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Eine „beispiellose Erfolgsgeschichte“ und ihre Herausforderungen für die Zukunft

Nachlese zum fünften gemeinsamen Neujahrsempfang von Architektenkammer Thüringen und Ingenieurkammer Thüringen

„Nachhaltig für Thüringen – 20 Jahre Planen und Bauen im Freistaat“ – die Maxime des diesjährigen Neujahrsempfangs ist zugleich Jahresmotto der Architektenkammer Thüringen (AKT) und Auftakt für ein ereignisreiches Jahr 2010. Der Blick zurück auf die Ergebnisse des Planen und Bauens seit der politischen Wende geht einher mit dem Blick voraus. Was uns erwartet, in diesem Jahr und darüber hinaus, darauf gaben die Reden von AKT-Präsident Strube, Bauminister Carius und Ingenieurkammer-Präsident Professor Mönnig am 18. Januar im Erfurter Kaisersaal vor mehr als 300 geladenen Gästen erste Antworten.

Gleich zu Beginn unterschied Hartmut Strube in Anlehnung an eine Analyse der Forschungsgruppe Stadtentwicklung Thüringen bei der Betrachtung des Zeitraums von 1990 bis 2010 im Wesentlichen vier Phasen: Galt es bis 1994, Altstädte zu sichern, Gründerzeitviertel zu erneuern und Versorgungslücken zu schließen, besann man sich als Reaktion auf die verstärkten Stadt-Umland-Wanderungen Mitte der 1990er Jahre in einer zweiten Phase bis 1999 auf die Wiederentdeckung der Zentren. „Einen wahren Paradigmenwechsel bedeutete der Beginn der Thüringer Innenstadtinitiative 1996“, führte Strube aus.

Waren die ersten beiden Phasen von Aufbau und Wachstumsszenarien geprägt, setzte von 2000 bis 2005 ein erneutes Umdenken ein: Demographischer Wandel, Rückbau, Umbau und Aufwertung beherrschten das Baugeschehen in der dritten Phase. 2002 startete die Projektinitiative „GENIAL zentral“ mit dem Ziel, innerstädtische Brachflächen für das Wohnen zu erschließen. Auch die vierte Phase von 2006 bis heute zeigt eindeutige Themenschwerpunkte: „Das generationengerechte Planen und Bauen, das unterschiedlichen Lebensstilen und -formen entspricht, sucht nach modellhaften Lösungen“, so der Präsident. Zudem sehen sich Architektur und Städtebau mit den Herausforderungen infolge von Klimawandel und Energiewende konfrontiert.

Zusammenfassend lasse sich konstatieren, dass sich die Baukultur des Landes als wichtiger Faktor der Wertschöpfungskette etabliert habe. „Der Anspruch an die Baukultur des Freistaates ist nicht Luxus, sondern ein unverzichtbarer Standortfaktor im Wettbewerb der Regionen und ein Garant für Lebensqualität“, sagte Strube. Und weiter: „Das Ringen unserer Berufsstände um qualitatives Planen und Bauen ist kein Selbstzweck.“ Bauen sei nie nur Privatsache, niemand könne sich der gebauten Umwelt entziehen. Nachgelassen habe zwar das Tempo der baulich-räumlichen Veränderung, aber der Wandel setze sich fort. „Die technischen Möglichkeiten, ökologischen Anforderungen und juristischen Rahmenbedingungen entwickeln sich weiterhin rasant.“

Mit Blick auf künftige Aufgaben verwies der Präsident darauf, dass Schrumpfung nicht gleich Stagnation bedeutet, sondern die Chance auf eine neue qualitative Entwicklung in sich birgt. „Mehr denn je wird es darum gehen, soziale, räumliche, ästhetische und wirtschaftliche Aspekte zu einer erfolgreichen Erneuerungsstrategie zu verknüpfen.“ Dies erfordere ein Denken in Prozessen, ein Arbeiten in Netzwerken und das Bilden strategischer Allianzen. Der Freistaat stehe ferner erst am Beginn einer klimagerechten und ressourcenschonenden Architektur, Stadt- und Regionalplanung und es bestehe die große Chance, „Thüringen in eine Vorreiterrolle zu bringen“. Hartmut Strube rief alle Mitglieder dazu auf, den im Koalitionsvertrag verankerten Anspruch, ein Leitbild „Energieland Thüringen / Grüner Motor Deutschlands“ zu entwickeln, ernst zu nehmen und „durch innovative Konzepte, die modernste Technik mit guter Gestaltung verbinden, einen fachbezogenen Beitrag zu leisten.“ Das gemeinschaftliche Handeln solle dabei auch zukünftig vom Qualitätsanspruch geleitet sein, getreu dem Motto „Tradition verpflichtet“.

