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Architektur geht alle an

Positionspapier zur Initiative Architektur und Baukultur

Investitionen


Die Architektenkammer Thüringen fordert eine Fortführung der Investitionen / Förderungen im Landeshaushalt 2003/2004 mindestens auf dem Niveau des Doppelhaushaltes 2001/2002. Wir befürworten eine Fortführung der Finanzierung auch über das Thüringer Modell der Drittfinanzierung. Die Einflussnahme des Freistaates bei der Vergabe von Bauleistungen zur Anwendung der VOB / VOL / HOAI / Mittelstandsrichtlinie / Leistungswettbewerb und die Einhaltung von Zahlungszielen sollte stärker wahrgenommen werden.

Die Architektenkammer Thüringen fordert eine Fortführung der Mitfinanzierung kommunaler Investitionen mindestens auf dem Niveau von 2001, die Beibehaltung der Förderquoten im Bereich der Städtebauförderung und der Dorferneuerung, eine ausgewogene Eigenheimförderung, die Fokussierung der Mittel auf den Stadtumbau, den Rückbau dauerhaft leerstehenden Wohnraums, die Förderung städtebaulicher Entwicklungskonzepte bezogen auf die demografischen Perspektiven im Freistaat Thüringen, in den Kommunen und Gemeinden und die Verbesserung des Wohnumfeldes sowie der Landschaftsgestaltung.

Kernziel der Förderung sollte die Einbeziehung des Gebäudebestandes in das Investitionszulagengesetz für die neuen Länder sein. Investitionszulagen mindestens in einer Höhe von 25 Prozent für Sanierungen, Modernisierungen oder Neubau in den Innenstädten, Kerngebieten und ausgewiesenen Sanierungsgebieten der Städte in den neuen Ländern. Der Stadtumbau braucht finanzielle Anreize für private Investitionen bei einem qualitativen Erhalt der Innenstädte. Das wäre ein Investitionsprogramm der Bundesregierung, welches unabhängig von der Subjektförderung und steuerlichen Abschreibungen eine Ankurbelung der ostdeutschen Bauwirtschaft bietet. Entscheidend für die Zukunft Thüringer Städte ist die Revitalisierung und Urbanisierung sowie die Anhebung der Lebensqualität in den Innenstädten.

Beim Stadtumbau, bezogen auf das Wohnungsmarktstabilisierungsprogramm des Freistaates, erwarten wir eine Qualitätskontrolle der Angebote wohnungswirtschaftlicher und städtebaulicher Konzepte und eine überwiegende Beteiligung hier ansässiger Dienstleistender, wie Stadtplaner. Ein wesentliches Vergabekriterium sollte dabei der Referenznachweis sein und es darf nicht der billigste Preis ausschlaggebend für die Vergabe sein.

Konjunktur


Am Planungsmarkt sind gegenwärtig kaum noch Aufträge im Bereich des Wohnungsneubaus, der Modernisierung und der Sanierung von Wohnbauten, im Gewerbebau bei öffentlichen Bauten und im Bereich der Landschaftsplanung und des Städtebaus zu registrieren. Wir sprechen von einem Stillstand, einem Zusammenbruch. Ursachen sind die ehemaligen Sonderabschreibungen und ihr übergangsloses Auslaufen, das damit einhergehende Überangebot an erschlossenen Flächen und um-bauten Raum, die finanzielle Ausstattung der Gebietskörperschaften, die demografische Perspektive und die fehlende Nachfrage aufgrund fehlender finanzieller, steuerlicher Anreize, einer verfehlten Eigentumsförderung und Gesetzgebung.

Wir befürchten, dass die Bauwirtschaft und ihre Dienstleister auf ein Maß zusammenschrumpfen, welches bei notwendiger Stabilisierung des Baumarktes den Bedarf und die Qualität aus eigenen Kräften nicht mehr decken kann. Es existieren in einigen Kommunen bereits heute keine Bauunternehmen mehr. Bauhandwerk, Baugewerbe und ihre Dienstleister verschwinden vom Markt, die Bauindustrie konzentriert sich und deckt Thüringen führungsseitig überwiegend von Sachsen aus ab. Wir brauchen eine solide Basis, die auch perspektivisch eine Qualität am Bau materiell gewährleistet. Dazu bedarf es einer Verstetigung baulicher Investitionen der öffentlichen Hand und finanzielle Anreize für das private Bauen.

