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Erweiterung der Definition der Dienstleistungsfreiheit

Urteil C-215/01 des Europäischen Gerichtshofes

Der EuGH hat am 11. Dezember 2003 in der Rechtssache "Schnitzer" (C-215/01) entschieden, dass die Verpflichtung zur Eintragung in die Handwerksrolle einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit darstellt, wenn die in der anwendbaren Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat erfüllt sind. Insoweit bestätigte der Gerichtshof seine bisherige Rechtsprechung im Fall Corsten (Rs. C-58/98, Urteil vom 03.10.2000). Er präzisierte sie jedoch durch eine weitere Definition der Dienstleistungsfreiheit in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit:

Ausgehend von der Tatsache, dass der Vertrag keine Vorschrift enthalte, die eine abstrakte Bestimmung der Dauer oder Häufigkeit ermöglicht, ab der die Erbringung einer Dienstleistung oder einer bestimmten Art von Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr als eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages angesehen werden kann, urteilte der EuGH: "Allein die Tatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer gleiche oder ähnliche Dienstleistungen wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in diesem Mitgliedstaat in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und von der aus er sich u. a. an die Angehörigen dieses Mitgliedstaats wendet, kann nicht ausreichen, um ihn als in diesem Staat niedergelassen anzusehen." Und ferner:

"Dienstleistung im Sinne des Vertrages kann somit Dienstleistungen ganz unterschiedlicher Art umfassen, einschließlich solcher, deren Erbringung sich über einen längeren Zeitraum, bis hin zu mehreren Jahren, erstreckt, z. B., wenn es sich um Dienstleistungen handelt, die im Rahmen eines Großbauprojekts erbracht werden. Auch Leistungen, die ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Wirtschaftsteilnehmer mehr oder weniger häufig oder regelmäßig, auch über einen längeren Zeitraum, für Personen erbringt, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, können Dienstleistungen im Sinne des Vertrages sein, etwa die entgeltliche Beratung oder Auskunftserteilung." Hier könnte man sich auch eine Ergänzung um das Wort "Planung" vorstellen.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte im Jahr 1994 ein portugiesisches Unternehmen damit beauftragt, in der Zeit von November 1994 bis November 1997 Verputzarbeiten in Bayern durchzuführen. Er erhielt daraufhin von der Stadt Augsburg einen Bußgeldbescheid wegen Zuwiderhandlung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, gegen den er beim AG Augsburg Einspruch einlegte. Das Gericht legte dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Eine ähnliche Konstellation hatte auch beim fortenwickelten Urteil in der Rs. Corsten vorgelegen.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskussion um Bestimmungsland- oder Herkunftslandprinzip im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum Reformvorschlag KOM/2002/119 endg. zur Anerkennung von Berufsqualifikationen weist dieses Urteil einen weiteren interessanten Aspekt auf. Der Halbsatz "wenn die in der anwendbaren Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat erfüllt sind", kann durchaus als Verweis auf das Bestimmungslandprinzip und damit als eine Untermauerung der Kammerpositionen verstanden.

veröffentlicht am 23.12.2003 von Susann Weber · Rubrik(en): News, Berufspraxis

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