Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

Eckhard Engert: Rede zur Fachtagung "Integrierte Entwicklung im ländlichen Raum"

Ministerialdirigent Eckhard Engert, Ltr. Abteilung Ländlicher Raum, Sozialordnung, Pflanzliche Erzeugung, Forst- und Holzwirtschaft des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Sehr geehrter Herr Strube,
sehr geehrter Herr Minister Sklenar,
sehr geehrter Herr Direktor Constantinou,
sehr geehrter Herr Dr. Thöne,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zunächst einmal möchte ich Ihnen Grüße von Bundesministerin Renate Künast überbringen. Sie ist in diesen Tagen vollkommen ausgebucht und hat mich gebeten, diesen Termin für sie zu übernehmen. Ich tue das sehr gern, weil es mich freut, dass die Architektenkammer Thüringen das Thema ‚Ländlicher Raum’ mit dieser Tagung deutlich herausstellt. Die Bedeutung der Entwicklungen im ländlichen Raum - insbesondere jenseits der so genannten „Speckgürtel“ - werden in der Öffentlichkeit meines Erachtens noch zu wenig wahrgenommen. Doch diese Entwicklungen werden das Leben auf dem Land in den nächsten Jahrzehnten erheblich verändern.

Die Situationsanalyse will ich hier verkürzen und nur die Stichworte Verstädterung auf der einen, Arbeitslosigkeit, Entvölkerung bzw. Überalterung auf der anderen Seite nennen. Diese Problematiken sind vielen von Ihnen bekannt.

Konzentrieren will ich mich hingegen auf die Frage, wie diese Herausforderungen aus Sicht des BMVEL, insbesondere in Zeiten knapper Kassen, erfolgreich bewältigt werden können.

Es gibt ja auch ländliche Regionen, denen es gelingt, Bevölkerungszuzug und Beschäftigungswachstum zu erzeugen, z.B. im verarbeitenden Gewerbe oder im Tourismus. Schaut man genauer hin, z.B. nach Österreich, wo das Regionalmanagement Anfang der 90er Jahre „erfunden“ wurde, in die Steiermark, aber auch ins Emsland oder ins Münsterland, so kann man drei Erfolgsfaktoren ausmachen :
1. Regionale Entwicklungskonzepte,
2. Engagement der Interessengruppen
3. Professionelles Regionalmanagement

1. Ein regionales Entwicklungskonzept aller Interessengruppen:
es führt dabei kein Weg daran vorbei, dass sich Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Verbände und Verwaltungen noch mehr als bisher für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Weiterentwicklung ihrer Regionen einsetzen. Und zwar auf der Grundlage eines Entwicklungskonzeptes, das ebenfalls gemeinsam erarbeitet worden ist. Dazu gehören - zugegeben mühsame – aber zielorientiert und professionell geleitete Diskussionsprozesse.

2. Bereitschaft zu großem Engagement der Interessengruppen und ihrer Mitglieder:
das bekommt man nur, wenn sich alle mit dem Entwicklungskonzept für ihre Region identifizieren. Das heißt: möglichst alle berechtigten Interessen müssen in dem Entwicklungskonzept berücksichtigt werden! Ohne transparente Kommunikationsstrukturen dürfte das kaum gelingen: miteinander reden, erklären, wie Entscheidungen zu Stande gekommen sind, Rundbriefe, Internetauftritte usw. müssen von Anfang an Transparenz und damit Vertrauen herstellen.

3. Organisation durch professionelles Regionalmanagement:
das Regionalmanagement muss ein Motor sein, der die Prozesse zur Entwicklung der Region am Laufen hält. Das geht nur im Konsens mit den Entscheidern der Region, also den Kommunalpolitikern, den Verbänden und der Wirtschaft. Mit dem Regionalmanagement schaffen sich diese Interessengruppen der Region eine gemeinsam getragene Stelle, die das Netzwerk aller Akteure aufrecht erhält, und die in der Lage sein muss, die vielfältigen Interessen auszugleichen. Das A und O sind auch hier kommunikative Fähigkeiten.

