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Dr. Volker Sklenar: Grußwort zur Fachtagung "Integrierte Entwicklung im ländlichen Raum"

Dr. Volker Sklenar, Thüringer Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt

Sehr geehrter Herr Präsident Strube,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Saitz,
sehr geehrter Herr Beier,
sehr geehrter Herr Direktor Dr. Constantinou,
sehr geehrter Herr Abteilungsleiter Engert,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zunächst vielen Dank für die Einladung zu der heutigen Fachtagung „Integrierte Entwicklung im ländlichen Raum“, die die Architektenkammer Thüringen und die Ingenieurkammer Thüringen gemeinsam veranstalten.
Ich habe die Einladung sehr gern angenommen und begrüße den Gedanken- und Meinungsaustausch zu diesem hoch aktuellen und interessanten Thema.

Ich weiß aus unserem ständigen Dialog - eine gute Praxis, die ich gerne fortführen möchte -, dass in der Dorfentwicklung und Flurbereinigung seit Jahren eine gute Zusammenarbeit zwischen der zuständigen Fachabteilung Ländlicher Raum des TMLNU, den drei Thüringer Ämtern für Landentwicklung und Flurneuordnung und den beiden ausrichtenden Kammern besteht.

Nach einjähriger Erfahrung aus dem Umsetzungsprozess heraus ist mit dem In-Kraft-Treten der Förderrichtlinie zum 1. Januar 2005 die Einführung des neuen Fördergrundsatzes der Integrierten ländlichen Entwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ in Thüringen erfolgreich vollzogen.

Mit dem neuen Fördergrundsatz können ländliche Regionen nunmehr bei der Erarbeitung von Entwicklungskonzepten, den Integrierten ländlichen Entwicklungskonzepten, und bei der Umsetzung der Konzepte durch ein Regionalmanagement unterstützt werden.
Das hat in Fortsetzung der bisherigen Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung bei den Akteuren eine sehr positive Resonanz gefunden.

Die bisherigen Maßnahmen der Dorferneuerung, Flurbereinigung und des ländlichen Wegebaus wurden in den Fördergrundsatz integriert und um weitere investive Maßnahmen ergänzt.
Mit dem neuen Ansatz soll die Förderung stärker raumbezogen ausgerichtet und die Einzelmaßnahmen besser aufeinander abgestimmt werden.
Außerdem sollen Synergien mit anderen Förderprogrammen des Landes – beispielsweise der Städtebauförderung – noch besser genutzt werden.

Mit 232 Agrarstrukturellen Entwicklungsplanungen auf ca. 60 % der Landesfläche, einer Vielzahl weitere Planungen, wie den Regionalen Entwicklungskonzepten und ersten geförderten neuen Integrierten ländlichen Entwicklungskonzepten und Regionalmanagements sind die planerischen Vorraussetzungen für die integrierte ländliche Entwicklung in Thüringen weitestgehend geschaffen.
Weitaus mehr erwarten unsere ländlichen Regionen, dass sich eine Finanzierung investiver Maßnahmen zeitnah anschließt.

Planung muss das Versprechen zur Umsetzung beinhalten!

Eine integrierte ländliche Entwicklung benötigt Umsetzungsinstrumente, die einen Bezug zum Grund und Boden, zum Eigentum haben.

Das ist der Erfolgsfaktor!

Ohne Eigentumsregelung sind viele Entwicklungsmaßnahmen nicht möglich oder ihre Nachhaltigkeit ist in Frage gestellt.

Die Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, in denen zugleich Eigentumsregelung und Investitionen umgesetzt werden, haben daher für die integrierte ländliche Entwicklung auch weiterhin eine zentrale Bedeutung in Thüringen.
Dies sage ich nachdrücklich an die Adresse des Bundes, der gerade im Blick auf die Flurbereinigung offenbar andere Vorstellungen hat, die an den Bedürfnissen im Freistaat Thüringen aber völlig vorbeigehen!