In seiner Festrede knüpfte Christian Carius, Thüringer Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, nahtlos an die beiden genannten Aufgabenschwerpunkte an. Ebenfalls betonte er, dass zeitgemäßes Planen und Bauen vor allem mit dem demographischen Wandel verknüpft sei. Dieser zeige sich nicht nur am Bevölkerungsschwund und in zunehmender Überalterung, sondern auch an der Binnenwanderung – weg vom ländlichen Raum hin in kleine und mittelgroße Städte. Zu klären sei, welche Funktionen Dörfer künftig einnehmen und wie Innenstädte so gestärkt werden könnten, dass sie sich zu „Ankerpunkten“ im ländlichen Raum entwickeln.

Im Zusammenhang mit dem zweiten Kernpunkt, „Nachhaltiges Planen und Bauen“, forderte Carius: „Es muss uns gelingen, den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zu betrachten – auch bei den staatlichen Investitionen.“ Wichtig sei dabei, „Public Private Partnership nicht nur als andere Finanzierungsform“ zu begreifen, „sondern als Maßnahme, um dieses ganzheitliche Betrachten abzusichern.“ Eine zentrale Herausforderung der Bauwirtschaft sei zudem „von dem wenig schmeichelhaften Begriff ‚Passivhaus’ wegzukommen.“ Es gelte Formen zu finden, „die eher am Lebensgefühl der Menschen anknüpfen.“

Ergänzend zu demografischen Wandel und Klimawandel führte der Minister den Leitgedanken „Baukultur und Baukunst in Thüringen“ als dritten Schwerpunkt an. Er zeigte sich außerordentlich dankbar für die Stiftung Baukultur. Diese leiste einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung der Menschen für dieses weit gefasste Thema. „Die Unterstützung der Stiftung ist daher erklärter Bestandteil der Landesregierung sowie unserer Absicht, im Bau eine eigene Qualitätsoffensive zu starten“, bekräftigte Carius.

Als Instrumente, die fort zu entwickeln seien, nannte der Minister neben der Ausstellung „Mensch, Natur und Städtebau“, der Innenstadtinitiative und den beiden Staatspreisen (für Architektur und Städtebau sowie für Ingenieurleistungen) auch die Idee einer Internationalen Bauausstellung (IBA). Deren Ziel müsse es sein, einen Prozess bis ins Jahr 2019 zu gestalten: „Wenn wir einhundert Jahre Bauhaus feiern, sollen wir zurückblicken und stolz sein können, dass wir vieles fortgeführt und Lösungen für die Zukunft gefunden haben.“

Die zurückliegenden 20 Jahre Planen und Bauen im Freistaat bezeichnete Carius resümierend als „beispiellose Erfolgsgeschichte, die, wenn man sie nach vorne denkt, zahlreiche Herausforderungen bietet, denen wir gemeinsam positiv gegenüber stehen sollten.“

Im Anschluss an die Festrede sprach Professor Hans-Ulrich Mönnig wichtige berufspolitische Voraussetzungen an, um die Qualitätssicherung im Ingenieurfach auf allen Ebenen gewährleisten zu können. Zuforderst nannte er die Eigenkontrolle in Sachen Weiterbildung und eine qualitativ hohe Ausbildung an Universitäten und Hochschulen, welche die Nachwuchsförderung für den Ingenieurberuf mit einschließe. „Bologna“ müsse nicht als ein Dogma aufgefasst werden, da das Hochschulrahmengesetz auch Alternativen zulasse. Freiberufler wie Ingenieure und Architekten seien zudem eine besondere Berufsgruppe, an die höhere Anforderungen gestellt würden, die nur durch eine komplexe Ausbildung sicherzustellen seien.

Als Voraussetzung für Qualität bezeichnete der Präsident auch die honorarseitige Auskömmlichkeit der Berufsausübung. Dazu sei 2010 eine weitere Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) notwendig, welche die Kapitel X bis XIII wieder als feste Planungsbestandteile integriere. An die öffentlichen Auftraggeber ging der Appell, sich stets der Verwendung von Steuermitteln bewusst zu sein und im Rahmen von Verfahren gemäß der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF-Verfahren) die Kammern als Körperschaften öffentlichen Rechts zu beteiligen. Qualität müssten auch die verschiedensten Versicherungsmodelle berücksichtigen, Kammern und Versicherer rief er dazu auf, entsprechende Modellversuche zu starten.

Abschließend betonte er, dass das weit gefasste Rahmenthema „Qualität“ konzeptionell wie auch materiell die Chance biete, Gedanken zur Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

Björn Radermacher

veröffentlicht am 11.02.2010 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Berufspolitik / Kammerarbeit, IBA Thüringen

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