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Berufspolitik bedeutet das Bohren dicker Bretter

Ein Interview mit Michael Hardt, Vizepräsident der Architektenkammer Thüringen



Herr Hardt, Sie wurden am 4. Juli von der Vertreterversammlung der Architektenkammer Thüringen zum Vizepräsident gewählt. Nochmals herzlichen Glückwunsch. Warum ist es Ihnen wichtig, sich für die Architektenkammer zu engagieren? Welche Hoffnungen und Wünsche verbinden Sie mit dem Amt des Vizepräsidenten?
In der Wendezeit 1989/90 haben wir zu acht, damals als Mitglieder des BdA (noch mit kleinem „d“), die Thüringer Architektenkammer als Verein gegründet. Ich glaube auch heute noch, dass diese Vertretung unseres Berufsstandes, seit vielen Jahren nun als Körperschaft öffentlichen Rechts, wichtig ist und durch eigenes aktives Handeln gestärkt, aber auch ständig modernisiert und weiterentwickelt werden muss. Es ist ein großes Privileg, dass wir unsere Berufsangelegenheiten selbst regeln und verwalten können.

Daraus entwickelt sich natürlich auch die Konsequenz: Wir selbst müssen diese Prozesse inhaltlich füllen, gemeinsame Werte bilden, öffentlich verteidigen und transportieren, kurz: Unseren Berufsstand offensiv in der Öffentlichkeit vertreten.

Hierbei sind wir alle gefordert und damit meine ich: Gemeinsames Engagement junger und älterer Kollegen/innen, Initiativen in und aus den örtlichen Kammergruppen heraus, Öffentlichkeitsarbeit in vielen möglichen Facetten. Es gilt, klar und deutlich unsere Kernbotschaft herauszuarbeiten: Wir sind ein schlagkräftiger kompetenter Berufsstand!

Was sind für Sie derzeit die größten berufspolitischen Herausforderungen? Welches sind Ihre Themen und Anliegen für das Jahr 2009?
Die berufliche Verantwortung der planenden und bauenden Architekten steigt ständig an. Die Politik verspricht zwar, Bürokratie abzubauen, aber die in der täglichen Arbeit zu beachtenden Gesetze werden nicht einfacher, sondern länger und komplizierter. Veränderte Gesetze führen dazu, dass sich höhere Verantwortung in unseren Haftungsbereich verlagert, die Behörden durch Wegfall von Prüfungen entlastet werden. Unsere notwendigen, zu erbringenden Beratungspflichten steigen ständig an. Es sind Kenntnisse im Brandschutz, Wärmeschutz, in energetischen Fragen notwendig. Neue Entwicklungen gilt es einzuschätzen, komplizierte Fragen der technischen Gebäudeausrüstung in das breite Spektrum unserer notwendigen Kernkompetenz einzubinden.

Unsere Antwort darauf: Wir stellen uns diesen komplexen Aufgaben, wollen weiterhin technische, ökonomische und wirtschaftliche Kompetenz vermitteln und diese für unsere Auftraggeber in hoher gestalterischer Qualität zu einem Gesamtbauwerk zusammenführen. Unser Ansatz ist dabei, dass der Architekt der Generalist bleiben soll. Aber wie in der Musik gilt auch hier: Für ein gutes Konzert ist ein Orchester mit vielen Stimmen nötig, ein Dirigent allein erreicht nichts. Qualifizierte Planung kann nur gemeinsam mit qualifizierten Fachingenieuren erbracht werden.

Dazu kontraproduktiv sind die Ergebnisse des Bolognaprozesses: Nach 6 Semestern Studium verlassen Bachelor als Architekten oder Fachingenieure die Bildungseinrichtungen mit einem Abschluss, der von der Politik als Grundlage einer Berufsausbildung vorgesehen war, es aber nicht ist. Hier müssen wir unbedingt gemeinsam, Architekten und Ingenieure, ein Interesse daran haben, die notwendige Qualifikation für die Bauvorlageberechtigung im Sinne von gebauter Qualität und Schutz unserer Auftraggeber zu erhalten. Es geht ausdrücklich nicht um Mauern, die wir um (und hier sage ich ausdrücklich gemeinsam) Architekten- und Ingenieurkammern aufbauen wollen, sondern um einen weiterhin funktionierenden Verbraucherschutz und die Grundlagen, eine hohe Qualität der gebauten Umwelt zu erhalten und weiterzuentwickeln. Eine Bauvorlageberechtigung darf es weder in der Architekten- noch in der Ingenieurkammer nach nur 6 Semestern Regelstudienzeit geben. Die notwendige Qualifikation für die Mitgliedschaft darf nicht abgesenkt werden.