Ich sage: Flurbereinigung ist im Konzert der Integrierten ländlichen Entwicklung unverzichtbar. Das sagen uns alle Akteure im ländlichen Raum, die Landwirte, die Bürgermeister und die Natur- und Umweltschützer.

1.768 Gemeinden und Ortsteile kamen bis dato in die Gunst der Förderung der Dorferneuerung und Dorfentwicklung.
Für die Umsetzung eines Investitionsvolumens von über 1,5 Mrd. € wurden bisher ca. 650 Mio. € Fördermittel bereitgestellt.
Das ist ein wichtiger Baustein für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, im Dienstleistungs- und Baugewerbe.

Knapper werdende Mittel zwingen uns aber auch zu einer inhaltlichen Neuausrichtung.
Klare Prioritäten werden künftig Projekte haben, die dörfliche Entwicklung auch unter den Aspekten Einkommenserwerb, Arbeitsplätze, Jugend, Familie und Bildung befördern.

Wir müssen auf Abwanderung und Überalterung reagieren.
Wir dürfen nicht länger zusehen, wie gerade unsere jungen Menschen und insbesondere junge, gut ausgebildete Frauen unser Land verlassen!

Ländliche Räume werden nur dann zukunftsfähig sein, wenn es gelingt, den Bedürfnissen und Interessen der Familien und insbesondere der jungen Dorfbewohner gerecht zu werden.

Dieser Trend kann nur durch außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze, die ausreichende Einkommen bieten, und zukunftstaugliche, lebenswerte Dörfer gebrochen werden.
Die Förderinstrumente der integrierten ländlichen Entwicklung können ergänzend wirken. Der Entwicklungsschub muss aus den Regionen selbst und von der Wirtschaftsförderung kommen.

Ab 2006 haben wir 419 anerkannte Förderschwerpunkte der Dorferneuerung.
Integrierte ländliche Entwicklung heißt für mich, dass ausgehend von Flurbereinigungsverfahren und Förderschwerpunkten der Dorferneuerung der Mitteleinsatz konzentriert wird.

Meine Damen und Herren, seit Jahren reden wir von ortsübergreifender Dorfentwicklung!

Deshalb kommt es darauf an, die Fördermittel so einzusetzen, dass ein sinnvoller Entwicklungsprozess in den Regionen eingeleitet wird. Infrastrukturmaßnahmen und gemeinschaftliche Anlagen sind nach regionaler Abstimmung zwischen Förderschwerpunkten förderfähig.
Integrierte ländliche Entwicklung setzt auf regionale Partnerschaften.
Unsere Kommunen und auch die Regionen werden als strategische Partner der ländlichen Entwicklung zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Kommunale Selbstverwaltung bedeutet aber auch kommunale Selbstverantwortung!

Ich rufe Sie als Architekten und Planer der Dorferneuerung auf, auch daran zu denken, wie künftig die Unterhaltung und Erhaltung geleistet werden kann!

Beantragt sind in diesem Jahr Maßnahmen, die unser Fördermittelvolumen um das zehnfache übersteigen!
Diese finanzielle Situation zwingt zur drastischen Beschränkung auf das Wesentliche.
Ich setzte dabei auch auf Ihre Fachkompetenz und Ihre Erfahrung!

Kommen wir nun zur Finanzierung.
Die Rahmenbedingungen für die finanzielle Förderung werden in erster Linie durch die EU Strukturförderung gesetzt.
Die entsprechende Verordnung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch einen neuen Europäischen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, kurz ELER-Verordnung, liegt vor.
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll in der neuen Förderperiode 2007 bis 2013 die zweite Säule Landentwicklung verstärkt und ihre Durchführung wesentlich vereinfacht werden.
Ich hoffe inständig an die Adresse des Vertreters der EU-Kommission, das gerade mit letzterem endlich Ernst gemacht wird und nicht der Bürokratieaufwand für Kontrollen den Aufwand für das eigentliche operative Geschäft bei weitem übersteigt.

