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Berufspolitisches Engagament sichert eigene Existenz

Ein Interview mit Jutta Kehr, Mitglied des Vorstands der Architektenkammer Thüringen

Frau Kehr, Sie sind Vizepräsidentin des BDIA und gehören zu den Gründungsmitgliedern der Architektenkammer Thüringen (AKT). Worin liegt für Sie der Reiz der berufspolitischen Arbeit?
Als mit der Wende die Möglichkeit bestand, als freie Innenarchitektin ein eigenes Büro zu gründen, war mir auch sehr schnell bewusst, dass das eine außergewöhnliche Chance ist, durch berufspolitisches Engagement für meinen Berufstand und natürlich auch für mich persönlich die Weichen für Berufsausübung und Berufssicherung mit zu stellen. Über den BDIA hatte ich sehr schnell Kontakt zu engagierten Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern, die sehr offen über die Notwendigkeit berufspolitischer Arbeit sprachen, von Chancen, Einflussnahme und Erfolgen, von Schwierigkeiten und Enttäuschungen.

Es war eine unglaubliche Zeit: Endlich konnte man selbst etwas gestalten, in einem spannenden Entwicklungsprozess Ideen und Vorstellungen einbringen. Das Gefühl, in berufspolitischen Gestaltungsprozessen dabei sein zu wollen, ist mir über die Jahre nie abhanden gekommen. Allerdings kann und darf man sich auf dem Erreichten nicht ausruhen. Alles ist in Bewegung. Mit der Globalisierung, der Einführung des Euro und der europäischen Öffnung ist immer wieder auch die eigene Stellung zu behaupten. „Amboss oder Hammer sein“, wenn ich hier Goethe fragmentarisch zitieren darf - darauf gibt es doch als Antwort nur das Engagement. Das war oft nicht ganz bequem und hat ein opulentes eigenes Zeitbudget verlangt. Aber ich habe die Arbeit auch immer als persönliche Herausforderung gesehen, über deren Erfolge man sich natürlich freut und von der man auch eine persönliche Weiterentwicklung mitnimmt.

Im Vorstand der AKT vertreten Sie die Belange der Innenarchitekten. Was waren rückblickend die größten Erfolge, die seit Gründung für Ihre Berufsgruppe erzielt werden konnten?
Ganz wichtig war sicherlich, dass die gegenseitige Akzeptanz der vier Sparten Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, die sich beim Start 1990 absolut gleichwertig verstanden, bewahrt werden konnte. In Thüringen gab es immer rund 45 eingetragenen Innenarchitekten. Darum sind wir natürlich auf breite und faire Unterstützung aus der gesamten Architektenschaft angewiesen. Diese Partnerschaft hat zumindest in den Gremien der AKT, wie im Vorstand und in den verschiedenen Arbeitsgruppen über die Jahre eher zugenommen.

Ein Erfolg war natürlich, dass für Thüringer Innenarchitekten das Bauvorlagerecht für Bauen im Bestand durchgesetzt und bei Novellierungen in vollem Umfang erhalten werden konnte. Auf der Grundlage eines exemplarischen Studienvergleiches, ausgearbeitet von der AK NRW, hat der Vorstand der AKT in einem Positionspapier sogar die Gleichstellung von Innenarchitekten mit den bauvorlageberechtigten Bauingenieuren gefordert.

Das war schon ein Erfolg, wenngleich auch eher moralischer Art, weil auf landespolitischer Ebene hier weder Akzeptanz noch Gesprächsbereitschaft bestand.

Wo sehen Sie zukünftig für Ihre Berufsgruppe in der berufspolitischen Arbeit die größten Herausforderungen?
Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen hat in Artikel 48 eine Mindeststudienzeit von vier Jahren/acht Semestern für Architekten festgeschrieben. Auf politischer Ebene wurde daraus abgeleitet, dass für Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner somit weniger als vier Jahre Ausbildungszeit ausreichend sei. Sinnvoller freilich wäre hier die Interpretation des Begriffs Architekten für alle vier Fachrichtungen gewesen, sozusagen als Garant, dass auch weiterhin deutsche Innenarchitektinnen und Innenarchitekten umfassend und solide ausgebildet ihrer Berufsaufgabe gerecht werden können.