Verwaltungsstruktur


Die Architektenkammer Thüringen fordert den Erhalt der Vertretung des öffentlichen Bauherren in Form seiner staatlichen Bauverwaltung. Die Ämter im Landesverwaltungsamt und in den Ministerien, die mittelbar bzw. unmittelbar mit dem Hochbau, den Liegenschaften, dem Wohnungs- und Städtebau sowie der Landschaftsgestaltung / Umwelt zusammenhängen, sind u. a. durch kompetente Architek-ten mit der Befähigung zum höheren bautechnischen Verwaltungsdienst zu besetzen.

Eine Umwandlung des staatlichen Hochbaus in ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen in Form einer GmbH mit einer mehrheitlichen Beteiligung des Freistaates wird unsererseits strikt abgelehnt. Es gilt zwar der Grundsatz Privat vor Staat, dabei darf aber die Verantwortung des öffentlichen Bauherren für die Daseinsvorsorge und den Verbraucherschutz sowie dem Anspruch an die Qualität der gebauten und gestalteten Umwelt nicht verloren gehen.

Bei der Neustrukturierung der Landesgesellschaften empfehlen wir ebenso strikt nach dem Grundsatz Privat vor Staat die Geschäftsfelder neu zu definieren. Aufgabenbereiche, wie die Stadtentwicklung, der Städtebau/Bauleitplanung, Projektsteuerung, Hochbau und dazugehöriger Planungsleistungen können ebenso gut oder besser von privaten Bietern erledigt werden. Wirtschaftsförderung heißt die Wirtschaft zu fördern und nicht im Staat den Staat zu alimentieren. Das gilt auch für das Anbieten von Leistungen aus Mitteln des 2. Arbeitsmarktes (ABM-Maßnahmen).

Bei der nächsten Novelle der Thüringer Kommunalordnung wird eine geplante stärkere Möglichkeit zum Wirtschaften kommunaler Unternehmen bzw. von Unternehmen mit der Mehrheitsbeteiligung von Gebietskörperschaften, welches über das Subsidiaritätsprinzip hinaus geht, von uns abgelehnt.

Zahlungsmoral


Nach der jüngsten Umfrage von März 2001 ist ersichtlich, dass nur jeder dritte Architekt Zahlungsmoral als "gut" bezeichnet. Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen ist ein "hohler Zahn" und praxisfremd. Wir empfehlen eine dringende Novellierung und eine Vorlage des Thüringer Gesetzgebers im Bundesrat.

Musterbauordnung / Musterarchitektengesetz / Thüringer Bauordnung / Thüringer Architek-tengesetz


Wie bereits mehrfach erwähnt, empfehlen wir eine Novellierung der Thüringer Bauordnung nach Vorlage der Musterbauordnung der ARGE Bau. Gleiches gilt für das Thüringer Architektengesetz. Das Musterarchitektengesetz wird gegenwärtig in der Bauministerkonferenz und Wirtschaftsministerkonferenz der Länder und des Bundes beraten. Es dient uns als Leitfaden bei der Novellierung des landeseigenen Architektengesetzes. Wir unterstreichen die Beibehaltung des Förderalismus, aber befürworten eine Angleichung der o. g. Gesetze in allen Bundesländern in ihren wesentlichen Bestandteilen (Harmonisierung / Deregulierung). Schwerpunkte dabei sind die Übertragung bauaufsichtlicher Aufgaben auf qualifizierte, staatlich anerkannte Sachverständige, d.h. insbesondere die Entwurfsverfasser, die Befristung der Anhörung der Träger öffentlicher Belange, Genehmigungsfristen für Bauanträge, die Definition des Qualitätsanspruches / des Gestaltungsanspruches, die materielle Vereinfachung der Bauanträge und Genehmigungsverfahren. Beim Architektengesetz erwarten wir eine Beibehalten der Mitgliedschaften von Niederlassungen der Architekten im Freistaat, damit eine Gleichbehandlung zwischen Ortsansässigen und Niedergelassenen. Eine gesetzliche Festschreibung der Pflicht zur Fortbildung ist unser Ziel. Die paritätische Beteiligung von Architekten und Ingenieuren an einer Gesellschaft unter der Bezeichnung Architekt. Die Festschreibung der Berufspflichten auch für juristische Personen und die Anwendung der EU-Architektenrichtlinie als Eintragungsvoraussetzung in die Architektenliste.

