Computersysteme als Medium
Vernetzte Computersysteme als Arbeits- und Planungsmedium für Architekten in einem Planungsbüro
1. Warum eigentlich?
Heute wird über die Vernetzung unserer Arbeitswelten sehr viel geschrieben. Die Architekten richten zunehmend ihr Arbeitsprofil und Arbeitsumfeld auf die Möglichkeiten der Computernetze, insbesondere auf die des Internets aus. Seine Arbeit systematisch organisierend, sind Techniken der örtlich übergreifenden Informationsverwaltung dem Architekten in jedem Fall willkommen. Als Generalist und Organisator, als Informationslieferant und Informationskonsument liegen hier Chancen vor, nicht nur eine zeitgemäße technische Unterstützung zu nutzen, sondern auch seinen Arbeitsumfang und Arbeitsprofil neu auszurichten.
Leider halten sich überzogene Versprechungen und wahrhaftige Entwicklungen die Waage. Im Dickicht der täglichen Neuentwicklungen lassen sich nur schwer wirklich Sinnvolles von einfach nur Lästigem unterscheiden. Im Grunde genommen ist es recht einfach. Computernetzwerke bestehen aus nichts anderem als eindeutig ansprechbaren Computern, einer Verbindung dazwischen und einer einheitlichen (oder überschaubaren) Verständigung. Dem zu folge gibt es klassische Techniken und Dienste auf Basis der Internettechnologien und darauf aufsetzende Kombinationen und Erweiterungen.
2. Die etablierten Dienste im Internet
Entwicklungsbedingt finden sich (oft unter anderem Namen) folgende bewährte Techniken des Informationsaustausches auf der Basis des Internet:
Elektronische Post:
Als e-mail verbreitet das Schicken, Weiterleiten und Empfangen von Textnachrichten an/von ein oder mehrere Empfänger/Absender. Heutige Serviceprogramme erlauben das Kombinieren mit Bildern und das Verknüpfen mit beliebigen Datei-Anlagen.
Dateiversendung:
Als FTP ein klassischer Dienst der Computernetzwerke. Er gewährt das Empfangen und Versenden von ein oder mehreren Dateien zu bzw. von einer Computeradresse zu einer weiteren.
Rechnersteuerung:
Als telnet bezeichnet, erlaubt dieser Dienst eine teilweise oder völlige Kontrolle eines Computers von einem (entfernten) Computer aus. Dies beinhaltet nicht nur Informationen dort hinlegen oder abholen, sondern auch das Benutzen von Anwendungsprogrammen und die Rechnersystemadministration.
World Wide Web:
Fast sehr spät zu den klassischen Netzdiensten und -techniken dazugekommen, besteht bei dem Dienst im Internet das Kennzeichnende daran, das denkbar unterschiedliche Informationen (Texte, Bilder, Videos, Ton, Formulare usw.) miteinander verknüpft (die "Web-Seite") sind. Hier spielt es keine Rolle, auf welchen Systemen sie erstellt wurden, durch eine einheitliche Notation (http) versteht dies jedes "Fenster" zum Internet (Browser). Bei heutiger Vielfalt von Computern und Formaten schon eine wirkliche Meisterleistung. Ehrlich.
3. Die neuen Dienste im Internet
Ermöglichen die bislang erwähnten Funktionen in Computernetzwerken nur ein zeitlich versetztes Kommunizieren (eine geschäftliche Anfrage per e-mail wird erst beantwortet, wenn die Anfrage (irgendwann) gelesen wird), so kommen in den letzten Jahren neue Techniken hinzu, die die alten Dienste nutzend, ein direktes Kommunizieren gestatten.
Video-/Audiokonferenzen:
Ein oder mehrere Beteiligte sehen und hören sich in einem Videofenster auf dem Computerbildschirm. Voraussetzung ist nicht nur entsprechende Technik, vor allem die Datenübertragung muss gewährleistet sein. Mit aufkommenden Breitbandverbindungen eigentlich kein Problem, aber in den nächsten Jahren immer noch recht abenteuerlich. Raubt Nerven und man versucht ständig die Satzfetzen zu entschlüsseln.
Digitales Zeichenbrett:
Auch als "Whiteboard" bekannt, können ein oder mehrere Benutzer gleichzeitig eine digitale Zeichenfläche auf dem Bildschirm benutzen. Hier kann nicht nur gezeichnet oder skizziert werden, auch Bilder und Computerzeichnungen lassen sich in den "graphischen Dialog" mit einbeziehen.
Gemeinsame Programmbenutzung:
Örtlich beliebig verteilt, können mehrere Benutzer ein Programm und entsprechende Nutzerdaten (z. B. Architekturplan) gleichzeitig benutzen. Um mögliches Chaos zu minimieren, hat zumindest ein Benutzer Verwaltungsrechte, der anderen Benutzern bestimmte Rechte zuweisen kann. Verstärkt bieten Softwareentwickler auch für und innerhalb von Architektursystemen diesen Dienst an (als Planmanager oder Zugriffsverwaltung).