Im neuen Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz wird für Innenarchitekten nun auch die Möglichkeit eingeräumt, nur eine dreijährige Studienzeit und entsprechende Praxisjahre als Voraussetzung der Berufsausübung und Mitgliedschaft in der Architektenkammer zu absolvieren. Ich muss es nun fast schon als Hohn bezeichnen, dass parallel dazu bereits Überlegungen der Bauministerkonferenz bekannt geworden sind, mangels zu erwartender Ausbildungsqualität das berufsnotwendige Bauvorlagerecht an intensive Fortbildungsmaßnahmen und eine kammerunabhängige Eintragungskommission zu koppeln. Hier ist eine äußerst problematische Situation entstanden, die ganz gewiss perspektivisch eine große Herausforderung darstellt, insbesondere da sich die Federführenden im zuständigen Thüringer Ministerium trotz intensiver Gespräche mit Präsidium und Vorstand der AKT unverständlich beratungsresistent und ignorant über die Bedürfnisse unseres Berufstandes hinweg gesetzt haben.

Aber damit nicht genug. Ende Februar hat der veröffentlichte Entwurf zur Novellierung der HOAI in vielen Teilen meine schwärzeste Fantasie übertroffen. Insbesondere für Innenarchitekten bedeutet der geplante Wegfall der Zuschläge nach §§ 24 und 25 eine nicht hinnehmbare existenzbedrohende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation.

Die Herausforderungen sind also ganz existenzieller Art. Sie werden unser ganzes Engagement erfordern und EINE gemeinsame Stimme.

Was bedeutet für Sie zeitgemäße Kammerarbeit, und warum kann es gerade auch für junge Kollegen interessant sein, sich für die Kammer zu engagieren?
Die Architektenkammer Thüringen hat ca. 1.900 Mitglieder, die diese Körperschaft öffentlichen Rechts, die ich auch als Gemeinschaft bezeichnen will, nutzen (sollten), ihre berufspolitischen Interessen zu vertreten, mit einer professionellen zielgruppenorientierten Öffentlichkeitsarbeit Qualität, Vielfalt und Nutzen ihrer Leistungen darzustellen, die u.a. auch einen wichtigen Beitrag zur Baukultur unseres Landes bilden.
Zeitgemäße Kammerarbeit bedeutet heute mehr denn je Aktivität des Einzelnen in der Gemeinschaft. Wenn unser Berufstand auf politischer Ebene so wenig Unterstützung erfährt, ist es notwendig, Verbündete und Partner dort zu suchen, wo unsere Wirkungsfelder liegen. Wir planen ja nicht um der baulichen Hülle willen oder der wohlstrukturierten Stadtgebiete wegen. Wir planen doch für Menschen, die einen Anspruch haben, die beste Lösung von uns zu bekommen. Um das tagtäglich öffentlich zu machen, ist es notwendig, dass jeder von uns das Quäntchen Engagement in (s)eine (Öffentlichkeits)Arbeit legt, das das Ansehen unseres Berufsstandes fördert.

Ich denke da zum Vergleich an die Eisenbahner. Hätten sie wirklich so hart verhandeln können, wenn es nicht Zustimmung und Verständnis aus der breiten Bevölkerung gegeben hätte?

Die Kammer ist eine Plattform mit vielen Kontakten und vielen Podien. Sollte das nicht besonders für junge Kollegen interessant sein? Quer und unkonventionell über neue Tätigkeitsfelder nachdenken, visionär die Berufspolitik diskutieren - Themen der alten Hasen oder jungen Kollegen?

Gerade jetzt ist eine gute Zeit für junge Kollegen, sich für die Mitarbeit in der Vertreterversammlung aufstellen zu lassen. Wer sich noch auf 30 Berufsjahre freut, kann sich doch nicht zurücklehnen und darauf vertrauen, dass schon alles seinen Gang geht. Kammerarbeit ist so zeitgemäß, so interessant und so lebendig, wie die Mitglieder selbst den Input senden.