Wenn diese drei Faktoren gebündelt werden, um
- die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen voranzubringen,
- den Fluss staatlicher Fördermittel zu koordinieren und
- die Umsetzung der Maßnahmen zu begleiten,
dann spreche ich von echter integrierter ländlicher Entwicklung.

Dafür steht die Förderung der ländlichen Entwicklung der jetzigen Bundesregierung!

Darauf hat sich die Förderpolitik des BMVEL in den letzten Jahren ausgerichtet und die Politik für den ländlichen Raum mit einer Reihe von Maßnahmen qualitativ voran gebracht. Ich will dazu zwei Bereiche
 Förderung der ländlichen Entwicklung in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, kurz GAK,und
 REGIONEN-AKTIV-Modellregionen sowie
näher beleuchten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

auf Initiative des Bundes werden in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ seit 2004 zwei der genannten Faktoren einer erfolgreichen ländlichen Entwicklung mit Bundesmitteln gefördert:
- die Erarbeitung integrierter ländlicher Entwicklungskonzepte sowie
- das Regionalmanagement.

Den ländlichen Regionen werden so Wege eröffnet, die bestehende investive Förderung der Dorfentwicklung, der Einkommenskombinationen oder der Flurneuordnung in regionale Konzepte einzubinden und so effizienter zu machen: effizienter zu machen insbesondere auch im Hinblick auf die Aktivierung privaten Kapitals und privaten Engagements. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Länder die Maßnahmen den Regionen in diesem Sinne anbieten.

Richtig umgesetzt, können Regionalmanagement und Integrierte Entwicklungskonzepte die bisher auf einzelne Sektoren und Fördertatbestände ausgerichtete staatliche „Förderung von oben“ durch einen „Blick aus der Region auf die Region“ ersetzen. Es geht nicht mehr um die Frage des einzelnen Antragstellers „Was kann gefördert werden“, sondern um die Frage „Welche Projekte bringen die Region zur Verwirklichung Ihrer Ziele voran?“.

In Zeiten knapper Kassen muss die Effizienz der staatlichen Förderung weiter deutlich verbessert werden. Die Gießkanne ist das falsche Werkzeug. Staatliche Förderung muss künftig mehr denn je darauf ausgerichtet sein, Selbstverantwortung und privates Engagement zu aktivieren, sowohl in finanzieller als auch in ideeller Hinsicht.

Ich denke, dass es in diesem Zusammenhang auch an der Zeit ist, die hohen Fördersätze für die Flurneuordnung in der GAK zu überdenken. Eine staatliche Förderung von bis zu 80 %, in den neuen Ländern bis zu 90 % der zuwendungsfähigen Ausführungskosten ist heute kaum noch zu rechtfertigen.

Wenn die Flurbereinigung etwas für die regionale Wirtschaft bringt, sollte sie auch bereit sein, einen höheren finanziellen Beitrag zu tragen. Im Falle der Förderung der Dorfentwicklung ist das seit Jahren so. Private werden für Dorferneuerungsmaßnahmen derzeit nur mit bis zu 30 %, in den neuen Ländern bis zu 40 % der Kosten gefördert werden. Gemeinden bekommen im Westen maximal 50 %, im Osten bis zu 70 %.

Eine Angleichung der zwischen Ost und West unterschiedlichen Fördersätze ist erforderlich, um auch in den neuen Ländern eine stärkere Einbindung privaten Kapitals zu erreichen. Eine Ost-West-Differenzierung in den Fördersätzen gibt es nur noch beim Fördergrundsatz für die integrierte ländliche Entwicklung der GAK.

Die stärkere Einbindung privaten Kapitals führt zu hoch effizienter Mittelverwendung, denn wenn es um die eigenen Mittel geht, darf ein starkes Eigeninteresse der Zuwendungsempfänger vorausgesetzt werden. Auch verspreche ich mir davon, dass auf diese Weise Mittel für GAK-Maßnahmen mit höherer Aktivierungswirkung frei werden.