Fortbildung / Ausbildung


Nur jedes 6. Architekturbüro bildet Bauzeichner aus. Der Beruf des Bauzeichners ist in seinen Inhalten nicht zeitgemäß. Es bedarf einer Kombination aus kaufmännischen, kommunikativen und bau-zeichnerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um die Nachfrage in den Büros zu befriedigen.

Bei der Fortbildung der Architekten setzen wir in unserem Programm auf die Ausrichtung des Angebotes in Punkto Nachhaltigkeit, Ökologie, Management und moderne, zeitgemäße Bautechnologien, Baumaterialien. Dazu benötigen wir auch eine Unterstützung des Freistaates (TMWAI) für die berufsbegleitende Fortbildung aus den dazugehörigen Programmen.

Export / Chancengleichheit


Für den Export der wirtschaftsnahen technischen Dienstleistungen benötigen wir die politische Begleitung und Unterstützung (Beispiel Beteiligung der Kammern an Wirtschaftsreisen der Landesregierung). Für die Vorfinanzierung von Exportleistungen (von der Akquisition bis zum Vertragsabschluß) sollte ein Risikofonds des Bundes und der Länder oder ein zinsgünstiges Darlehensprogramm über die KfW aufgelegt werden. Daran einbezogen sollte auch das Thema Venture Capital sein.

Keine Chancengleichheit ist den hier ansässigen Dienstleistenden in anderen Bundesländern bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über die VOF (Einladungswettbewerbe, begrenzt offene Wettbewerbe, Verhandlungsverfahren) gewährt. Hierbei benötigen wir im Rahmen der Thüringer Regierungsarbeit auf Bund-/Länderebene eine stärkere politische Unterstützung seitens der Landesregierung. Bisher ist Thüringen eine Einbahnstraße!

Vergabe von Gutachten im Rahmen der Städtebauförderung mit Städtebaufördermitteln


Die Architektenkammer Thüringen verzeichnet in jüngster Zeit eine Vergabe von Studien bzw. Gutachten an die Bauhausuniversität Weimar, die mit Mitteln der Städtebauförderung finanziert werden. (Beispiel: Gotha 2030, Städtebauliche Wettbewerbe in Thüringen). Unseres Erachtens nach sollten diese Fördermittel auf konkrete Projekte in den Thüringer Kommunen und Gemeinden ausgereicht werden. Damit werden Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert und städtebauliche Missstände bzw. Aufgaben in Thüringen behoben bzw. gelöst. Die Akquisition von Drittmitteln für die Thüringer Hochschulen kann nicht dazu dienen, Nebentätigkeiten der Lehrstühle, die nicht unmittelbar der Lehre und Forschung dienen, zu finanzieren. Arbeitsplätze und Wertschöpfung werden dadurch nicht geschaf-fen. Zu hinterfragen bleibt auch die Qualität, die Verwendbarkeit und die Haftung für die Ergebnisse der Studien und Gutachten. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Thüringer Richtlinie zur Vergabe von Gutachten an Dritte.

Initiative Architektur und Baukultur


Um den Perspektiven der Thüringer Bauwirtschaft, der Architekten und Ingenieure sowie dem Anspruch des Freistaates Thüringen an die Qualität des Städtebaus, der gebauten Umwelt und der Landschaftsarchitektur eine stärkere politische und öffentliche Wahrnehmung zu geben, empfehlen wir eine Positionierung der Regierung des Freistaates Thüringen unter Federführung des Thüringer Innenministeriums als Bauministerium, in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium und der Architektenkammer Thüringen, im Rahmen der Initiative Architektur und Baukultur.

Gegründet werden soll eine Architekturstiftung im Freistaat Thüringen als Körperschaft des öffentlichen Rechts und ein Architekturzentrum in der Landeshauptstadt Erfurt.

Anhörung / große Anfrage einer Fraktion an die Landesregierung


Um auf die Situation in der Thüringer Bauwirtschaft, bei den Architekten und Ingenieure eine stärkere politische und öffentliche Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu erreichen, empfehlen wir eine große Anfrage einer Fraktion zu den Themen: Städtebau und Wohnungsbau, Bauwirtschaft / Architekten / Ingenieuren / Vergabe öffentlicher Aufträge / Investitionen / Förderprogramme / Export / Initiative Architektur + Baukultur. Diese große Anfrage sollte in eine Anhörung der betroffenen Kammern und Verbände, Institutionen vor den Fraktionen und Ausschüssen im Thüringer Landtag münden.

Michael Beier, Geschäftsführer, Architektenkammer Thüringen

veröffentlicht am 19.06.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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