Das Thüringer Architekten- und Ingenieurkammerkammergesetz, das im Februar verabschiedet wurde, formuliert als eine Variante der Eintragungsvoraussetzungen für die Innenarchitekten ein dreijähriges Studium und danach eine mindestens vierjährige praktische Berufstätigkeit. Sind dies ausreichende Voraussetzungen, um als Sachwalter des Bauherrn tätig sein zu können?
Fast habe ich darauf schon in Zusammenhang mit unseren berufspolitischen Herausforderungen geantwortet. Die Antwort ist ganz eindeutig: NEIN! Gerade für Innenarchitekten ist ein ganz breites Spektrum an Wissen in der Praxis gefordert. Unser Haupttätigkeitsfeld liegt beim Bauen im Bestand.

Das verlangt ein hohes Maß baukonstruktiver, bauphysikalischer, technischer und baugeschichtlicher Kenntnisse. Ebenso unerlässlich sind aber Kenntnisse in Soziologie, Ergonomie und Psychologie. Und da habe ich noch kein Wort über die funktionellen, gestalterischen, künstlerischen und sinnlichen Parameter verloren, die unsere Arbeit verlangt. Wie sollen all diese wirklich notwendigen Fachkenntnisse in einer dreijährigen Ausbildung vermittelt werden? Wir müssen den jungen Leuten vermitteln, dass nur Masterabschlüsse ausreichende Kenntnisse zur Berufsausübung von Innenarchitekten gewährleisten.

Wir müssen ihnen auch sagen, dass nur etwa für 25% der Bachelor überhaupt ein Masterstudienplatz zur Verfügung steht. Und sie sollten auch wissen, dass BaföG nur gezahlt wird, wenn durchlaufend bis zum Masterabschluss studiert wird.

Möglicherweise finden die Bachelor ihre Nischen, z.B. in der Industrie, im Einrichtungshandel, in Planungsbüros als Techniker oder Farbgestalter. Aber mit dem umfänglichen Berufsbild Innenarchitekt hat das dann nur noch partiell zu tun.

Sie sind Mitglied der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit in der AKT. Welches Image haftet den Innenarchitekten in der Öffentlichkeit an? Welche Möglichkeiten sehen Sie, in der Öffentlichkeit verstärkt auf die Kompetenz der Innenarchitekten hinzuweisen?
Das Berufsbild Innenarchitekt war in der DDR weitgehend unbekannt. Dies ist nicht verwunderlich, da in Heiligendamm jährlich nur zwischen 12 und 25 Innenarchitekten das Studium abschließen konnten. Deshalb wurde nach der Wende eine intensive Basisarbeit nötig, um uns am Markt zu etablieren. Insbesondere unsere Tätigkeitsfelder Umbau, Sanierung, Modernisierung müssen weiterhin ganz gezielt in der Öffentlichkeit beworben werden.

Der letzte BDIA Aktionstag „Innenarchitektur offen“ hat mit fast 300 Interessierten aber gezeigt, dass uns nicht unbedingt das Image TEUER und LUXUS anhaftet, sondern Neugier und auch der Wunsch nach Beratung vorhanden sind. Da konnten wir sozusagen hautnah vermitteln, wie wir unsere Arbeit tun und was wir für unsere Auftraggeber leisten können. Das war ein gutes Stück Öffentlichkeitsarbeit für den ganzen Berufsstand.

Schade nur, dass kein Vertreter aus öffentlichen Bereichen zu uns gefunden hatte. Kindergärten, Schulen, Seniorenhäuser, Generationenhäuser, Krankenhäuser, Pflegeheime, Gemeindehäuser usw. könnten nämlich auch sehr profitieren, wenn Innenarchitekten, wenn schon nicht federführend, dann zumindest als Fachplaner mit im Boot wären.

Gerade Räume für Kinder, Betagte und Kranke müssen doch in ihrer inneren Erlebbarkeit optimal sein.
Die Gestaltung von Lebensräumen ist wieder ganz stark zum gesellschaftlichen Thema geworden. Das mag mit der fortschreitenden Globalisierung und der menschlichen Sehnsucht nach Geborgenheit wenigstens in der Behausung zu tun haben.

Öffentlichkeitsarbeit bedeutet für mich die ganz persönliche Ansprache unserer Zielgruppen und die unkonventionelle Präsentation von Ergebnissen in der Öffentlichkeit.

Interview: Dipl.-Ing. Architektin Gertrudis Peters, Geschäftsführerin AKT

veröffentlicht am 27.03.2008 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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