Viele Anbieter entwickeln heute fachspezifische und maßgeschneiderte Kombinationen all dieser Dienste. Solche "Bauportale" (s. a. Zeitschrift Bauinformatik, Heft 6, 2001) kombinieren e-mail, Dateitransfer, Nachrichtendienste und WorldWideWeb-Techniken zur effizienten Unterstützung der Planungs- und Bauausführungsprozesse. Hinter den "Virtuellen Programmgemeinschaften" steht ein mehr oder minder geschicktes Verwalten der informellen Prozesse in Planungsgeschehen: Protokolle versenden, Empfangsbestätigungen erhalten, Zeichnungen ablegen usw.
4. Wie nun weiter?
Im vielfältigen Angebot der kommerziellen Techniken und Servicefunktionen der Kommunikation im Internet lassen sich folgende Nutzungsmöglichkeiten für uns Architekten mit drei Stichworten umreißen:
- Informieren,
- Kommunizieren und
- Interagieren
Die Erfahrungen und Anwendungsmöglichkeiten steigen: teleteaching, telelearning, teleworking sind längst die versteckten Anzeichen für eine neu Arbeitskultur und für ein neues Äquivalent von gebauter Architektur. Aber das ist ein gänzlich anderes Thema. Oder?
1. Informieren in Computer Netzwerken
Eine schon klassische und selbstverständliche Nutzung, das Internet. Informationsangebote wurden gesucht und zusammengestellt. Auf die gleiche Weise stellte man seine Aspekte im Netz zur Verfügung. Das Verhalten änderte sich von Grund auf: "Informationen auf Abruf" prägt das Verhalten. Über Abonnements oder ratenweises Bezahlen fragt man nur die Informationen (zu einer Bauvorschrift, zu einem Produkt) ab, die schnell benötigt werden. Sogenannte "Online-Informationen" verdrängen die "offenen Angebote" wie CDs, Bücher und Kataloge. Viele Architekturbüros sind heute "am Netz", wenn auch mit schrecklich überdrehten Darstellungen und oft veralteten Informationen. Dies ist kein abfälliger Vorwurf, sondern kennzeichnend für die aktuelle Umbruchphase, wo eben noch niemand so richtig weiß, wo es wirklich lang geht.
2. Kommunizieren in Computer Netzwerken
Das Telefon als ein bewährtes synchrones Kommunikationsmedium (ohne dem Anrufbeantworter...) bekommt ebenbürtige Partner, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht so anspricht: Das Internet als Kommunikationsplattform verbindet alle Beteiligten bei der Umsetzung der anstehenden Aufgaben: synchron und /oder asynchron. Viele Benutzer ertappen sich bei dem Umstand, zunehmend mehr e-mails zu schreiben, als Telefonate zu führen. In unserem Architekturbüro ist es ebenso. Das parallele Versenden, das Kombinieren mit Informationsanhängen und das protokollarische textliche Frage/Antwortspiel hat seine Vorteile im Baugeschehen, wo der "Verlust der Erinnerungsfähigkeit" ein vielbeobachtetes Phenomen darstellt. Das Kommunizieren umfasst aber neben der klassischen e-mail auch die integrierten Bauprotokolle oder den Austausch von Dateien über FTP. Es ist sicher, funktioniert nahezu ohne Störung, ist protokollierbar und elegant. Wirklich zu empfehlen.
3. Interagieren in Computer Netzwerken
Diese "Dienstverwendung", dicht und kommunikationsintensiv in einem unmittelbaren Austausch zu treten, ohne sich gegenüber zu sehen, stellt - trotz aller Verheißungen - eine sehr spannende aber auch spekulative Nutzungsvariante dar. Gewiss von Technik und System prinzipiell unterstützt, zeigen sich erst eher bescheidene Verwendungen. Aufwendige Videokonferenzräume zwischen Berlin und Bonn blieben anfangs noch leer, die Beteiligten mussten sich erst damit anfreunden. Spannend und für den Architekten äußerst sinnvoll erscheint es in jedem Fall:
- Kann doch parallel "von Angesicht zu Angesicht" (mittels Video)
- "auf einem Blatt Papier" (Whiteboard)
- "in einer Grundrisszeichnung (verteiltes Arbeiten)
- "in einer 3D-Welt (immersives Arbeiten)
In unserem Architekturbüro testen, arbeiten und entwickeln wir zusammen mit der Universität auf den drei Ebene der hier formulierten aktuellen Nutzungen der Netztechnologien für Architekten. Weltweit verteilte Arbeitsgruppen, Entwurfs-Workshops mittels Techniken des verteilten Arbeitens und Kommunizierens, stellen dabei gewiss die anspruchsvollste und auch technisch instabilste Arbeitstechnik dar. Hier mit Unterstützung der Universität erproben wir Techniken und Planungsprinzipien für derartige Arbeitsumgebungen. Für die alltägliche Arbeit wollen die Autoren dem Architekturbüro diese Verfahrensweise noch nicht in Gänze zumuten. Aber über "homepage", e-mail und dergleichen redet schon keiner mehr. Dies in einem Büro mittlerer Größe, wo die Architekten häufig frustriert sind, dass der Computer oft so verstockt ist, wie manches Bauamt.
prof.dr. dirk donath, dr.ing. petra wenzel
architektengemeinschaft nitschke-donath