In der Architektenkammer fehlen uns junge aktive Mitglieder. Wir müssen speziell ihr Interesse stärker wecken. Oft höre ich: Was macht denn die Kammer für mich? Warum soll ich dort eintreten? Meine kurze Antwort ist dann: Die Kammer sind wir. Vielleicht müssen wir unsere Tätigkeiten transparenter gestalten und zeigen, dass wir kein geschlossener Klub sind. Nur: Zu uns hinbestellen können wir keinen. Interesse an Mitarbeit muss vorhanden sein. Diese Arbeit ist auf vielen Ebenen nötig und ausbaufähig: In der Kammer selbst, in Ausschüssen und Arbeitsgruppen sowie außerhalb, in den Kommunen, Parteien, politischen Gremien. Die Mitgliedschaft in der Kammer bietet die Chance, zur Vernetzung gemeinsamer Anliegen, zur Information, zum Einbringen von Themen und Anliegen. Unsere Türen und Köpfe sind offen für Vorschläge und Ideen.

Wir sollten auch weiter auf unsere Kollegen/innen in der Ingenieurkammer zugehen. Viele der Probleme, die wir lösen müssen, wie die Überalterung unserer Mitglieder, die notwendige Bindung junger Mitglieder an uns, der Umgang mit den Bachelorabschlüssen, das Bemühen um den Erhalt eines hohen Niveaus der Baukultur u.a. können wir nur gemeinsam lösen.

Ich möchte mich bemühen, in VOF-Verfahren oder Wettbewerben wieder mehr Kollegen/innen echte Chancen zu geben und fehlende Transparenz herzustellen. Wenn die Auslober vordergründig über Referenznachweise entscheiden, sind die größeren Büros, die schon von jeder Gebäudekategorie ein Beispiel vorweisen können, im Vorteil. Das darf nicht der Maßstab sein. So kann Mittelstandsförderung in unserer Branche nicht verstanden werden. Wer einen komplizierten Kindergarten oder ein Niedrigenergie - Wohnhaus gebaut hat, ist auch in der Lage, ein Verwaltungsgebäude zu planen. Hier müssen unbedingt die kleinen Büros und die Bietergemeinschaften gestärkt werden. Als Architekten fordern wir eine transparente Prüfung und eine nach­voll­ziehbare Wertung. Wenn wir als letzte Berufsgruppe kostenlos immense geistige Leistungen erbringen, erwarte ich von den Auslobern ebenfalls ein stärkeres Engagement, mehr Mut bei Entscheidungen, mehr Phantasie mit besserer Vorbereitung, ehrliche nachvollziehbare Antworten, höhere Aufwandsentschädigungen und letztlich auch einen geringeren bürokratischen Aufwand für die Bewerbungen.

Jedes Vorstandsmitglied wird einen Ausschuss inhaltlich begleiten. Sie bilden für den Vorstand die Schnittstelle zum Ausschuss für Fortbildung. Welchen Stellenwert nimmt Ihres Erachtens die Fortbildung in der Berufspraxis ein? Welchen Schwerpunkten sollte sich der Ausschuss im Rahmen seiner Arbeit widmen?
Das neue Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz vom Februar 2008 beschreibt die Verpflichtung, uns „…beruflich weiterzubilden, dass (wir) mit der beruflichen Entwicklung so weit Schritt halten, wie dies für eine sichere und effiziente berufliche Leistung erforderlich ist…“. In der neuen Hauptsatzung der Architektenkammer Thüringen, die noch in diesem Jahr von der Vertreterversammlung verabschiedet werden soll, wird die „…mitgliedschaftsbezogene Berufspflicht… der beruflichen Fortbildung“ beschrieben. Unsere in Thüringen geltende Fortbildungsordnung aus dem Jahr 2004, mit der wir damals ein Punktesystem, Fortbildungskonten, Nachweispflichten und die Ahndung von Versäumnissen regelten, werden wir in den nächsten Monaten neu erarbeiten.

