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Bauen — Wohnen — Leben

Rückblick auf den Thüringer Bautag 2018

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Begrüßte die Teilnehmer: Kammerpräsident Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt, Bild: Frank Steinhorst

Wie sieht die Zukunft des Bauens und Wohnens in Thüringen aus? Anlässlich des Thüringer Bautags 2018 am 30. November im Congress-Center der Messe Erfurt diskutierten Architekten, Ingenieure und die Bauwirtschaft Strategien zum Umgang mit der existierenden und zukünftigen gebauten Umwelt sowie Infrastruktur im Freistaat Thüringen. Eingeladen hatten neben der Architektenkammer Thüringen die Ingenieurkammer Thüringen, der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen sowie der Verband baugewerblicher Unternehmer Thüringen.

In seiner Begrüßungsrede konstatierte der Präsident der Architektenkammer Dr.-Ing. Hans-Gerd Schmidt: „Wenn wir heute über die Zukunft weiter Bereiche ländlicher Prägung diskutieren, Wirtschaft und Handwerk um den Nachwuchs ringen, Kommunen ihre zunehmend begrenzten Handlungsfähigkeiten erkennen, Wohnungsmärkte diametral auseinander driften und bestehende Infrastrukturen nicht mehr genügen, dann braucht es unsere Kraft und unsere regionalen Erfahrungen, um neue Wege zu  ergründen, dabei Experimentelles zu wagen und auch ein Scheitern zuzulassen.“ Der Thüringer Bautag 2018 biete einen guten Anlass, um individuelle Entwicklungsoptionen und Chancen zu erkennen. Er solle zudem die Partner am Bau darin bestärken, etwas gegen die genannten Trends zu tun.

Wie bedeutend die Baukultur auch und gerade außerhalb der Metropolen ist und welches Potenzial für eine positive Zukunftsperspektive mit ihr verbunden sein kann, verdeutlichte Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Ausgewählte Statistiken und Handlungsempfehlungen präsentierte er anhand des Baukulturberichts 2016/17 „Stadt und Land“, mit dem die Bundesstiftung Baukultur die mittel- und kleinstädtischen sowie die ländlichen Räume in den Fokus rückt. Eine Befragung hat demnach ergeben, dass bei freier Wahl rund vier Fünftel aller Bürger in diesen Orten und nicht in Großstädten wohnen wollen. „Dort richten sie aber kein historisches Haus wieder her, stattdessen werden Einfamilienhäuser in neu ausgewiesenen Gebieten gebaut“, kritisierte Nagel die gängige Praxis, „und das, obwohl es sich infolge der hohen Erschließungs- und Betriebskosten nicht rechnet“. Es gäbe generell kaum ein Bewusstsein, dass Flächenversiegelung nicht positiv ist, die Flächeninanspruchnahme nehme hingegen weiter zu.

Das Ergebnis sei mit dem Donut-Effekt gut umschrieben: Immer neue Einfamilienhausgebiete an Ortsrändern stehen leerfallenden Bestandsgebäuden im Ortskern gegenüber. Gegen den Identitäts- und Attraktivitätsverlust lasse sich mit baukulturellen Maßnahmen der Innenentwicklung gegensteuern, so Nagel. Es gelte, alle Kraft ins Ortszentrum zu stecken, historischen Bestand zu aktivieren und mit neuen Nutzungen und guter Architektur ein Zukunftszeichen zu setzen. Das als staatliche Förderung angebotene Baukindergeld etwa sei dann gut investiertes Geld, wenn es vermehrt für derartige Zwecke und weniger für den Bau neuer Einfamilienhäuser abgerufen werde.

Eine Debatte zur Zukunft des Wohnens und Bauens in Thüringen will die Stiftung Baukultur Thüringen anregen und führen. „Wohnen ist das Thema der modernen Welt“, führte Prof. Dr.-Ing. Gerd Zimmermann, Stiftungspräsident, in seinen Vortrag ein. Dies untermauernd fuhr er fort: „Wie wir wohnen, heißt, wie wir bauen und wie wir bauen, heißt, wie wir wohnen.“ In Anlehnung an Le Corbusiers Aussage, dass Architektur die soziale Revolution selbst vollziehen bzw. vorwegnehmen müsse, stellte Zimmermann diese These auf: „Der Schlüssel der Revolution ist das Wohnen.“ Er ergänzte: „Anlässlich der Optionen der Digitalisierung und dessen, was man den ökologischen Imperativ nennen muss, muss Wohnen grundlegend neu gedacht werden.“ Mit der Plattform Wohndebatte strebt die Stiftung Baukultur daher gemeinsam mit dem Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft und mit regionalen Akteuren eine strategische Bündelung der Debattenstränge an. Dabei gehe es um Analysen und Ideen und um die objektive Fundierung möglicher Baupolitiken, sagte Zimmermann. „Daraus sollen praktische Impulse entstehen, etwa durch Wettbewerbe.“

Mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Gutes und bezahlbares Wohnen in Stadt und Land “ endete der Bautag 2018. Neben Reiner Nagel und Prof. Dr.-Ing. Gerd Zimmermann diskutierten der Staatssekretär für Infrastruktur und Landwirtschaft in Thüringen, Dr. Klaus Sühl, sowie Steffen Könnicke, Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe Thüringen im Bauindustrieverband Hessen-Thüringen, und Frank Emrich, Verbandsdirektor beim Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Kurzfristig entschuldigen ließ sich Marco Wanderwitz, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat.

Ergänzend zu den Themen Nahversorgung, Infrastruktur und neue technische Entwicklungen wurde auch die angestoßene Debatte um die Ausweisung von Neubaugebieten vertieft. Staatssekretär Sühl betonte, dass das Land nicht umsonst einen starken Förderschwerpunkt darauf legen würde, die Ortskerne zu revitalisieren. Wenn er sich jedoch etwas wünschen dürfe, dann wünsche er sich „von der Wissenschaft und den Architekten, dass sie Angebote machen für die Wohnungsbaugesellschaften und für die Menschen, die diese überzeugend finden“. So lange es kein vernünftiges alternatives Angebot zu einem Einfamilienhaus Einfamilienhaus gäbe, würden Menschen sich für das Einfamilienhaus entscheiden, so Sühl. Der Staatssekretär schloss: „Ich würde mir Angebote wünschen, die weder dem seriellen Bauen nachkommen noch dem Einfamilienhausbau.“

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Weitere Impressionen und Informationen:
www.architekten-thueringen.de/bautag

Baukulturberichte der Bundesstiftung Baukultur:
www.bundesstiftung-baukultur.de/baukulturberichte

veröffentlicht am 14.12.2018 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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