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„Unsere Projekte sind genauso bunt und vielfältig wie unser Team“

DAB-Reihe „Wir für hier“ – Im Porträt: Architektin Sarah Schnur und Architekt Konstantin Möhring

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Sarah Schnur und Konstantin Möhring, Bild: Johanna Käsmann

Mit der DAB-Reihe „Wir für hier“ versammeln wir Stimmen von Mitgliedern aller vier Fachrichtungen, die sich nach dem Studium dazu entschieden haben, ihren Beruf in Thüringen auszuüben – als Gebliebene, Zugezogene oder Zurückgekehrte.

In den Gesprächen erzählen sie von der Motivation, für Thüringen in ihrer Profession zu wirken und von den Besonderheiten ihrer Region. Außerdem gibt die Reihe Einblicke in Themen und Anliegen, die junge Kammermitglieder derzeit bewegen.

Diesmal im Porträt: Konstantin Möhring, 33, und Sarah Schnur, 35. Gemeinsam führen sie das Büro SM.ART Schnur & Möhring Architekten in Erfurt.

DAB: Was hätte Sie nach dem Studium aus Thüringen weggelockt?
K. Möhring: Viele Kommilitoninnen und Kommilitonen sind nach dem Studium „auf und davon“. Während es die einen zurück in ihre Heimat zog, wollten andere weitere Städte in Deutschland entdecken. Weder das eine noch das andere war für uns eine Option. Dennoch konnten unsere Wege nach dem Studium nicht unterschiedlicher sein: Ich war bereits fest verwurzelt und schmiedete mit meiner Frau Zukunftspläne in Erfurt. Neben meinem Studium arbeitete ich als Werkstudent in verschiedenen Erfurter Büros. Das erleichterte mir den Übergang vom Studium in den Beruf: Als ich nach meinem Studium dann übernommen wurde, kannte ich bereits die Projekte und das Team im Büro sehr gut.

S. Schnur: Mich hingegen reizte die große weite Welt und die damit verbundenen Abenteuer. Schon während meines Studiums machte ich ein Praktikum in Vietnam und studierte ein Semester in Indonesien. Die Landschaft und die Leute, die ich in Vietnam kennenlernen durfte, haben mich tief beeindruckt. Ich konnte mich schnell vernetzen. So lag der Entschluss nahe, nach Studienabschluss für eine bestimmte Zeit dort beruflich Fuß zu fassen. Der Wunsch nach der späteren Selbstständigkeit und die Nähe zur Familie haben mich dann aber zurück nach Thüringen gelockt. Sicherlich gab es Stellenausschreibungen, die uns aus Thüringen dauerhaft weggelockt hätten, von großen und namhaften Büros, die sich gut im Lebenslauf machen. Jedoch waren wir beide auch schon während unserer Studienzeit stark mit der Stadt Erfurt verbunden und bei einem Ortswechsel wäre unser gutes berufliches Netzwerk verloren gegangen.

Erzählen Sie uns von Ihrem Berufseinstieg: Wie ist der Übergang aus der Anstellung in die Selbstständigkeit gelungen, was waren die ersten Projekte?
S. Schnur: In unserem ehemaligen Büro, in dem wir uns als Angestellte kennenlernten, hatten wir das Glück, bereits von Anfang an große Verantwortung übernehmen zu dürfen. Man ist nicht nur einmal ins kalte Wasser gesprungen und musste manchen Fehler auch zweimal machen. Nachdem wir über mehrere Jahre die Stärken und Schwächen des jeweilig anderen kennenlernen konnten, haben wir beschlossen, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Die ersten Pläne schmiedeten wir auf der ehemaligen Rampe unseres heutigen Büros im Erfurter „Kontor“. Mit einem Blatt Papier, einem stumpfen Bleistift und jeder Menge Mut schrieben wir die ersten Ideen auf. Nur wenige Monate später haben wir diese dann tatsächlich in die Realität umgesetzt. Schnell kamen mit einem großen Leipziger Investor und Projektentwickler auch die ersten Projekte. Große Wohnparks sollten entwickelt und ein Hotelneubau geplant werden.
Der Umstieg vom Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit war eine große Herausforderung. Neben der planerischen Tätigkeit gehören natürlich auch zahlreiche andere Aufgaben dazu, denen man genauso viel Zeit und Aufmerksamkeit widmen muss. Es bleibt am Ende ein stetiger Lernprozess, dem wir uns mit großem Engagement und Einsatzbereitschaft stellen.

Muss man in Thüringen aufgewachsen sein, um sich hier wohlzufühlen?
K. Möhring: Wir sind beide in Thüringen aufgewachsen: Sarah im Norden und ich im Süden. Erfurt wurde während des Studiums für uns beide ein wichtiger Ankerpunkt – und ist bis heute unsere Wahlheimat. Beruflich ist es sicherlich einfacher, sich in einem bekannten Umfeld selbstständig zu machen. Erfurt ist ein tolles Fleckchen Erde, auf dem man sowohl beruflich als auch privat sehr gut leben kann.

Welche Rolle spielen Netzwerke aus Ihren Studienzeiten?
S. Schnur: Mittlerweile eine sehr wichtige. Im Arbeitsalltag begegnet man immer wieder ehemaligen Kommiliton*innen, die in vielen verschiedenen Fachbereichen tätig sind. Durch denselben Werdegang und die gemeinsame Zeit im Studium fühlt man sich sehr verbunden und kann auf ehrlicher und offener Basis kommunizieren und sich unterstützen. Das erleichtert den Arbeitsalltag ungemein.

