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Achtung! Haftung für die Schulden eines Architekturbüros

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in einem neuen Urteil entschieden, dass derjenige, der neu in eine bereits entstehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintritt, auch solche Schulden der Gesellschaft bezahlen muss, die die Gesellschaft bereits vor seinem Hinzukommen gemacht hat. Zu dieser Entscheidung schreibt der Bundesgerichtshof ausdrücklich, dass sie auch für die Angehörigen der freien Berufe gilt, die sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Es ist also ganz gleich, ob man in einem gemeinsamen Architekturbüro, einer Bürogemeinschaft, einer Sozietät, einer ARGE, einem interprofessionellen oder transurbanen Netzwerke oder in einer Gestaltungsgruppe zusammenarbeitet: Die Haftung des Neuen für die Schulden der Alten steht fest! Hat eine Bürogemeinschaft beispielsweise einen high-tech-Kopierer für € 6.000,– gekauft und bezahlt ihn ratenweise ab, dann muß der neu eintretende Gesellschafter diese Raten genauso bezahlen. Dabei ändern irgendwelche Vereinbarungen der Bürogemeinschaftler untereinander nichts daran, dass das Kopierunternehmen sein Geld auch von dem Neuen fordern kann. Das Stichwort heißt Rechtsscheinshaftung.

Der Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte:

Es ging um eine Rechtsanwaltskanzlei aus Nordrhein-Westfalen mit zwei Anwälten. Die beiden Anwälte sollten für einen Mandanten einen Rechtsstreit vor Gericht führen und weil der Streitwert sehr hoch war, hatten sie von ihm einen Vorschuss auf ihre Gebühren von mehr als € 100.000,– verlangt, den der Mandant auch bezahlt hat. Später kam es aus anderen Gründen aber nicht mehr zum Rechtsstreit vor Gericht, so dass ein guter Teil des Vorschusses von mehr als 80.000,– nach den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung zurückzuzahlen war. Damit hatten die beiden Anwälte aber Schwierigkeiten und fingen deshalb mit ihrer Mandantin einen Streit um die Rückzahlung an. Inzwischen war ein dritter Anwalt neu in die Kanzlei der beiden Anwälte eingetreten und die ehemalige Mandantin dachte sich: Toll! Da habe ich einen weiteren Schuldner, den ich für meinen Vorschuss mit in die Haftung nehmen kann. Und deshalb verklagte sie alle drei Anwälte auf Rückzahlung des Vorschusses. Der Rechtsstreit ging durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof, der den schönen Fall für grundsätzliche Ausführungen zum Thema nutzte.

Die Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof schreibt in seinem Urteil, dass ein neu in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretender Gesellschafter auch ohne irgendwelche besonderen persönlichen Verpflichtungserklärungen gegenüber allen Gläubigern seiner Gesellschaft haftet. Genauer: Mit dem Erwerb der Mitgliedschaft tritt er in die bereits bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein und wird damit nicht anders behandelt als die alten Gesellschafter, die ja ohnehin für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Auf den Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeiten kommt es also nicht an.

Eine solche persönliche Haftung aller Gesellschafter im jeweiligen personellen Bestand einer Gesellschaft entspricht dem Wesen der sogenannten Personengesellschaften, die im Unterschied zu den sogenannten Kapitalgesellschaften kein eigenes, zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes Haftungs–, bzw. Stammkapital besitzen. In dieser Lage ist die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht nur die alleinige Grundlage für die Wertschätzung und Kreditwürdigkeit der Gesellschaft; sie ist vielmehr das notwendige Gegenstück zum Fehlen eines Stammkapitals. Dabei kann die Rechtsordnung konsequenterweise nicht bei einer Haftung nur der Altgesellschafter halt machen. Denn mit dem Erwerb seiner Gesellschafterstellung erlangt der neue Gesellschafter die selben Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen, wie die Altgesellschafter sie bereits haben. Das kann angesichts der Übereinstimmung von Entnahmefreiheit und persönlicher Haftung sinnvollerweise nur durch die Einbeziehung des Neugesellschafters in die Haftung für die Gesellschaftsschulden kompensiert werden kann. Hinzu kommt, dass der neue Gesellschafter mit seinem Eintritt in die Gesellschaft ja Anteile am Vermögen der Gesellschaft erwirbt, das nicht zuletzt aus der Marktstellung der Gesellschaft, ihrem Kunden– und Mandantenstamm, sowie ihrem know-how besteht. Will er die Früchte seiner wirtschaftlichen Tätigkeit genießen, dann muss er auch für die Schulden bezahlen.

