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Architekten und Ingenieure fühlten der Politik auf den Zahn

Podiumsdiskussion zum Thema „Baupolitik ist Wirtschafts- und Kulturpolitik“

Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl stellten sich am 12. August Vertreter der zur Wahl stehenden Parteien auf Schloss Ettersburg dem von der Architektenkammer Thüringen und Ingenieurkammer Thüringen gemeinsam aufgestellten Positionspapier. Neben den schriftlich eingegangenen Stellungnahmen der Parteien hatten die Mitglieder beider Kammern so die Möglichkeit, ihre Fragen an die Politiker direkt zu richten. Dass dieses Angebot gern wahrgenommen wurde, zeigte die Teilnahme von rund 100 Mitgliedern.

Für die Parteien erschienen: Bauminister Gerold Wucherpfennig (CDU), Mike Mohring (Fraktionsvorsitzender CDU), Sabine Doht (Sprecherin Bau und Verkehr SPD), Bodo Ramelow (Spitzenkandidat DIE LINKE), Dirk Bergner (Stellvertretender Landesvorsitzender FDP) und Roberto Kobelt (Sprecher für Bau- und Energiepolitik Bündnis 90/Die Grünen)

Die zweistündige Diskussion, die von Dietmar Grosser, Wirtschaftsredakteur der Thüringer Allgemeinen, professionell moderiert wurde, rankte sich entlang der Themen des Positionspapiers. Die Kammerpräsidenten Hartmut Strube und Professor Hans-Ulrich Mönnig führten abwechselnd mit einem Statement ins Thema ein. Im Anschluss hatten die Parteienvertreter Gelegenheit, Stellung zu beziehen, bevor das Publikum Rückfragen stellen konnte.

Die Vergabepraxis bildete den Auftakt der Diskussion. Über die Parteigrenzen hinweg herrschte Einigkeit darüber, nicht nur die Trennung von Planung und Ausführung zu berücksichtigen, sondern auch dem wirtschaftlichsten Angebot und nicht dem billigsten Bieter den Zuschlag zu erteilen. Dass damit jedoch noch nicht alle Spielregeln der Vergabe abschließend benannt sein konnten, machten Einwürfe des Publikums deutlich. Minister Wucherpfennig widersprach dem Vorwurf, dass durch die Zuspitzung von Auswahlkriterien Thüringer und vor allen Dingen auch junge Büros keinen Zuschlag erhielten. Er merkte jedoch kritisch an, dass das durch das Konjunkturpaket ausgelöste Auftragsvolumen nur bedingt dem Anspruch der Nachhaltigkeit entsprechen könne. Das durch den Bund vorgegebene Kriterium der Zusätzlichkeit sowie die kurzen Umsetzungszeiträume erschwerten die differenzierte Projektabwägung.

Das zweite Thema HOAI erhitzte erwartungsgemäß die Gemüter. Am deutlichsten gegen die HOAI in ihrer novellierten Fassung sprachen sich Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und die FDP aus. Zwei Musterrechnungen, die den Diskutanten von Gerald König, einem Mitglied der Ingenieurkammer Thüringen, übergeben wurden, sollten deutlich machen, dass es sich bei der HOAI in ihrer aktuellen Fassung um eine Mogelpackung handelt, die zu Honorareinbußen führt und existenzbedrohend ist. Mit Nachdruck setzten sich daher die Mitglieder beider Kammern für eine unmittelbare Novellierung ein und forderten die Unterstützung durch die Politik.

Wie schwer sich die Politik mit der Rolle des Unterstützers der beiden Berufsstände tat, machte das dritte Thema Architekten- und Ingenieurausbildung deutlich. Unstrittig schien, dass der dreijährige Bachelor kein berufsqualifizierender Abschluss sei und nicht das Ausbildungsniveau des Diplom-Ingenieurs erreiche. Doch der Spielraum für eine Reform der Bologna-Beschlüsse schien sehr gering. Der Moderator ließ das Schutzschild der EU-Verordnung nicht gelten und verwies nur am Rande auf das Beispiel des deutschen Sparkassensystems, das im Rahmen der EU-Regelung fast verboten worden wäre und sich jetzt als Retter in der Finanzkrise bewähre.

Dass Kompetenz nicht nur in der Ausbildung der Architekten und Ingenieure, sondern auch bei der Besetzung von Positionen der Verwaltung gefragt ist, machte das Statement von Hartmut Strube zum vierten Themenblock Qualität setzt kompetente Partner mit Weitsicht voraus deutlich. Der Präsident der Architektenkammer appellierte nachdrücklich für ein investitionsfreundliches Klima der (Bau-)Genehmigungsbehörden, das den tragfähigen Kompromiss mitdenkt und nicht behindert. CDU und SPD bestätigten das Ziel als geltende Praxis. Bodo Ramelow nutzte die Gelegenheit, für die Absicht seiner Partei, eine umfassende Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform, zu werben.

Auch beim letzten Thema, der Baukultur, waren sich die Parteien einig in ihrer Bedeutung als Standortfaktor für den Freistaat. Als Förderer sahen sie sich in unterschiedlichen Rollen. Während die CDU ihre Praxis der Auslobung von Wettbewerben in den Vordergrund stellte, die SPD an die Vorbildfunktion des öffentlichen Bauherrn appellierte, wünschte sich der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, dass Baukultur mehr im Alltag ankommen möge. Die FDP gab zu Bedenken, dass Überregulierung die Kreativität nicht einschränken dürfe. Einer Initiierung einer Thüringer Bauausstellung standen alle Parteien positiv gegenüber. Wir werden sie beim Wort nehmen.

Was war das Resümee der Veranstaltung?

Auch wenn es tatsächlich gelang, „in zwei Stunden den ganzen Weltraum der Architekten und Ingenieure in eine Nussschale zu packen“, so wie Dietmar Grosser abschließend treffend bemerkte, konnte vieles nicht ausdiskutiert werden. Die „sportliche“ Moderation hatte allerdings den Vorteil, dass man sich kurz fasste und nicht in Selbstdarstellung oder gar Wiederholungen verlor. Dem Publikum bot sich ein facettenreicher Reigen an Argumenten, der vielleicht in seiner Themenbandbreite die persönliche Wahlentscheidung stützen konnte. Für die Kammerarbeit war der Abend Auftakt für die Verstetigung des Dialoges zwischen Politik und berufsständischer Interessensvertretung. Und für die Politik? Es wurde einmal mehr an ihren Verantwortungsbereich der Gestaltung von Rahmenbedingungen für den Berufsstand erinnert und die Neuausrichtung und/oder Feinjustierung in Sachen HOAI, Vergabe und Bildung angemahnt.

Gertrudis Peters

veröffentlicht am 25.08.2009 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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