Was vermissen Sie hier in Thüringen?
K. Möhring: Das Selbstbewusstsein und den Gestaltungswillen, hier etwas Nachhaltiges aufbauen zu wollen. Bekannte Künstler*innen und andere Kreative machen es bereits vor. Sie zeigen uns, dass Thüringen ganz schön cool, bunt und weltoffen ist. Um ehrlich zu sein, haben wir nicht weniger oder mehr zu bieten als unsere Nachbarbundesländer, aber trotzdem herrscht bei uns noch immer eine zu große Bescheidenheit.

Welches Potenzial hat Thüringen für Sie als Planende?
S. Schnur: Durch seine zentrale Lage können wir als thüringische Planende viele Regionen bedienen. So sind auch unsere Projekte weit verstreut. Sie reichen von Leipzig, Halle an der Saale, Chemnitz, Erfurt und Halberstadt über Hannover bis nach Hamburg – momentan sogar bis nach Gambia in Afrika.

Wie fühlen Sie sich als Berufseinsteiger in Thüringen aufgehoben?
K. Möhring: Berufseinsteigern würden wir empfehlen, zunächst in kleineren oder mittelständigen Büros Fuß zu fassen, da man hier schnell einen Gesamteindruck des Berufsfeldes bekommt und sich die Zusammenhänge der Leistungsphasen erschließen.
In sehr großen Büros hat man diese Chance oft nicht und arbeitet spezialisiert an nur einem Thema. Außerdem sollte man während der Studienzeit schon in Büros arbeiten, um erste Erfahrungen zu sammeln. Die Praxis sieht nun mal oft anders aus als das Studium. Durch die FH Erfurt und die Bauhaus-Universität Weimar gibt es zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen im Bereich Architektur: Thüringen ist also perfekt für Berufseinsteiger.

Was macht das Arbeiten hier besonders?
S. Schnur: Das Miteinander unter den Architekturbüros. Während in anderen Städten vielleicht ein Konkurrenzdenken herrscht, greift man sich hier unter die Arme, tauscht sich aus und freut sich für die tollen Projekte des Anderen. Die „Szene“ ist kleiner, als man denkt. Diesen Vorteil sollte man nutzen. In unserem Büro sind zahlreiche kreative Berufe vertreten, die voneinander profitieren. Manchmal haben wir Praktikant*innen, die im Haus in mehreren Unternehmen arbeiten und somit die Möglichkeit bekommen, in verschiedene Bereiche reinzuschnuppern.
Wenn von „flachen Hierarchien“ gesprochen wird, hat man schnell Vorurteile, da dieser Begriff in Jobanzeigen inflationär verwendet wird. Wir sprechen bei uns von einem „freundschaftlichen Arbeitsverhältnis“. Es wird immer auf Augenhöhe diskutiert und Ideen werden ausgetauscht, selbst die Freizeit wird miteinander verbracht. Alle möglichen Problematiken werden bei uns offen und ehrlich angesprochen. Das ist uns sehr wichtig und wir möchten unser berufliches Miteinander auch nicht mehr missen.

Woran arbeiten Sie zurzeit?
K. Möhring: Unsere Projekte sind genauso bunt und vielfältig wie unser Team und Netzwerk. Zum einen bearbeiten wir kleinere, regionale Projekte, wie beispielsweise die Erweiterung oder Sanierung von Bestandsbauten. Zum anderen planen wir neben einem neuen Flughafenhotel in Leipzig auch eine reizvolle Stadtentwicklung in Gambia. Das sind momentan unsere spannendsten Projekte, bei denen die Herangehensweisen und Lösungsansätze unterschiedlicher nicht sein könnten. Und genau das ist es auch, was wir an diesem Beruf so lieben.

Wie sind Sie zur Architektenkammer gekommen und was wünschen Sie sich von Ihrer Kammer?
S. Schnur: Für Architektinnen und Architekten in Deutschland ist es unabdinglich, Teil der Kammer zu sein. Und das ist gut so! Während sich weltweit Menschen als Architekt*innen bezeichnen, welche halbwegs vernünftig ein CAD-Programm bedienen können, zeugt die Berufsbezeichnung „Architekt/in“ mit der damit verbundenen Eintragung in die Kammer von nachweisbarer Qualität, und das im In- und Ausland.
Als junges, neu gegründetes Büro ist es dennoch schwierig, an öffentlichen Projekten und Wettbewerben teilzunehmen bzw. einen Einstieg zu finden. Oft mangelt es an den Anforderungen wie beispielsweise der Bürogröße oder den Referenzprojekten. Wir würden uns von der Kammer wünschen, dass hier vielleicht neue Optionen geschaffen werden.

Zeigen Sie uns Ihren Lieblingsort in Thüringen – und erklären Sie ihn uns!

K. Möhring: Erfurt ist in seiner Gesamtheit einfach nur wunderschön. Vom zentralen Punkt, dem Domplatz, lassen sich viele eindrucksvolle Orte wie der Fischmarkt, die Krämerbrücke oder „Klein-Venedig“ zu Fuß erlaufen. All diese Orte haben eine große Aufenthaltsqualität. Müssten wir uns jedoch auf einen Ort festlegen, wäre das ein kleiner privater, idyllischer Innenhof inmitten der Altstadt. Dieser Ort ist fast schon magisch. Von alten Fachwerkbauten umgeben, ragt ein Holzdeck über der entlangfließenden Gera. An einem alten Baum hängt eine selbstgezimmerte Schaukel, hin und wieder taucht eine Entenfamilie auf oder ein kleines Kanu fährt vorbei.

Vielen Dank!

Sie möchten sich ebenfalls mit einem Porträt über Ihr Wirken in Thüringen beteiligen? Schreiben Sie gerne an: radermacher@architekten-thueringen.de

veröffentlicht am 28.09.2023 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wir für hier

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