ist die schnelle Erreichbarkeit von Natur: Steigerwald, Nationalpark Hainich, Thüringer Wald … Da habe ich sehr viel noch nicht erkundet. Es ist nicht überlaufen und man kommt gut zur Ruhe. In den ländlichen Regionen könnten die Menschen toleranter sein; aber auch genau deshalb ist es wichtiger, sein Umfeld positiv zu prägen als wegzuziehen. Durch die kurzen Wege ist das Fahrrad das wichtigste Fortbewegungsmittel und man spart enorm viel Zeit … sehr komfortabel.

Wie fühlen Sie sich als Berufseinsteiger*innen in Thüringen aufgehoben?
Dominique Goebel: Ich denke, es ist eher abhängig vom Büro, wie aufgehoben man sich fühlt. Ich merke, dass wir uns in einer Umbruchphase befinden und sich, besonders bei unserem Arbeitgeber, in den letzten fünf Jahren sehr viel verändert hat. Der Generationenwechsel wird zwangsläufig in einigen Jahren Thema werden. Wachstum, Organisation,  Umstrukturierung … Ich bin gespannt, auf welchen Zug wir aufspringen. Unsere Generation setzt sich auf jeden Fall nicht ins gemachte Nest. Uns wird in den Büros eine sehr gute Auftragslage übergeben. Schwierigkeit unseres Alltags ist eher der Mangel an erfahrenen Planern. Unser Büro ist sehr jung strukturiert.

Was macht das Arbeiten in Erfurt besonders?
Dominique Goebel: Durch den zentralen Standort ergeben sich viele Möglichkeiten, überall in Deutschland verteilt Projekte zu betreuen. So lässt sich gut vergleichen, wie verschieden die Regionen in Deutschland arbeiten. Man baut Kontakte auf, vernetzt sich. In Erfurt kann vieles zusammenlaufen.

Woran arbeiten Sie zurzeit?
Dominique Goebel: Ich bin derzeit in ein Schulbauprojekt für Leipzig eingebunden. Ich stehe dem Wettbewerbsteam zur Verfügung und helfe bei den Kolleg*innen aus, wo immer „Not am Mann“ ist. Ich baue eine neue Website für das Büro auf und betreue die meisten Angelegenheiten rund um unser Corporate Design. Mein Büro gibt mir die Möglichkeit, über den Tellerrand hinaus meinen „alten Leidenschaften“ nachzukommen.

Timo Goebel: Zurzeit befinden sich die meisten Projekte innerhalb von Erfurt und Umgebung, darunter fallen mehrere Schulbauprojekte, ein Wohnungsquartier sowie Hausgärten. Zusätzlich stehen weitere Projekte außerhalb von Erfurt kurz vor der Ausführung, ein größeres Schulneubauprojekt in der Nähe von Frankfurt am Main sowie eine Quartiersentwicklung in der Nähe von Kulmbach.

Wie sind Sie zur Architektenkammer gekommen und was wünschen Sie sich von Ihrer Kammer?
Dominique Goebel: Die Architektenkammer war durchaus Thema im Studium, viele Informationen erhielt ich auch über den Berufsverband Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla). Kurz nach meinem Berufseinstieg nutzte ich zeitnah die Möglichkeit, mich als freiwilliges Mitglied in die Kammer eintragen zu lassen. Ich wünsche mir eine einheitliche Regelung darüber, wie viele Fortbildungsstunden für eine Eintragung nötig sind. Die Regelungen weichen teilweise stark zwischen den Bundesländern ab. Das kommt mir unverhältnismäßig vor.

Vielen Dank.

Sie möchten sich ebenfalls mit einem Porträt über Ihr Wirken in Thüringen beteiligen? Schreiben Sie gerne an: radermacher@architekten-thueringen.de

veröffentlicht am 23.11.2022 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wir für hier

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