Und der Bundesgerichtshof bemüht noch ein Gedankenspiel für seine Entscheidung: Er fragt sich, was im Falle eines langjährigen Kredits wäre, wenn ein neuer Gesellschafter nicht für die alten Verbindlichkeiten haften müsste. Angenommen dieser Kredit ist in zehn Jahren zurück zu zahlen und in dieser Zeit verlassen alle alten Gesellschafter die Gesellschaft und treten nur Neue ein. In diesem Fall hätte die Bank nur Rentner, die auf die Rückzahlung des Kredits haften und könnte auf die neuen Gesellschafter, die im Wirtschaftsleben stehen und die Früchte des Kredits ernten, gar nicht zugreifen. Das kann nicht sein und deshalb stellt der Bundesgerichtshof die Haftung der neuen Gesellschafter für die alten Verbindlichkeiten fest.

Trotzdem ein Vertrauensschutz!

Zu diesen beiden Begründungswegen kommen noch einige formal-juristische Argumente hinzu, die den Rahmen hier aber sprengen. Allerdings sagt der Bundesgerichtshof wegen seiner komplizierten juristischen Argumentation, dass er das Wirtschaftsleben mit seiner Grundsatzentscheidung nicht unnötig belasten möchte. Er stellt deshalb fest, dass seine Rechtsprechung nur für die Zukunft gilt und für die Vergangenheit schreibt er eine Art Vertrauensschutz fest. Wer also vor dem Urteil des Bundesgerichtshofes am 7. April 2003 neu in eine bereits bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetreten ist, der muss die alten Schulden dieser Gesellschaft nicht mit bezahlen. So war es auch mit dem dritten Anwalt. Er muss für die Vorschussschulden seiner beiden Kollegen nicht geradestehen.

Eine Ausnahme für berufliche Haftungsfälle?

Ausdrücklich offen gelassen hat der Bundesgerichtshof übrigens die Frage, ob die neue Haftung für alte Schulden auch solche Fälle betrifft, in denen die Schulden aus beruflichen Haftungsfällen herrühren. Wenn die alten Gesellschafter also ein Haus falsch planen, so dass teure Nacharbeiten notwendig sind oder aber eine vertraglich zugesicherte Bausumme überschreiten, dann steht nicht unbedingt fest, dass der neue Gesellschafter dafür haften muss. Da gibt es gute Argumente dafür und dagegen. Das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz beispielsweise schreibt in solchen Fällen für eingetragene Partnerschaftsgesellschaften eine Haftungsbeschränkung auf die schadensverursachenden Gesellschafter vor. Ob diese gesetzliche Haftungsbeschränkung auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts gilt, wird der Bundesgerichtshof hoffentlich bald entscheiden.

Unabhängig davon gilt aber für die Zukunft:

Wer neu in ein gemeinsames Architekturbüro, eine Bürogemeinschaft, eine Sozietät, eine ARGE, ein interprofessionelles oder transurbanes Netzwerke oder in eine Gestaltungsgruppe eintritt, muß sich zuvor genau über die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Kollegen informieren. Wenn seine Kollegen ihm ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht offenlegen wollen, dann sollte er auf die gemeinsame Berufsausübung mit ihnen verzichten. Und zwar auch dann, wenn sie ihm irgendwelche Freistellungs- oder Haftungserklärungen abgeben. Denn Transparenz ist das wichtigste Gebot für die Zusammenarbeit und irgendwelche Erklärungen helfen im Haftungsfall gegenüber Dritten schlicht nicht weiter.

Rechtsanwalt Klaus Müller
Erfurt

veröffentlicht am 20.09.2003 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspraxis

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