Jedem Architekten dürfte klar sein, dass eine Berufsausübung ohne ständige Weiterbildung schlichtweg nicht möglich ist. Das Belegen von Seminaren, Lehrgängen, Kongressen und Tagungen, aber auch das Lesen und Studieren von Fachliteratur, Fachgespräche mit Kollegen und Vertretern von Fachfirmen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Der neu zu gründende Ausschuss Fortbildung wird, wie in der Vergangenheit auch, weiterhin in Zusammenarbeit mit der Bauhaus Akademie Schloss Ettersburg die aktuellen Weiterbildungsprogramme erarbeiten. In diesem Ausschuss werden auch die Grundzüge der neuen Fortbildungsordnung entstehen. Ich plädiere für ein möglichst hohes Niveau verschiedenster Fortbildungsangebote und wünsche mir eine lebhafte Beteiligung meiner Kollegen/innen, ohne Punkte zu sammeln und Listen in der Kammer führen zu müssen.

Ein Ehrenamt für die Kammer wahrzunehmen, bedeutet immer auch, sich neben dem beruflichen Alltag Zeit zu nehmen, um sich für die berufspolitischen Belange einzusetzen. Man braucht einen langen Atem und die Erfolge, die man erzielt, erreicht man häufig nur mit einer Vielzahl kleiner Schritte. Was sagen Sie jungen Architekten, worin liegt der Reiz berufspolitischer Arbeit? Wie motivieren Sie im Rahmen Ihrer Kammergruppe für mehr ehrenamtliches Engagement?
Ich sage oft, dass es bei jeder Arbeit oben das Sahnehäubchen und darunter den schwarzen Kaffee gibt. Das kann für ein Projekt im Büro stehen, den Büroalltag oder auch die ehrenamtliche Arbeit in der Architektenkammer. Für unseren Beruf, dessen Studium in Weimar mir nicht in den Schoß fiel, die Berufsausübung, in der es Hoch- und auch andere Zeiten gab, der aber auch nach 28 Jahren noch Spaß bereitet, begeistere ich mich immer noch.

Ohne aktive Architekten im Beruf und ehrenamtliches Engagement kann die Architektenkammer nicht existieren. Diesen Zusammenhang sollten wir nicht auflösen und den Staffelstab alle Jahre weitergeben. Erfolge gibt es auch in dieser Arbeit. Ist nicht die aktuelle Ankündigung aus Richtung Politik, nun „die HOAI zu erhalten“ (was immer das auch heißen mag – der Kampf ist sicher noch nicht gewonnen) und die Honorarsätze um (endlich) zehn Prozent anzuheben ein (später) Erfolg berufspolitischer Arbeit vieler einzelner unserer Mitglieder?!

Die Podiumsdiskussion „Zukunft der Architektenkammer Thüringen“ befasste sich u.a. mit den Perspektiven der Kammer. Wie sieht abschließend gefragt Ihre Vision zur Architektenkammer Thüringen 2013 aus?
Wenn wir als Architekten nicht aufhören wollen, unsere Interessen in die Öffentlichkeit zu tragen, wenn wir weiter versuchen, Ideen zu entwickeln, Trends aufzuspüren, Aufgaben, die uns gestellt werden, in hoher Qualität zu lösen, dann brauchen wir auch weiterhin eine gemeinsame Interessenvertretung unseres Berufsstandes. Es wäre ein schönes Ziel, in den nächsten Jahren mehr jüngere Kollegen/innen zu gewinnen, für die Architektenkammer Thüringen und für vielfältige Mitarbeit in der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Ich wünsche uns, dass wir ein aktiver „Haufen“ bleiben, Junge und Ältere, Erfahrung und Berufsstart, miteinander im Gespräch und dass wir über die vielen kleinen Schritte, die wir gehen müssen, nicht verzweifeln.

Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin AKT

veröffentlicht am 31.10.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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