Wir werden diese Vorschläge in nächster Zeit mit den Ländern in den Gremien der Gemeinschaftsaufgabe diskutieren. Das BMVEL gibt insoweit erneut einen wichtigen Impuls zur Weiterentwicklung der GAK im EU-Finanzplanungszeitraum 2007 - 2013.

Ich stimme insoweit dem ursprünglich vorgesehenen Motto dieser Tagung ausdrücklich zu: vom Förderparadies des letzten Jahrhunderts gilt es Abschied zu nehmen.

Verehrte Damen und Herren,

in den 18 REGIONEN-AKTIV-Modellregionen werden in über 500 Projekten wertvolle Erfahrungen für die Zukunft der ländlichen Entwicklung gesammelt. Das BMVEL hat dafür in den letzten drei Jahren 45 Mill. € zur Verfügung gestellt. Diese REGIONEN-AKTIV-Regionen zeigen, dass es besser ist, wenn sich die Regionen auf ihren besonderen Stärken und Schwächen konzentrieren als „von oben“ vorgegebene Einheitslösungen anzustreben. Die Auswertung der vorliegenden Fortschrittsberichte hat gezeigt, dass auf regionaler Ebene viel erreicht werden kann, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

Bundesministerin Künast hat inzwischen entschieden, dass das Modellvorhaben REGIONEN AKTIV unter veränderten Bedingungen um zwei Jahre verlängert wird. Damit sollen die Prozesse in den Modellregionen so verankert und verstetigt werden, dass sie ohne weitere Unterstützung fortgeführt werden können. Regionalmanagement, Partnerschaft und Projekte sollen in die Lage versetzt werden, selbstständig bestehen zu können.

Sehr verehrte Damen und Herren,

Ich möchte abschließend auch auf die Auswirkungen der im Juni verabschiedeten ELER-Verordnung auf die ländliche Entwicklung eingehen.

Künftig müssen mindestens 5 % der Programmmittel jedes Mitgliedstaats für den 4. Schwerpunkt, die so genannte LEADER-Achse der ELER-Verordnung reserviert werden.

Diese Mittel müssen für regi-onale Entwicklungsstrategien bereit stehen, die von lokalen bzw. regionalen Aktionsgruppen durchgeführt werden. Damit wird der Ansatz der LEADER-Gemeinschaftsinitiative und das damit verbundene Bottom-Up-Konzept gestärkt. Dies entspricht in weiten Teilen dem oben beschriebenen und von der Bundesregierung in der GAK beschrittenen Weg.

Es ist der Bundesregierung darüber hinaus gelungen, dass das Regionalmanagement unter anderem für eine Reihe von investiven Maßnahmen, auch außerhalb des LEADER-Schwerpunktes von der EU kofinanziert wird.

Ab 2007 stehen somit EU- und Bundesmittel aus der GAK für das Regionalmanagement zur Umsetzung von regionalen Entwicklungsstrategien zur Verfügung. So müssen die hohen Ansprüche an die lokalen LEADER-Aktionsgruppen künftig bei vielen Maßnahmen nicht beachtet werden. Das erweitert den Spielraum von Bund und Ländern bei der Umsetzung von Maßnahmen der integrierten ländlichen Entwicklung in den Regionen.

Gleichwohl halte ich es für sinnvoll, den Ländern künftig die Option zu eröffnen, die Möglichkeiten der GAK-Förderung auch im Rahmen des LEADER-Schwerpunktes umzusetzen. Das BMVEL hat auch dazu bereits einen ersten Vorschlag unterbreitet.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin gespannt auf die weiteren Beiträge des heutigen Tages und auf die Diskussionen am Rande.

Der heutigen Veranstaltung wünsche ich auch im Namen von Bundesministerin Renate Künast ein gutes Gelingen.

Vielen Dank!

veröffentlicht am 06.10.2005 von Birgit Kohlhaas · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken