Zum Seiteninhalt Logo der Architektenkammer Thüringen

Ensemble Goethes Wohnhaus in Weimar – Wettbewerbsergebnis

Ergebnis des nichtoffenen Planungswettbewerbs

12 Bilder vergrößern
Gartenpavillon 2. Preis Helga Blocksdorf - Architektur und Brenne Architekten GmbH, Bild: Helga Blocksdorf Architektur und Brenne Architekten

Die Klassik Stiftung Weimar plant die denkmalgerechte Instandsetzung und museale Neukonzeption des Ensembles Goethe-Wohnhaus.

Das Ensemble ist Teil des Goethe-Nationalmuseums, steht unter Denkmalschutz und gehört zum UNESCO-Welterbe „Klassisches Weimar“. Im Zuge der Instandsetzung sollen die Nutzungen teilweise neu geordnet und die Gebäude an einen zeitgemäßen technischen und musealen Standard angepasst werden.

Im Sommer 2022 wurde seitens der Stiftung ein europaweit ausgeschriebener Planungswettbewerb für Architektinnen und Architekten ausgelobt. In der zweiten Verfahrensstufe wurde der Wettbewerb mit 14 eingereichten Beiträgen umgesetzt. Als Preisgeld standen 55.000 Euro (netto) zur Verfügung. Im Ergebnis der Preisgerichtssitzung unter Vorsitz des Architekten Prof. Volker Staab, Berlin, wurden drei gleichrangige zweite Preise vergeben.

Ergebnis

  • Ein 2. Preis (18.333,33 Euro):
    Helga Blocksdorf – Architektur und Brenne Architekten GmbH, Berlin
  • Ein 2. Preis (18.333,33 Euro):
    RBZ Generalplanungs GmbH, Dresden
  • Ein 2. Preis (18.333,33 Euro):
    Bruno Fioretti Marquez GmbH, Berlin

Das Preisgericht empfahl der Ausloberin einstimmig, die Verfasser*innen der ausgezeichneten Entwürfe zur Angebotsabgabe im Rahmen des an den Wettbewerb anschließenden Verhandlungsverfahrens aufzufordern.

Beurteilungen des Preisgerichts

Zur Arbeit der RBZ Generalplanungs GmbH:

Die Arbeit überzeugt durch eine analytische Herangehensweise und eine differenzierte Betrachtung des Bestandes. Sie entwickelt die denkmalpflegerische Bewertung des Bestandes weiter, indem sie unterschiedliche Kategorien zum Umgang mit der Denkmalsubstanz aufstellt. Sie lässt einen sensiblen und analytischen Umgang mit der vorhandenen Substanz erkennen, die einen Abwägungsprozess im Sinne der Denkmalpflege spiegelt. Dadurch entsteht ein hohes Potential zur differenzierten Ausgestaltung verschiedener Raumbereiche und Funktionsbereiche.
Nutzungskonzept:
Die Arbeit eröffnet vielfältige Erschließungsmöglichkeiten und Zugänge durch Goethes Wohnhaus sowie eine barrierefreie Erschließung des 1.+2. Obergeschosses des Wohnhauses. Der Aufzug wird westlich des Wohnhauses in den Vulpiushäusern platziert. Die Lage ist sensibel, unter Berücksichtigung der Funktionalität, in den Bestand intergiert und ermöglicht durch seine Platzierung in den Obergeschossen die barrierefreie Erschließung des Vorderhauses. Das Arbeitszimmer bleibt unangetastet.
Die barrierefreie Erschließung des Gartens über einen Treppenlift an der Bestandstreppe erscheint verbesserungswürdig, da der Treppenlift nicht selbstständig bedient werden kann. Das Erdgeschoss des Vorderhauses wird über additive Rampen barrierefrei erschlossen. Der Hof und die angrenzenden Bereiche im Hinterhaus und im KG werden den öffentlichen Bereichen zugeordnet, ebenso die Flächen des Torhauses. Die musealen Flächen der Beletage werden in den westlichen Teil des zweiten Obergeschosses ausgeweitet, so dass die Wendeltreppe vollumfänglich erlebt werden kann.
Gartenpavillon:
Der Bauwich am Gartenpavillon wird partiell geöffnet und der Pavillon in seiner Kubatur wieder freigestellt. Die Erschließung wird über eine neue Treppe in Anlehnung an den Bestand realisiert. Die vorgeschlagene Ausstellungsarchitektur soll reversible integriert werden.
Brückenzimmer:
Die Ausgestaltung des Brückenzimmers soll auf die Goethezeit zurückgeführt werden. Der Umgang mit der Substanz zeugt von hoher Sensibilität mit der Bausubstanz im sensiblen Bereich der Beletage und zurückhaltender Integration der neuen technischen Ausstattungen.
Musterraum:
Der Neubau eines raumbildenden Ausstellungssystems als 2. Schicht zeugt von einem respektvollen Umgang mit der Bausubstanz. Die technischen Installationen im Bereich der Decke lassen eine flexible Nutzung des Raumes zu. Die Gestaltung der 2. Raumschicht zeigt eine stark vordefinierte Gestaltung.
Empfehlungen:
Der Anteil öffentlicher Flächen ist im Verhältnis zu den Verwaltungsflächen recht hoch und kann in der weiteren Bearbeitung noch zu Gunsten der Verwaltungsflächen verschoben werden. Die Gestaltung der 2. Raumschicht sollte im Zuge der Überarbeitung neutralisiert werden, um dem Ausstellungsraum eine neutralere Gestaltung zu geben, die eine Vielfalt an Ausstellungsgestaltungen ermöglicht. Eine Auseinandersetzung mit dem Musealen Konzept ist nur in Ansätzen zu erkennen. Die vorgeschlagene Raumdramaturgie ist zukünftig mit dem musealen Konzept in Einklang zu bringen.
Ergänzung zur Barrierefreiheit:
Wichtige Eigenheit des Entwurfes ist die vertikale Erschließung der Ausstellungsflächen im 1. und 2. OG durch einen Aufzug. Der Entwurf zeichnet sich durch die geschickte Positionierung im Vulpiusbau aus, der die Nutzung des oberen Geschosses sowohl im Mitarbeiter- als auch im Ausstellungsbereich vereinfacht und im Erdgeschoss weniger sichtbar ist.

Zur Arbeit von Helga Blocksdorf – Architektur und Brenne Architekten GmbH

Die Arbeit geht mit einem hohen Anspruch an die Aufgabe heran – mehr künstlerisch-konzeptionell als baumeisterlich. Die gebotene denkmalpflegerische Erhaltung wird aus dem Blickwinkel der zeitgenössischen Kunstproduktion heraus betrachtet – ein interessantes, allerdings in seinen architektonischen und szenografischen Folgerungen nicht restlos überzeugendes Vorgehen.
Das Ankommen erfolgt weiterhin ebenerdig durch die zwei zum Frauenplan geöffneten Tore. Der bisherige Zugang in den Ostflügel wird auf die Mittelachse des Hofs konzentriert, dort gelangt man zu dem neuen Lift, der hier Substanz schonend Platz findet. Mit dem zusätzlichen Eingang von der Straße bleibt die Frage des Haupteingangs unbestimmt. Der Innenhof und die Wirtschaftsräume werden öffentlich genutzt, hier wird die „Stallcharakteristik“ herausgearbeitet. Der bisherige barrierefreie Durchgang durch das Waschhaus wird der zusammenhängenden öffentlichen Erdgeschoßfläche zugeschlagen. Im Westen wird ein unterirdischer Funktionsraum vorgeschlagen, der für Müll und Lager sinnvoll ist, für Fahrräder aber schwierig. Die historische Treppe wird dafür leicht verschoben.
Das Obergeschoß des Wohnhauses bleibt museal genutzt. Hinter der Wendeltreppe werden Wände abgebrochen, um einen barrierefreien Zugang zu Goethes Vorzimmer zu schaffen. Ein Rundgang entsteht dadurch nicht, aber eine Einblicks Möglichkeit in das Arbeitszimmer. Das 2. OG wird ebenfalls komplett museal genutzt, was einige Eingriffe erfordert. Es erscheint fraglich, ob die dabei entfallenden Räume für die Verwaltung ausgeglichen werden können. Diese verbleiben z.T. in den Vulpiushäusern und werden durch ein an das Torhaus angelehntes „Gewächshaus“ ergänzt. Dieser Eingriff erscheint in der Beschreibung zunächst als konzeptionell interessante Ergänzung der Gartenarchitektur. In seiner vorgeschlagenen baulichen Ausführung und im Maßstab ist er jedoch unverständlich und wirkt verfehlt. Zudem bedeutet der Vorschlag entwicklungsgeschichtlich eine Umkehrung der Goetheschen Gedanken zu seinem Garten.
Die Verfasser haben sich umfassend mit der musealen Konzeption auseinandergesetzt und denken diese eigenständig weiter. Sie liefern Anhaltspunkte für die gewünschte Gegenwartsorientierung. Einzelheiten wie die „digitalen Schwellenräume“ überzeugen in der baulichen Ausführung und auch in der musealen Abfolge nicht.
Die baulichen Vorschläge für die Vertiefungsbereiche sind erfreulich bestands- und reparaturorientiert. Beim Gartenpavillon wird von einer musealen Nutzung des OG abgesehen, was wegen der erhaltenen steilen Treppe einleuchtet. Für das Brückenzimmer werden sinnvolle konservatorische und restauratorische Maßnahmen benannt, die aber mit der Idee des Herausarbeitens der architektonischen und künstlerischen Leitschicht der Goethezeit, mit Beseitigung der Heizkörperverkleidungen, nicht ganz der Zielstellung folgen.
Abgesehen vom nicht ganz nachvollziehbaren Neubauanteil im Garten wird die Planung den denkmalfachlichen Kriterien weitgehend gerecht; so integriert sie den Aufzug in einer weniger problematischen Stelle im Ensemble. Die Idee des Hublifts beim Übergang von der Wendeltreppe im 1. OG ist in diesem Planungsstadium nicht durchgeplant und müsste grundsätzlich überprüft werden. Zur baulichen Sanierung gibt es bedauerlicherweise nur unzureichende Informationen.
In der Summe stehen bei dieser Arbeit einem relativ zurückhaltenden, bestandsorientierten Ansatz unnötig plakative Eingriffe gegenüber, die im Maßstab und der Ausformung nicht den richtigen Ton treffen. Diese Diskrepanz zwischen dem ambitionierten konzeptionellen Ansatz und ihrer zeichnerischen Ausformulierung lässt im Hinblick auf die mögliche bauliche Umsetzung an einigen Stellen Fragen offen.
Ergänzung zur Barrierefreiheit:
Besonders positiv am Entwurf ist die vertikale Erschließung der Ausstellungsflächen im 1. und 2. OG durch einen Aufzug. Die Positionierung im Sammlungsbau zeigt einen respektvollen Umgang mit der historischen Substanz.
Besonders interessant, dass auch der Wohnbereich über eine Hebebühne erreichbar ist. Die gewählte Position erlaubt einen Einbau hinter Tapetentüren, so dass das Raumerlebnis erhalten bleibt. Eine weitere konstruktive Abstimmung bezüglich Denkmalschutz und Bausubstanz ist sicher erforderlich. Auch der Garten wird durch einen Aufzug zugänglich.

Zur Arbeit der Bruno Fioretti Marquez GmbH

Die Jury würdigt insbesondere die Grundhaltung, mit der sich diese Arbeit der komplexen Aufgabenstellung, welche im Wettbewerb fokussiert ist auf exemplarisch auszuarbeitende Teilbereiche, mit einem übergeordneten Manifest nähert. Über 4 Thesen „A gift to the street”, „Society of rooms“, „Sollbruchstellen“ und „techné & poiesis“ werden alle Interventionen am Ensemble kategorisiert und instrumentalisiert, (museologisch, szenographisch, architektonisch, technisch) um eine veränderte, vielschichtige und inklusivere Wahrnehmung des Ensembles zu ermöglichen.
Dabei wird der Ausstellungsgegenstand, das Haus, umgedeutet – weg von der Idee des Gegenstandes oder Lebensbeweises – hin zu der Idee eines „Instruments für Forschung, Leben & Dichtung“. Diese wird absolut positiv bewertet.
Das Torhaus wird demgemäß sinnfällig als lebendiges Café und aktiver Literaturort unmittelbar an die Stadt adressiert (was jedoch speziell von den Zuwendungsgebern in Bezug auf die tatsächliche urbane Situation in Weimar als unrealistisch qualifiziert – und damit programmatisch in Frage gestellt wird), die ehemaligen Wirtschaftsräume im EG des Goethehauses als „Hiddenplaces“ an die Öffentlichkeit adressiert, das Wohnhaus in einzelne Raumgruppen, bzw. „Raumfamilien“ klassifiziert, die „repräsentative Raumgruppe“, die „private, introvertierte Raumgruppe“ und die „sozial interaktive Raumgruppe“.
Die Erschließung zu diesen Raumgruppen wird gestärkt durch die Choreographie der Bewegungen der Besucher über die existenten Treppen, eine rekonstruierte Treppe in den Vulpius Häusern, und einen neuen Lift.
Bezugnehmend auf die gewünschte Barrierefreiheit im gesamten Ensemble wird hiermit jedoch der Garten nicht entsprechend erschlossen. Letzteres wird seitens der Jury sehr kritisch angemerkt. Eine Barrierefreiheit bei den zahlreichen Stufen wird ebenfalls nicht nachgewiesen.
Die Herangehensweisen an die exemplarischen Räume des Wettbewerbs werden seitens der Jury im Hinblick auf denkmalpflegerische Sensibilität einerseits und architektonischen Ausdruck andererseits sehr kontrovers bewertet:
1. z. B. deckt sich die Rückführung der baulichen Situation von 1913 keinesfalls mit der denkmalfachlichen Strategie bei den Vulpiushäusern. Der Planungsgedanke wirkt sich hier sogar negativ auf die dort befindliche Denkmalsubstanz aus.
2. Der Aufstellungsstandort des Liftes erscheint einerseits denkmalpflegerisch kritisch, andererseits löst er den Anspruch nach Barrierefreiheit an einer strategisch wichtigen Stelle, wenngleich mit einer ungewöhnlich aufwendigen, dreiseitigen Adressierung.
3. Der nicht unerhebliche Eingriff in die Deckensubstanz des Gartenpavillions wird denkmalpflegerisch kritisiert, generiert jedoch einen unerwartet spannenden, neu zu erlebenden besonderen Raum im Ensemble.
4. Der konzeptionelle Ansatz zur Sanierung der Substanz zeigt einen erhöhten Einsatz von technischen Lösungen wie Zweifachverglasungen in den Fenstern und Vorkonfektionierungen der Luft im Luftgraben, der jedoch wiederum das Gartendenkmal beeinträchtigt.

Die architektonische Haltung im sensiblen und vertieften Umgang mit vorhandener materieller und ideeller Substanz wird jedoch trotz oben genannter Kritiken über die feinen Zeichnungen und Raumstimmungen kommuniziert.
Museologisch wird dieses Konzept als sehr tiefgründig bewertet, weil es nicht nur eine reine Umsetzung gegebener Prämissen beinhaltet, sondern konsequent weitergedacht wird.
Ergänzung zur Barrierefreiheit:
Wichtige Eigenheit des Entwurfes ist die vertikale Erschließung der Ausstellungsflächen im 1. und 2. OG durch einen Aufzug im Vulpiushaus. Hier ist besonders die Bewegungsfläche im Erdgeschoss hervorzuheben. Ein Halt auf Höhe des Wohnbereichs ermöglicht auch hier den Zugang. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Nutzung noch mit verdeckten Tapetentüren zu realisieren ist, da mit erhöhten Besucherströmen zu rechnen ist. Nachzubessern ist die fehlende barrierefreie Erschließung des Gartens, hier wurde keine Lösung aufgezeigt.

veröffentlicht am 20.12.2022 von Björn Radermacher · Rubrik(en): News, Wettbewerbe nach RPW: Ergebnisse

Diese Seite teilen

Die AKT in den sozialen Netzwerken