Die Finanzmittel der EU-Strukturförderung werden national im Wesentlichen aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ finanziert.
Daher ist es sehr bedeutsam, dass die Existenz der GAK gesichert ist.

Ich möchte Ihnen jedoch nichts vormachen.

Die finanzielle Situation des Landes zwingt uns, nun im Haushaltsvollzug Restriktionen aufzuerlegen. Auch für den Doppelhaushalt 2006/2007 drohen, durch die anhaltende Stagnation des Wirtschaftswachstums, weitere dramatische Steuerausfälle. Allein für das Jahr 2006 muss Thüringen 720 Mio. Euro Zinsen für die Schuldentilgung zahlen.
Die Auswirkungen dieser dramatischen Finanzlage in Thüringen auf die weitere Entwicklung auch im ländlichen Raum sind mir bewusst.

Wenngleich das weniger als in den Jahren zuvor ist, dürfen wir nicht vergessen,
dass seit 1991 über 730 Mio. € zur Erhaltung und Entwicklung unseres ländlichen Raumes aus EU-, Bundes- und Landesmitteln verwendet wurden.

Es ist klar, dass dieses Tempo und diese Meilensteine unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen nicht beibehalten werden können.

Es ist genauso unzweifelhaft, dass insbesondere der Bedarf an Dorferneuerung, Flurbereinigung und ländlichem Wegebau in Thüringen nach wie vor gegeben ist!

Das Handeln in der Landentwicklungsverwaltung ist aufgrund der Querschnittsorientierung, der begrenzten Kapazität, aber auch der auferlegten Selbstbeschränkung auf eine weitgehende Aufgabenvergabe an private Stellen angewiesen.

Architekten und Ingenieure sind die wichtigsten Partner!

Zur Umsetzung der Behördenstrukturreform ist die Einbindung von privaten Dienstleistern zur Erreichung von mehr Effizienz in der Verwaltung und von mehr Bürgernähe unerlässlich.
Ohne das Zusammenwirken einer leistungsfähigen Verwaltung und qualifizierter Partner laufen diese Prozesse erfahrungsgemäß nicht.

Dies kostet jedoch Geld, Vergabemittel, welche aber in dem erforderlichen Umfang nicht zur Verfügung stehen.
All das macht deutlich, welcher komplizierten Situation wir in diesem Jahr begegnen.

Gleichwohl werden wir die begonnene Zusammenarbeit fortsetzen.

Dazu möchte ich nur einige Beispiele herausgreifen.
Bei der Bearbeitung ganzer Flurbereinigungsverfahren haben freiberufliche Thüringer Ingenieure mit neuen Wegen bundesweite Maßstäbe gesetzt.
Die Schulen der Dorferneuerung, die in Zusammenarbeit mit der Architektenkammer bei der Stiftung Baukultur eingerichtet wurden, sind auf großes Interesse engagierter Bürger gestoßen. Darauf sollte aufgebaut werden und diese Form der Bürgermitwirkung auf das gesamte Spektrum der Integrierten ländlichen Entwicklung übertragen werden.
Ich weiß, dass hierzu Gespräche laufen.

Sie sehen, die zu bewältigende Wegstrecke wird nicht einfacher werden und uns Einiges abverlangen. Die neuen Rahmenbedingungen werden uns eine Menge an Ideen und Kreativität abverlangen.

Der Aufbau in den 90iger-Jahren wird uns im Nachhinein mehr und mehr wie eine Spazierfahrt vorkommen.

Der Freistaat Thüringen wird aber auch weiterhin mit seiner Förderpolitik die Entwicklung der Agrarstruktur und eine nachhaltige Stärkung der Wirtschaftskraft in den ländlichen Räumen unterstützen.
Die Gestaltung der ländlichen Räume in Thüringen ist und bleibt unsere Aufgabe und Verantwortung!

Für dieses Gemeinschaftswerk wünsche ich uns allen zum Wohle und im Sinne der Menschen in Stadt und Land ein gutes Gelingen!

veröffentlicht am 02.09.2005 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

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