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Bauwirtschaft am Rande der Selbstauflösung

Leserbrief von Arved Danz und Antwort von Michael Beier

Als Reaktion auf unseren Beitrag im DAB 10/2001 "Bauwirtschaft am Rande der Selbstauflösung" erhielten wir folgenden Brief:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
in der letzten Ausgabe des DAB 10/01 wurde eine Liste mit Forderungen der AKT veröffentlicht, auf die ich näher eingehen möchte: Im ersten Punkt wird eine Stärkung der privaten Finanzierung öffentlicher Aufträge gefordert. Die private Finanzierung hat jedoch die vermehrte Einbindung von Bauträgern und Generalübernehmern mit z.T. eigenen Planungsabteilungen zur Folge mit den bekannten negativen Auswirkungen auf den freien Wettbewerb.
Gleicher Ansicht ist im Übrigen auch die Bundeskammerversammlung der BAK, die einen Verzicht auf die private Finanzierung öffentlicher Aufträge fordert.
Der Punkt "Abschaffung von Vergabe-ABM im Baubereich" kann so isoliert nicht stehen bleiben. Voraussetzung für eine Abschaffung ist die Umleitung der hier eingesetzten Mittel in eine direkte Förderung von Baumaßnahmen (haushaltstechnisch realisierbar???). Zur Zeit sind Vergabe-ABM z.B.für Kirchgemeinden unverzichtbares Instrumentarium, dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Bei professioneller Vorbereitung und Baubegleitung durch den Planer wird das "Schreckgespenst Vergabe ABM"zu sinnvollen Ergebnissen führen. Neben der Transparenz der VOF - Verhandlungsverfahren durch Beteiligung der Kammern sollten vorerst vielmehr die öffentlichen Auftraggeber dazu angehalten werden, grundsätzlich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch unterhalb der Schwellenwerte Verhandlungsverfahren oder regional begrenzte Wettbewerbe durchzuführen. Die AKT sollte hierzu im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit und mit Hilfe ihrer Mitglieder noch aktiver agieren. Die Forderung eines Fortbildungsnachweises für Architekten ist m.E. nicht zeitgemäß im Zeitalter der weltweiten Übertragung riesiger Daten- und somit Wissensmengen. Die traditionellen Fortbildungsseminare mit persönlicher Anwesenheit werden in Kürze der Vergangenheit angehören. Zudem sollte jedem Planer selbst überlassen sein, aus dem Überangebot von Informationen auszuwählen und hierbei auch das WIE der Wissensvermittlung zu bestimmen. Sollte dennoch ein Berufskollege davon ausgehen, daß Fortbildung für ihn nicht in Frage kommt - der Markt wird`s schon regeln....
Alle anderen genannten Punkte insbesondere zu den Fragen der Städtebauförderung, steuerlichen Förderung von Denkmalen und Sanierungsobjekten sowie die notwendige Überarbeitung von VOB und HOAI kann ich nur ausdrücklich unterstützen.
Ich wünsche uns Thüringer Architekten Engagement und Erfolg bei der Umsetzung dieses Forderungskataloges.
Mit freundlichen Grüßen, Arved Danz, die bauhütte, Mühlhausen"

Nachfolgend die Antwort von Geschäftsführer Michael Beier:

Sehr geehrter Herr Danz,
vielen Dank für Ihre Reaktion auf den Artikel im DAB. Sie sind der einzige von 1850 Mitgliedern, welcher sich schriftlich dazu äußerte. Aber nun zu Ihren Fragen:

1.Auch bei einer privaten Finanzierung muss der öffentliche Auftraggeber die Planungsleistungen getrennt von der Ausführung in einem VOF-Verfahren bekanntgeben und transparent sowie nicht diskriminierend vergeben. Wir leisten mit unserer Forderung nach einer privaten Finanzierung den Generalunternehmern im Bereich der Genehmigungsplanung, der HUBau, keinen Vorschub. Natürlich wechselt bei der Ausführung an einen Generalunternehmer für die Phasen Ausschreibung usw. der Bauherr, der Auftraggeber in Form eines GU. Aber auch dort sind noch die Architekten beteiligt. Leider bestimmt hier der Markt den Preis. Doch sind daran vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schuld. Dazu zählen u.a. der Verlust der alleinigen Bauvorlageberechtigung des Architekten, die Strukturen der Generalunternehmer und -übernehmer seit den 90er Jahren, der Verlust der alleinigen Kompetenz des Architekten bei Qualität, Kosten und Terminen, neue Berufsfelder wie Projektsteuerer und leider auch das Dumpingverhalten bezogen auf die HOAI der Berufsstände Architekten und Ingenieure. Das Überangebot an Planern gegenüber der Nachfrage und dem realisierten Bauvolumen, aber auch die Hochschulen, bei denen jährlich über 2,5 mal soviel Architekten ausgebildet werden als der Bedarf vorhanden ist und der Markt nachfragt, tun ein Übriges!

2. Zu den Vergabe- ABM haben wir unterschiedliche Standpunkte. Wir sind für eine Stärkung des ersten Arbeitsmarktes, der Abschaffung der Förderung von Existenzgründungen im Architektenbereich solange wie die Baukonjunktur lahmt und einer stärkeren Förderung der Existenzsicherung der Architekten über Bürgschaften und Darlehensprogramme sowie Liquiditätshilfen. Das Land hat mit seinem Programm über die Aufbaubank dafür die Grundlagen gelegt. Wir vertreten den Berufsstand der Architekten, der freischaffenden und angestellten, und nicht die Politik der Stärkung des zweiten Arbeitsmarktes!

3. Zu der Vergabe von Planungsleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte verweisen wir auf die Mittelstands-Richtlinie des Thüringer Wirtschaftsministeriums, an der wir sehr aktiv mitgewirkt haben. Dort ist festgeschrieben, dass öffentliche AG auch im kommunalen Bereich bei der Vergabe von Planungsleistungen, mindestens drei Leistungsangebote einholen sollen und eine Transparenz bei der Vergabe gewährleistet sein muss. Wir fordern die Anwendung der VOF seit längerem und beteiligen uns auf vielen Ebenen an den Vergabeverhandlungen. Bestes Beispiel dazu ist die Vergabe der Typenschulsanierungen durch das TFM und die kommunalen Schulträger an 19 Architektur- und Ingenieurbüros in Thüringen Anfang d.J.

4. Zu Ihrer Ablehnung der Pflicht zur Fortbildung muss ich Ihnen mitteilen, dass dieses auch jetzt schon eine langjährige Berufspflicht ist. Natürlich bisher ohne Nachweis gegenüber der Kammer. Im Sinne des Verbraucherschutzes und zum Schutz des Berufsstandes vor Schäden und Regressansprüchen aus seiner Tätigkeit wollen wir mit der nachweisbaren Pflicht zur Fortbildung auch die Kompetenz des Berufsstandes gegenüber anderen Anbietern stärken. Diese Diskussion in den Gremien der Kammer sehe ich auch als Hilfe zur Selbsthilfe und als einen Selbstschutz vor dem Verlust weiterer Kompetenzen!
Noch ist diese berufspolitische Forderung der Nachweispflicht im Prozess der Diskussion innerhalb der Architektenschaft und kann auch erst mit der Novelle des Thüringer Architektengesetzes in der Praxis Realität werden.

veröffentlicht am 26.11.2001 von Susann Weber · Rubrik(en): News

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